Ob als Tafel Schokolade im Laden oder als Bohne auf die Münze geprägt: "Kakao durchdringt die Gesellschaft", sagt Lydia Amenyaglo. Die 34-Jährige ist Gründerin von plentyplenty.africa, einem ghanaischen Start-up, das den Kakao dekolonisieren will.

"Ich möchte die Geschichte des Kakaos neu erzählen", sagt Amenyaglo. Ob Seife, Getränke, Textilien aus den Fasern der Kakao-Blätter oder eben Schokolade: Sie hat es sich zum Ziel gemacht, alles, was sie anbaut, auch im Land zu verwerten.

Ghana ist zweitgrößter Exporteur von Kakao

Nach der Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) ist Ghana der zweitgrößte Exporteur von Kakao weltweit. Der größte Teil der Ernte wird nach Europa verschifft und dort profitabel weiterverarbeitet. Doch bei den Bauern, die den Rohstoff in mehreren Jahren harter Arbeit produzieren, kommt davon nur wenig an.

Wenn eine Tafel Schokolade in Deutschland für 86 Cent verkauft werde, landen laut einer Studie des Recherche-Insituts "Le Basic" im Durchschnitt nur etwa acht Cent beim Bauern in Ghana, sagt die Menschenrechtsreferentin beim Inkota-Netzwerk, Evelyn Bahn. Die entwicklungspolitische Organisation setzt sich unter anderem für die Einhaltung von Menschenrechten in globalen Lieferketten ein.

Preise sind viel zu niedrig

Dass acht Cent zu wenig sind für ein existenzsicherndes Einkommen, weiß Amenyaglo. "Wenn ich mit der Machete auf dem Feld stehe, halte ich es maximal eine halbe Stunde aus", sagt die Deutsch-Ghanaerin. Die Bauern machten das aber den ganzen Tag.

"Das ist einfach eine Arbeit, die bezahlt werden muss. Außerdem sehe ich es ja an meiner eigenen Familie. Die Preise müssten doppelt oder dreimal so hoch sein."

Seit fast drei Jahren bewirtschaftet Amenyaglo im Osten des Landes eine Kakao-Farm mit 24 Hektar, die seit Generationen im Familienbesitz ist. Sie findet, dass nicht nur der Anbau, sondern auch die Weiterverarbeitung in Zukunft in ghanaischer Hand liegen müsse. In diesem Jahr will sie mit der Herstellung von ersten eigenen Produkten wie Körperbutter beginnen. Vermarktet werden die Produkte von ihrem Start-up plentyplenty.africa.

Kakaoanbau: Bis heute von postkolonialen Strukturen geprägt

Auch Evelyn Bahn kritisiert, dass der Kakaoanbau in Westafrika bis heute von postkolonialen Strukturen geprägt sei.

"Die Grundhaltung ist nach wie vor, dass Menschen Rohstoffe für den Konsum in anderen Ländern anbauen und in Europa nicht die Notwendigkeit gesehen wird, diesen Menschen ein Einkommen zu ermöglichen, das ein Leben in Würde möglich macht", kritisiert die Inkota-Expertin.

Trotz der Probleme ist der Kakaoanbau ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Ghana. Bis zu 25 Prozent der jährlichen Exporteinnahmen des Landes werden laut einer Studie des Recherche-Insituts "Le Basic" damit erzielt. Vier bis sechs Millionen Menschen lebten von dem Anbau, bis zu 30 Prozent der Bevölkerung.

Ghanaer*innen wollen Rohstoff zurückgewinnen

Amenyaglo gehört einer neuen Generation von Ghanaerinnen und Ghanaern an, die versuchen, den Rohstoff wieder zurückzugewinnen, indem dieser zur Herstellung eigener Produkte genutzt wird. So produziert das ghanaische Unternehmen "Ohene Cocoa" etwa einen Wein aus fermentierten Kakaobohnen oder Tee aus eigenem Kakao.

Amenyaglo und ihre Mitstreiter haben zum Ziel, so zum Wirtschaftswachstum im eigenen Land beizutragen. Auch höhere Löhne, der Zugang zur Gesundheitsversorgung sowie mehr Bewusstsein für den nachhaltigen Anbau sind Ziele der Bewegung.

"Ich möchte, dass die Leichtigkeit in den Kakao zurückkommt", sagt Amenyaglo.

"Ich war dabei, als meine fast 100-jährige Oma vor Kurzem das erste Mal ein Stück Schokolade probiert hat. Und das, obwohl sie ihr ganzes Leben lang Kakao angebaut hat." Ein besonderer Moment für sie persönlich - und symbolisch für das, was die neue Generation von Gründerinnen und Gründern erreichen möchte: Kakao, der Ghana und seinen Menschen guttut.

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