Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat zielgenauere Hilfen für Bedürftige durch die staatlichen Entlastungspakete gefordert. Der geplante "Abwehrschirm" sehe Unterstützung nach dem Gießkannenprinzip vor, sagte der Referent für Steuer- und Finanzpolitik an dem Kölner Institut, Tobias Hentze, am Samstag im Inforadio des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB).

Die Bundesregierung will Bürger und Unternehmen in der Energiekrise mit bis zu 200 Milliarden Euro unterstützen. Haushalte mit einem hohen Einkommen profitieren nach Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts deutlich stärker von den bereits erfolgten und geplanten Entlastungsmaßnahmen als Haushalte mit einem geringen Einkommen

Experte vermisst politischen Mut

Grundsätzlich begrüßt der IW-Experte Hentze die Maßnahmen, "denn ohne diese staatlichen Hilfen wäre es für viele Menschen schwierig, durch diese Energiepreiskrise, durch diesen Winter zu kommen." Er kritisiert aber, dass alle Bürgerinnen und Bürger davon profitieren:

"Es gehört politischer Mut dazu zu sagen, ab einem bestimmten Einkommen bekommst du keine Hilfe - und aus meiner Sicht hat die Politik diesen Schritt gescheut."

Der Finanzexperte fordert, Hilfen zielgenauer auszuzahlen, sodass etwa nicht jeder eine Energiepreispauschale erhält, sondern nur Menschen bis zu einem bestimmten Einkommen.

Höheres Einkommen, stärkere Entlastung

Die Funke Mediengruppe berichtete unter Berufung auf ihr vorliegende IW-Berechnungen, während ein Single mit 75.000 Euro Jahreseinkommen insgesamt um 2.689 Euro entlastet werden würde, wären es bei dem Single mit 25.000 Euro Jahreseinkommen nur 1.510 Euro.

Auch bei Familien gelte: Wer ein höheres Haushaltseinkommen hat, wird stärker entlastet. Bei einer vierköpfigen Familie mit zwei Kindern und einer Alleinverdienerin oder einem Alleinverdiener kämen bei einem Bruttohaushaltseinkommen von 75.000 Euro insgesamt 4.647 Euro zusammen. Bei einer Familie, die im Jahr dagegen nur 45.000 Euro als Haushaltseinkommen hat, wären es nur 3.552 Euro.

Relativ zum Einkommen gesehen würde indes die Familie mit 45.000 Euro um 7,9 Prozent ihres Bruttoeinkommens entlastet werden. Bei einer Familie mit 60.000 Euro wären es 6,8 Prozent (4.076 Euro), bei einer Familie mit 75.000 Euro 6,2 Prozent.

Entlastungen kosten 200 Milliarden Euro

Kommen die Entlastungen wie geplant, würden sie nach IW-Berechnungen insgesamt rund 200,3 Milliarden Euro kosten. Der größte Posten ist demnach die geplante Gaspreisbremse sowie die Abschlagszahlung, die im Dezember eingehen soll, in Höhe von derzeit veranschlagten 96 Milliarden Euro. Es folgen der Ausgleich der kalten Progression mit 17,2 Milliarden Euro, die Mehrwertsteuer auf Gas mit 11,3 Milliarden Euro und die Strompreisbremse mit veranschlagten 11 Milliarden Euro.

Die Entlastungspakete enthielten Maßnahmen, "die selbstverständlich sein sollten und nichts mit einer konkreten Entlastung gegen die Energiepreise zu tun haben", monierte Hentze.

Dazu gehörten der Ausgleich der kalten Progression und eine Erhöhung des Kindergeldes. Diese seien unabhängig von der akuten Krise ohnehin geplant gewesen. Auch das Bürgergeld und die Reform des Wohngeldes seien bereits im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung vorgesehen gewesen.