Stefan Rosenzweig hat bereits im Oktober 2020 über Housing First eine eigene Wohnung bekommen. Der gelernte Schreiner lebte davor in Pensionen, übernachtete bei Freunden oder hin und wieder eine Nacht im Wald.

"Aber ohne feste Wohnung kann man sich nicht weiterentwickeln",

sagte er bei der Vorstellung von Housing First in Nürnberg am Donnerstag.

Neuer Ansatz in der Obdachlosenhilfe

Ein Netzwerk aus dem Sozialmagazin Straßenkreuzer, den Vereinen Lilith, mudra und Hängematte hat schon vor einigen Jahren begonnen, sich für den neuen Ansatz in der Obdachlosenhilfe einzusetzen: Für Menschen, die auf dem Wohnungsmarkt absolut keine Chance haben, werden Wohnungen gesucht und vermittelt. Die Chefredakteurin des "Straßenkreuzers", Ilse Weiß, hat die Idee angestoßen.

"Es gibt viele, die gerne wohnen würden, sie haben es nicht verlernt", sagt sie.

Wie Projektleiter Max Hopperdietzel berichtet, bekommt Housing First nun Gelder aus dem Aktionsplan Wohnungslosenhilfe des bayerischen Sozialministeriums. Es wird auch unterstützt vom Bezirk und dem Sozialamt der Stadt und aus Spenden. Für ein Jahr können seine Stelle und eine weitere Sozialpädagogenstelle finanziert werden. Er hoffe anschließend auf eine geregelte Finanzierung.

Grundidee ist einfach

Die Grundidee, die aus den USA und Kanada kommt, ist einfach: Ein Mensch, der auf der Straße lebt oder in Notschlafstellen unterkommt, braucht, bevor er wieder Arbeit finden und ein geregelteres Leben beginnen kann, vor allem eins: eine eigene Wohnung. Lange sei es in der Obdachlosenhilfe genau andersherum gewesen, berichtet Hopperdietzel. Zuerst mussten alle anderen Bedingungen erfüllt sein, bevor eine eigene Wohnung überhaupt zur Sprache kam.

Rund 1.000 Menschen in Nürnberg sind derzeit in Pensionen und Notunterkünften untergebracht, weil sie keine eigene Wohnung haben. Wegen Schulden, einer schlechten Schufa-Auskunft oder Suchtproblemen würden sie auf dem Markt nie eine Wohnung finden. Ein selbstbestimmtes Leben aber könne dazu führen, ihre anderen Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen, so Hopperdietzel.

"Den Menschen gibt es das Gefühl, sie haben ein normales Leben und sind nicht wieder in einem System, in dem sie jede Menge Voraussetzungen erfüllen müssen".

Acht Mietverhältnisse sind laut Hopperdietzel inzwischen zustande gekommen. Nur ein Fall sei negativ verlaufen.

Prinzip der Freiwilligkeit gilt

Die Rahmenbedingungen von Housing First sind die direkte Mietzahlung des Arbeitslosengeldes oder der Grundsicherung an die Vermieter sowie der Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Die sozialpädagogische Betreuung muss nicht wahrgenommen werden. Es gelte das Prinzip der Freiwilligkeit, betont Hopperdietzel. Rosenzweig nahm die angebotene Hilfe anfangs gerne in Anspruch. "Ich war dafür sehr dankbar, habe mich aber nie kontrolliert gefühlt", sagt er.

Studien zeigten, dass Housing First volkswirtschaftlich Sinn mache, weil die Folgekosten von Wohnungslosigkeit hoch seien, sagt der Projektleiter. Diese seien unter Umständen Arbeitslosigkeit, Kriminalität oder gesundheitliche Probleme. Erfahrungen aus anderen Städten oder aus Finnland zeigten, dass nach mehreren Jahren über 80 Prozent der vermittelten Mieter weiter in ihrem Zuhause waren.

Mit einem Flyer wirbt Housing First Nürnberg nun bei privaten Vermietern dafür, Wohnungen zur Verfügung zu stellen, geht aber auch auf Wohnungsbaugesellschaften zu. Vermieter Ralf Preuß hat bereits mehrmals Wohnungen in einem Mietshaus in Fürth für Wohnungslose zur Verfügung gestellt. Mit diesen Menschen habe er "nicht mehr und nicht weniger Probleme als mit anderen Mietern", sagt er.