Am frühen Morgen des 9. April 1945 wurden 7 Männer im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet. Unter Ihnen war auch der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer, welcher von den Nationalsozialisten wegen Hochverrats im Alter von 39 Jahren erhängt wurde. 80 Jahre später ist dieser Ort ein Mahnmal – und zugleich ein Ort der Hoffnung.
Bonhoeffer selbst hatte die Hoffnung bis zuletzt nicht aufgegeben – darum ging es auch an diesem Wochenende: Erinnern, aber auch gestalten. Lernen aus der Vergangenheit, um Verantwortung in der Gegenwart zu übernehmen und dabei den Mut haben, die Hoffnung weiterzutragen.
Erstmals auch mit internationalen Jugendlichen
Die Evangelische Jugend in Bayern (EJB) initiierte innerhalb der Veranstaltungswoche ein Jugendtreffen zum Thema "grenzenlos hoffen – mutig handeln". Normalerweise findet das Jugendtreffen alle fünf Jahre statt, erklärte Annabel Baumgart, stellvertretende Vorsitzende der EJB. Das letzte musste jedoch Coronabedingt kurzfristig abgesagt werden. Ein Novum in der Geschichte des Jugendtreffens war jedoch die internationale Begegnung und Beteiligung.
Erstmals reisten nicht nur Jugendliche aus Bayern, sondern auch junge Menschen unter anderem aus Palästina, Tschechien, Schweden, Polen und Ungarn an, um gemeinsam sich gemeinsam dem schwierigen und geschichtsträchtigen Thema anzunähern und sich auszutauschen.
Neben thematischen Führungen durch das Gelände der Gedenkstätte, die tiefe Einblicke in das Leben Bonhoeffers und das Schicksal der Häftlinge boten, setzten sich die Jugendlichen in Workshops, Diskussionsrunden und kreativen Formaten mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen auseinander – von Rassismus und Antisemitismus über Zivilcourage bis hin zur Demokratiebildung. Teile des Programms wurden ebenso von internationalen Vertreter*innen übernommen.
"Obwohl wir bei vielen Themen doch sehr ähnliche Ansichten haben und auf das gleiche hinarbeiten, so kommen doch auch neue Sichtweisen auch zu großen Themen hinzu", berichtete Annika Hasler, eine der Teilnehmerinnen.
Das sagen Jugendliche aus Palästina, Ungarn und Polen
Mit im Kurs sitzt auch die Theologiestudentin Sally aus Jerusalem. Sie findet, dass die Bonhoeffer-Texte auch heute geschrieben sein könnten. In ihrer Heimat im Westjordanland herrsche Krieg und Besatzung. Bonhoeffer gebe ihr "Rückenstärke", sagt die evangelische Palästinenserin. Sie habe durch das Seminar gelernt, dass man Verantwortung von verschiedenen Seiten betrachten könne, von der kollektiven und der persönlichen Ebene. "Was auch immer in unserem Land passiert, wir müssen dafür aufstehen und eine Lösung finden", sagt sie nun.
Bei der Jugendbegegnung sollen die jungen Menschen "in Kontakt mit anderen jungen Leuten und auch mit dem geschichtsträchtigen Ort kommen", sagt Annabel Baumgardt, die Vize-Vorsitzende der Evangelischen Jugend. Noch Jahre später erinnerten sich viele positiv an diese gemeinsame Zeit.
Johanna aus Ungarn hat bereits ein umfangreiches Programm absolviert. Ihr Kopf sei voll, sagt sie. Aber besonders habe sie fasziniert, dass Bonhoeffer "geradlinig und aufrecht bei seinem Glauben und seinen Gedanken geblieben ist – trotz des Naziregimes". Sie fühle sich ermutigt, gerade als junge Theologiestudentin, "über meinen eigenen Weg nachzudenken und eigene Antworten zu suchen, so wie Bonhoeffer es getan hat".
Der Theologiestudent Bartosz aus Polen sagt, man sei hier zwar nicht an einem friedvollen Ort, wenn dort Menschen durch harte Arbeit im Steinbruch getötet wurden, aber es helfe, die Situation zu verstehen. Durch die eingehende Beschäftigung mit Bonhoeffer sei ihm klar geworden, dass dieser versucht habe, "ein neues ethisches System zu begründen" angesichts von Holocaust und Shoa. Und schon muss Bartosz weiter, der nächste Kurs beginnt.
Ein breites Themenfeld
Dabei wurden klassische Bildungsangebote durch moderne Ansätze ergänzt: Theaterworkshops, Poetry Slams, Comics und Storytelling luden dazu ein, sich kreativ mit den Themen auseinanderzusetzen. Aber das Wochenende ging auch über die Theologie und Bonhoeffer hinaus. Die Workshops beschäftigten sich auch mit Themen wie Ethik und Faschismus, welche im aktuellen politischen Kontext stehen. "Das passt ja auch irgendwie dazu", so Hasler.
Zu den Gästen und Mitwirkenden des Treffens zählten auch Vertreter:innen der evangelischen Kirche, darunter Landesbischof Christian Kopp sowie Anna-Nicole Heinrich, Präses der EKD-Synode. In einer Fishbowl-Diskussion zum Thema "Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit" luden sie zu einem Austausch über Wahrheit, Propaganda und die Rolle der Kirchen für eine widerstandsfähige Demokratie ein.
Kopp leitete auch zusammen mit Pfarrerin Carmen Riebl den Abschlussgottesdienst, welcher am Sonntag Live durch den Bayrischen Rundfunk übertragen worden ist. Dort sagte er:
"Wir befinden uns in einer anderen Situation als Bonhoeffer damals. Wir leben in einem anderen Europa – Gott sei Dank. Und doch passt grenzenlos Hoffen in unsere Zeit. […] Umso wichtiger sind Menschen wie Dietrich Bonhoeffer, die auch 80 Jahre nach ihrem Tod unvergessen sind. Er hinterlässt uns dieses Vermächtnis."
Trotz des schwerwiegenden Themas haben die Jugendlichen auch Spaß und Interesse an der Möglichkeit vor Ort gefunden. "Obwohl alle sehr respektvoll mit dem Ort und der Geschichte umgehen, ist die Stimmung weder gedrückt noch schlecht. Ich habe eher das Gefühl, dass hier ein Raum geboten wird, in dem man über all das reden kann.", so Hasler. Die Jugendlichen wurden also für die Schrecken der Vergangenheit sensibilisiert – und gestärkt für das Handeln in der Gegenwart.
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