Es gibt Songs, die hört man einmal und vergisst sie wieder. Wie ein Radiohit, den man einen Sommer im Ohr hat. Und dann gibt’s Songs, die bleiben. "Von guten Mächten" ist so einer. Für mich ist das nicht einfach irgendein Kirchenlied. Kein Ohrwurm, kein Chart-Hit – sondern der Song, der mich mein ganzes Leben begleitet. Der immer dann da war, wenn es wirklich gezählt hat. Es ist der Soundtrack meines Lebens.

Ich war ein Baby, als es das erste Mal für mich gesungen wurde – bei meiner Taufe. Keine Ahnung, ob ich geschrien habe oder ruhig war, aber das Lied war da. Viele Jahre später war es wieder da. Als mein Papa starb, da war ich 17. Plötzlich war nichts mehr wie vorher. Alles hat sich verschoben. "Von guten Mächten" – das waren die Worte, die mich irgendwie getragen haben, während alles andere zu viel war.

Trost in dunklen Zeiten

Genauso bei meiner Mama. Auch sie ist gegangen, und das Lied war da. Und nochmal musste ich Abschied nehmen. Mein Bruder – mein Taufpate – ist viel zu früh gestorben. Einfach rausgerissen aus dem Leben. Und wieder wurde "Von guten Mächten" gespielt. Für ihn. Für uns. Für diesen Moment, in dem du dir eigentlich nur noch die Decke über den Kopf ziehen willst. Ich habe den Text damals auch in die Todesanzeige drucken lassen. Weil er alles gesagt hat, was ich nicht aussprechen konnte.

Dann, wieder ein paar Jahre weiter, kam neues Leben dazu. Die Taufen meiner Kinder. Und wie sollte es anders sein: wieder dieses Lied. Und plötzlich war es nicht mehr nur Trost, sondern auch Hoffnung. Zukunft.

Ein roter Faden durchs Leben

Der Soundtrack meines Lebens passt einfach immer, auch bei unserer Hochzeit. Ich hätte auch etwas Punkiges nehmen können, irgendwas Lautes, das zu mir passt. Aber dieses Lied musste sein. Weil es zu allem dazugehört. Zu den Tiefpunkten genauso wie zu den Höhepunkten. Es ist wie ein roter Faden, der sich durch mein Leben zieht. Kein Happy-Radio-Gedudel, sondern echte Substanz. Worte, die tragen, wenn nichts anderes mehr trägt.

Ich weiß, irgendwann – hoffentlich noch ganz weit weg – wird es nochmal für mich gesungen werden. Bei meiner Beerdigung. Und ehrlich? Ich finde das gut. Weil dieses Lied nicht nur traurig ist. Es ist ehrlich. Es kennt die Dunkelheit, aber es bleibt nicht dort stehen, es geht auch wieder ins Licht. Es sagt: Da sind Mächte, da ist Kraft, da ist irgendwas Gutes – auch wenn du es gerade nicht siehst. Du bist geborgen.

Mehr als ein Lied

Ich glaube daran, dass da etwas ist, das uns hält, wenn uns selbst der Halt fehlt. "Von guten Mächten wunderbar geborgen" – das klingt fast zu schön für mein Leben, in dem nicht immer alles wunderbar war. Aber genau deshalb passt es. Es ist mein Lied. Und vielleicht auch meine letzte Playlist. Und das ist okay so.

Kommentare

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Florian Meier am So, 30.03.2025 - 14:36 Link

Einerseits ist das Lied ob seines eindrücklichen Texts zurecht beliebt und bekannt. Andererseits ist es etwas ausgeliefert und das 20. Jh. hat kirchenmusikalische auch sonst viel zu bieten. Kürzlich wurde ich im Gottesdienst mit dem Segenslied "Breite segnend Deine Hände" bekannt, dass textlich ebenfalls sehr eindrücklich und aktuell ist, da es sich mit Vertreibung und Schuld auseinandersetzt.

Florian Meier am So, 30.03.2025 - 14:52 Link

Ausgeleihert nicht ausgeliefert natürlich, wobei Musik natürlich auch immer der Adaption "ausgeliefert" ist. Was Bonhoeffer wohl zur Melodie und der Verwendung im Familiengottesdienst gedacht hätte? Wir wissen es nicht. Als lebens- und der Jugend zugewandter hätte es ihn vielleicht gefreut in der fröhlichen wie traurigen Version.