Ich bin aktiv im Gemeindeleben tätig und komme mit vielen ins Gespräch. Da auch Fragen an mich gestellt werden, auf die ich keine Antwort weiß, möchte ich Sie bitten, mir doch zu helfen.

Von einem Jugendlichen habe ich gehört: Warum spricht man beim Glaubensbekenntnis so etwas Komisches wie "hinabgestiegen in das Reich des Todes", wenn in der Bibel steht, dass Jesus ins Grab gelegt wurde? Für einen jungen Menschen ist so ein Satz unglaubwürdig, und daher die Frage: Wie kommt die Kirche dazu, so einen komischen Satz als Glauben darzustellen?

Herr D.

Zunächst einmal: Ich finde es wunderbar, dass Sie mit anderen über solche Fragen im Gespräch sind; genau darum geht es - und die Formulierung des apostolischen Glaubensbekenntnisses, die Sie zitieren, ist eine Momentaufnahme aus so einem Gespräch über die Grundlagen unseres Glaubens.

Sie fragen nach der Bedeutung dieser Momentaufnahme - und mir ist dabei ein anderes Bild eingefallen, eines, das nicht mit Worten gemalt ist, sondern mit Farben. Auf diesem Bild, einer russisch-orthodoxen Ikone, ist Jesus dargestellt, wie er nach seiner Grablegung in die Hölle hinabsteigt und die Verstorbenen, die er dort antrifft, bei der Hand und zu sich in den Himmel nimmt.

Wenn Jesus einen Menschen so an der Hand nimmt, dann erinnert diese Geste an die vielen Momente, an denen Jesus sich in seinem Leben Menschen zugewandt, sie aufgerichtet, sie an seine Seite geholt hat.

"Hinabgestiegen in das Reich des Todes" bedeutet für mich: Jesus ist auch im Tod der für uns, der er im Leben war: einer, der sich den Menschen, die auf ihn hoffen, zuwendet und sie zu sich nimmt. Paul Gerhardt hat das in seinem Osterlied (EG 112,6) kraftvoll so ausgedrückt: "Er reißet durch den Tod, durch Welt, durch Sünd, durch Not, er reißet durch die Höll - ich bin stets sein Gesell..."

Mir hilft es, mir den zeitlichen Ablauf des Leidens- und Auferstehungsweges Jesu vorzustellen. Es ist ja Karsamstag, der Tag zwischen Karfreitag und Ostersonntag, als Jesus im Grab liegt bzw. in das Reich des Todes steigt. Diese Karsamstagssituation ist auch ein besonderer Moment für unseren Glauben. Was an diesem Tag geschieht, ist tatsächlich unseren Augen, unserem Begreifen und Verstehen, vielleicht auch unserem Glauben entzogen. Wir können nur darauf hoffen, dass es so etwas gibt wie ein "Wachsen unter der Erde", eine Entwicklung, die unsichtbar für uns vonstattengeht und die doch uns zugute geschieht.

Die Ikone und das apostolische Glaubensbekenntnis wagen einen Blick "unter die Erde". Manche werden genau darüber froh sein und sich daran halten, wie die Verstorbenen auf der Ikone sich halten an der Hand Jesu. Manche werden sagen: Das verstehe ich nicht. Wichtig ist in jedem Fall, miteinander darüber zu reden. So wird Glaube lebendig.