Versammlungen herausragender Persönlichkeiten sind in Lindau nicht selten. Einmal im Jahr treffen sich in dem 25.000-Einwohner-Städtchen am Bodensee Nobelpreisträger aus aller Welt. Die internationalen Gäste jedoch, die sich derzeit am Bodensee aufhalten, sind fast alle an ihrer Kleidung als religiöse Würdenträger erkennbar. Sie sind auf Einladung einer Organisation gekommen, die auch wenn sie kaum jemand kennt, viel Macht hat: "Religions for Peace", Religionen für den Frieden, ein interreligiöses Netzwerk, das im Stillen schon eine Reihe von Friedensprozessen auf den Weg gebracht hat.

Die Weltversammlung des Bündnisses, die etwa alle fünf Jahre stattfindet, hat konkrete Ziele: Eines ist die Gründung eines Netzwerks aus einflussreichen Frauen verschiedener Religionen aus dem Nahen Osten und Nordafrika. Zu ihnen gehört Layla Alkhafaji, die sich im Irak für Frauenrechte engagiert. Unter Saddam Hussein wurde sie - weil sie dessen Baath-Partei nicht beitreten wollte - zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt und gefoltert. Nach elf Jahren kam sie auf internationalen Druck hin frei. Alkhafaji erzählt, dass sie 25 Freundinnen und Kolleginnen verloren hat, die hingerichtet wurden.

"Als ich im Gefängnis war, wurde eine Frau nach der anderen aus ihrer Zelle geholt und getötet. Ich dachte mir damals, wem erzähle ich davon?" Der Gedanke an diese Frauen habe ihr die Stärke gegeben zu kämpfen.

Alkhafaji floh nach Kanada, wo sie 17 Jahre im Exil lebte und als Ingenieurin arbeitete. Nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein kehrte sie in den Irak zurück und saß dort zeitweise im Parlament. Heute gehört die Schiitin dem Politbüro der Hikma-Bewegung an und kämpft für mehr politische Teilhabe der Frauen in ihrem Land - wie für den Frauenanteil von 25 Prozent, den es mittlerweile im irakischen Parlament gibt. Die Frauen seien willensstark und kämpften erfolgreich für mehr Rechte wie Frauenquoten im Parlament und in Parteien sowie für mehr Mitsprache in der Regierung.

Ihr Leidensweg ist gleichzeitig ihre Ressource, aus der sie Kraft schöpft. Eine Person, die geschlagen wurde, behalte trotzdem einen starken Geist, sagt Alkhafaji. "Propheten aller Religionen hatten ein hartes Leben." Sie strahlt Fröhlichkeit aus. "Bitte fragt mich nicht nach meinem Alter", kokettiert sie, als sie in Lindau bei einer Podiumsdiskussion zur Rolle von Frauen als Friedenstifterinnen ihre Geschichte erzählt.

Nicht alle sprechen bei dem Treffen in Lindau so öffentlich wie Layla Alkhafaji - viele wollen lieber im Hintergrund bleiben. Schließlich reden hier auch Religionsführer aus verfeindeten Ländern miteinander.

Etwa aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und dem Iran. Alkhafaji sieht die verschiedenen Hintergründe der Teilnehmer als Bereicherung. "Wir schauen die Dinge von verschiedenen Seiten an", sagt sie.

Als Irakerin habe sie Erfahrungen damit. Denn die irakische Gesellschaft sei wie ein Blumenstrauß. Jede Blume sei einzigartig, habe ihre eigene Farbe und einen speziellen Duft. Sie repräsentierten Kurden, Turkmenen, Schiiten, Sunniten und Jesiden. Wenn man eine Blume herausnehme, sei der Strauß nicht mehr vollständig - "und die fehlende Blume kann durch keine andere ersetzt werden". Deshalb sei der Irak auch durch den Sieg über die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) stärker geworden. "Wir haben bewiesen, dass wir mit all unserer Diversität vereint gegen den Feind vorgehen können."