"Ich gehöre nicht zu denen, die jeden Sonntag in die Kirche rennen. Ich suche meinen Gott in der Natur." Das hört man öfter. Dem gegenüber überraschte einen Pfarrer die Antwort einer alten Frau, die fast ertaubt war. Gefragt, warum sie regelmäßig den Gottesdienst besucht, wo sie doch nichts hören kann, antwortet sie: "Gemeinschaft der Heiligen, Herr Pfarrer!"

Was Menschen sich unter einem Gottesdienst vorstellen oder sich davon erwarten, ist verschieden. Gottesdienst heißt für die einen "Gott begegnen". Für sie kann, muss das aber nicht unbedingt in einem Kirchengebäude geschehen. Andere möchten im Gottesdienst darüber hinaus erleben: Ich bin als Christ nicht allein. Wir sind eine große Gemeinschaft.

Gottesdienst - das ist nicht nur der besondere Termin am Sonntagmorgen

Gottesdienste gibt es auch in nichtchristlichen Religionen. Dort werden sie als Dienst an Gott oder Göttern verstanden und in genau festgelegten Riten vollzogen. Im christlichen Gottesdienst steht zweierlei im Mittelpunkt. Was Gott für die Menschen getan hat und tut. Und darauf folgend ihre Antwort: das Gotteslob. Hören und empfangen. Gott gemeinsam ehren, loben und ihn bitten.

Der Reformator Martin Luther hat daran erinnert, dass unser Gottesdienst nicht auf eine besondere Veranstaltung am Sonntagmorgen beschränkt werden darf. "Wenn ein jeder seinem Nächsten diente, dann wäre die ganze Welt voll Gottesdienst. Ein Knecht im Stall wie der Knabe in der Schule dienen Gott. Wenn so die Magd und die Herrin fromm sind, so heißt das Gott gedient. So wären alle Häuser voll Gottesdienst und aus unsern Häusern würden eitel Kirchen, weil dort Gott gedient wurde."

Das ist ganz im Sinne des Apostels Paulus, der die Christen ermahnte, ihr ganzes Leben Gott zur Verfügung zu stellen. "Das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst" (Römer 12,1). Jakobus schrieb: "Ein reiner und makelloser Dienst vor Gott, dem Vater, besteht darin: für Waisen und Witwen zu sorgen, wenn sie in Not sind, und sich vor jeder Befleckung durch die Welt zu bewahren" (1,27).

Aus Zusammenkünften der ersten Christen entwickelten sich allmählich feste Gottesdienstformen

Schon bald nach dem Tod Jesu gab es regelmäßige Zusammenkünfte der ersten Christen. Bei ihnen wurde von Jesus erzählt und vom Glauben gesprochen. Es wurde aus Schriften der Bibel und aus Briefen der Apostel vorgelesen. Es wurde gesungen, gebetet und gemeinsam gegessen. In der Apostelgeschichte wird darüber berichtet: "Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet" (2,42).

Sicher erinnerten sich die ersten Christen an ein Wort Jesu: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" (Matthäus 18,20). Allmählich entwickelten sich aus diesen Zusammenkünften feste Gottesdienstformen, die Liturgie. Dazu gehörten kurze, zum Teil im Wechsel gesungene Begrüßungen und Segenswünsche, Lesungen aus der Bibel, Predigt, Glaubensbekenntnis, Gebete, Bekanntmachungen aus der Gemeinde und das Sammeln von freiwilligen Gaben. Manches davon wurde von Generation zu Generation weitergegeben. So finden sich heute neben vielem, das in unserer Zeit entstanden ist, auch uralte Elemente in der Liturgie unserer Gottesdienste.

Die Psalmen, die wir beten und singen, stammen bereits aus einer Zeit lange vor Jesus, aus dem Alten Testament. Auch das Segenswort, das der Gemeinde am Ende vieler Gottesdienste zugesprochen wird: "Der Herr segne dich und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden" (4. Mose 6,24-26). Neben den "normalen" Gottesdiensten am Sonntag gibt es viele Anlässe, Gottesdienst zu feiern: Taufe, Konfirmation, Trauung, Beerdigung, Einweihungen, Gedenktage. Aber auch Andachten, Bittgottesdienste (zum Beispiel um Frieden, Weltgebetstag der Frauen).

Worte der Bibel können helfen, das eigene Leben zu deuten

"Singet dem Herrn ein neues Lied!" (Psalm 96,1): "Hielt" früher der Pfarrer einen Gottesdienst, werden Gottesdienste heute oft von Teams phantasievoll vorbereitet und gestaltet: mit Instrumenten, alten und neuen Liedern, Texten, Bildern, Tänzen. Viele wirken dabei mit. So kann der Gottesdienst zu "unserem Gottesdienst" werden. Christliche Gemeinde feiert Gottesdienst im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gott selbst lädt dazu ein. Jesus sagte: "Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken" (Matthäus 11,28). Das gilt bis heute für jeden Gottesdienst. Menschen können kommen, wie sie sind, und ihren ganzen Alltag mitbringen - ihre Sorgen und Fragen, ihre Ängste. Und sie können vor Gott bringen, worüber sie sich freuen und wofür sie dankbar sind.

Wichtig ist das Hören. Im Evangelium, der guten Nachricht, spricht Gott zum Menschen. Was für unser Leben entscheidend wichtig ist, können wir uns nicht selber sagen. Worte der Bibel können helfen, das eigene Leben zu deuten und in einem anderen Licht zu sehen. Ebenso wichtig ist das Essen und Trinken. Beim Abendmahl spüren wir, schmecken und sehen, wie freundlich Gott ist. In Brot und Wein gibt sich Christus selbst, wird uns Zeichen des Lebens. Dass Gott sich persönlich den einzelnen zuwendet, wird besonders eindrücklich beim Segen erlebt, besonders wenn Hände aufgelegt werden und der Segen persönlich zugesprochen wird.

Wesentlicher Bestandteil jedes Gottesdienstes ist das Gebet. Die einzelnen bitten Gott. Und die Gemeinde betet gemeinsam zu Gott. In der "Fürbitte", dem Gebet, in dem für viele und vieles gebetet wird, nimmt die Gemeinde "die Welt ins Gebet". Sie tritt vor Gott für die ganze Welt ein. Am Ende des Gottesdienstes wird der Segen zugesprochen. Der Gottesdienst soll weitergehen und in das tägliche Leben hineinwirken. Der Theologe Ernst Lange schrieb in seinem Buch "Chancen des Alltags": "Im Ernstfall des Glaubens, in seinem Alltag, ist der Christ allein." Eine wesentliche Aufgabe des Gottesdienstes ist, Christen für diesen Ernstfall des Glaubens zuzurüsten.