"Ich bin getauft!" Mit Kreide soll Martin Luther diese Worte auf einen Tisch geschrieben haben, als ihn - was gelegentlich passierte - Zweifel an seiner Glaubensfestigkeit, an seinen theologischen Positionen und seinem Tun plagten. Und wenn es noch schlimmer kam, wenn er meinte, der Teufel verfolge ihn, dann, so eine Legende, warf er auch mal das Tintenfass gegen die Wand.

Anfechtungen und Zweifel über seinen Glauben, sein Denken und seine Beziehung zu Gott begleiten Luther das ganze Leben hindurch. Einmal ließ er tief in seine Seele blicken, als er schrieb: "Mehr als eine Woche lang war ich den Toren der Hölle und des Todes nahe. Ich zitterte an allen Gliedern. Christus war mir verloren. Ich war hin- und her geschüttelt von Verzweiflung und Gotteslästerung."

Martin Luther war nicht der Glaubensheld der Reformation.

Er erlebte Glaubensnöte in Form von "Versuchungen" und "Anfechtungen", die er dem Teufel zuschrieb. Als viel bedrängender erlebte er jedoch die Zweifel, ob er überhaupt fähig sei, Gott zu lieben, und ob er im Jüngsten Gericht vor Gott werde bestehen können. Diese Demut unterscheidet sich diametral von der Selbstgewissheit mancher Christen heute.

Luther gehörte jedenfalls nicht zu denen, die ihre bereits gesicherte Errettung in den Himmel wie eine Monstranz vor sich her trugen. Er fühlte sich unsicher und zweifelte. Sein Gottvertrauen gründete jedoch tiefer. Im Blick auf das Jüngste Gericht bekannte er: "Wenn es denn nun Gottes Wille ist, dass ich zur Hölle gehe, dann möchte ich mit Gott getrost und fröhlich in die Hölle gehen."

Gegen den Zweifel führte Martin Luther "Glaube als Vertrauen" ins Feld

"Vertrauen auf das, was Gott in Christus für den Menschen getan hat". Trotzdem glaubte Luther, dass Anfechtungen, Versuchungen und Zweifel verschiedener Art und Intensität einen Christen lebenslang begleiten. Selbst wenn einem Menschen alles gewiss erscheint, bleiben ihm Möglichkeiten des Zweifelns. Luther selbst wäre gerne jemand gewesen, der nichts bezweifelte. Er zweifelte, aber er war kein Zweifler.

Je mehr einer glaubt, desto mehr muss er aushalten, glaubte der Reformator. Gerade Gebet und Meditation führen in die Anfechtung hinein. Wo der Glaubende sich Gott zuwendet, lauert auch der Teufel.

Zweifel ist für Luther das Gegenteil von Glaubensgewissheit. Luther sieht die Rettung darin, dass dem Zweifel das Vertrauen auf Gottes Heil in Christus entgegengesetzt wird. Weder Gott und Gnade, Taufe und Abendmahl, Sünde und Vergebung sollen bezweifelt werden, mahnt er. Wer zweifelt, so fürchtet Luther, verliert alles. Wer zweifelt, ist - wie Petrus - vom Tod durch Ertrinken bedroht.

Reformation: Zweifeln ist menschlich

Im Zweifel sieht Luther mehr als einmal das Werk des Teufels. Auf der anderen Seite ist für ihn Zweifeln nur allzu menschlich. Bereits das alttestamentliche Gottesvolk auf dem Weg durch die Wüste zweifelte, ob es durch Gottes Hand herausgeführt werden würde. Zweifeln ist keine Sünde, es gehört in Luthers Dualität von Gesetz und Evangelium in den Bereich des Gesetzes. Die menschliche Vernunft zweifelt, nicht der glaubende Christ.

Luther gibt immer wieder Anweisungen, wie man mit Zweifeln und Anfechtungen umgehen soll: Christus vertrauen, sich an die von ihm empfangene Gerechtigkeit halten. Man soll außerdem vermeiden, darüber nachzugrübeln, ob man wohl selig werden würde. Die Erfahrung tiefster Angst, in der Gott sich verbirgt, kann der tröstenden Erfahrung weichen, dass Gottes Gnade rettend nahe ist.

Im Sinne Luthers tun die reformatorischen Kirchen gut daran, ihre Türen immer weit offen zu halten für die Zweifelnden und Suchenden. Die Gewissheit "Ich bin getauft" gibt dabei in jeder Lage Zuversicht - gegen jeden Zweifel.