Keine ist wie die andere. Es sind 110 Holzkammern aus Eiche, die sich in einem Hufeisen aneinanderfügen. Manche hat vier Ecken, viele fünf, andere sechs. In diesen Zellen an der Wand einer Kapelle in der Schwabacher Stadtkirche St. Martin werden demnächst die ersten Urnen mit der Asche von Verstorbenen bestattet. Es wird das erste "Kolumbarium", in einer evangelischen Kirche in Bayern sein. Damit zeige man, "in einer lebendigen Kirche ist eine zeitgemäße Bestattung möglich", sagt Stadtpfarrer Paul-Hermann Zellfelder.

Von der ersten Idee bis zur Verwirklichung hat es eine Weile gedauert. Zunächst wurde viele Jahre die Kirche St. Martin und Johannes saniert. In dieser Zeit haben nicht nur die Bauexperten nachgedacht, sondern auch die Gemeindevertreter brüteten über neuen Plänen. Neben Gottesdiensten, Trauungen, Taufen, Ausstellungen und Konzerten sollte es in der Kirche auch Bestattungen geben können, wurde entschieden. Für diesen Zweck schaute man sich einen nicht genutzten kleinen Raum im Seitenschiff aus.

Bei dem Raum, der bis dahin als Rumpelkammer genutzt wurde, könnte es sich um eine Kapelle handeln, die in der Bauzeit der Kirche begonnen worden war, "aber als die Reformation kam, nicht zu Ende gebaut wurde", mutmaßt Zellfelder und zeigt zum Beweis nach oben zu den Kapitellen in großer Höhe.

Darunter turnen drei Schreiner auf zwei Standleitern, hieven die schweren Holzkomponenten nach oben und schrauben sie an die dafür festgelegten Plätze. Die Künstlerkooperative "Empfangshalle" aus München bestehend aus Corbinian Böhm und Michael Gruber, hat das Konzept dieses ästhetisch ansprechende Kolumbariums entworfen, der Architekt Oliver Tessin hat es in seiner Dreidimensionalität am Computer errechnet.

Gewöhnliche Urnenwände erinnerten ihn manchmal an "Mietshäuser", sagt der Künstler Michael Gruber. Er und sein Partner Corbinian Böhm aber hätten für die Schwabacher Urnenwand an die Urform des Lebens, an die Zelle gedacht. Jede dieser Zellen ist einzigartig. Ebenso wichtig ist ihnen das Symbol des Lichts. Hinter den Holzkammern ohne Rückwand werden LED-Lichtleisten per Magneten angebracht, die indirekt den Raum beleuchten. Aus jeder belegten, mit einem Deckel verschlossenen Zelle wird noch über eine Fuge Licht dringen.  Aus den nicht belegten Zellen leuchtet es ohnehin. "Das Ins-Licht-Gehen steht für das Auferstehungs-Vertrauen", erklärt Pfarrer Zellfelder.

In einer Achse zum Kolumbarium steht am anderen Ende des Seitenschiffs der großen Kirche der Taufstein. Dort werde in Zukunft ein "Buch der Lebens" liegen, in dem die Familien von Täuflingen eine Seite gestalten können, erklärt der Pfarrer. Korrespondierend dazu gibt es im Kolumbarium ein "Buch der Erinnerung", an dem sich die Trauernden beteiligen können.

Mit einem Flyer beantwortet die Kirchengemeinden die Fragen zu der neuen Einrichtung. Jeder könne sich dort bestatten lassen, der zum Zeitpunkt seines Todes Mitglied in einer Kirche war, die der christlichen Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) angehört. Die Angehörigen können die Kapelle immer zu den Öffnungszeiten der Kirchen von 9 bis 18 Uhr besuchen. 3.300 Euro kostet das zehnjährige Nutzungsrecht für eine Einzelurnenkammer, 5.700 Euro ein Doppelgrab. Demnächst werden die ersten beiden Beerdigungen stattfinden, kündigt Zellfelder an. Die Urnen von zwei Verstorbenen warten bereits beim Bestatter. Er gebe außerdem eine Liste von Interessenten.

Etwa 280.000 Euro hat das Kolumbarium gekostet, informiert Zellfelder. Die Kosten für den Künstlerwettbewerb mit acht Teilnehmern, den "Empfangshalle" gewonnen hat, hat die Landeskirche übernommen.

Die evangelische Kirche in Schwabach steht auf dem heutigen Martin-Luther-Platz, dort wo in früheren Zeiten Schwabachs Beerdigungsfeld war, bevor der Friedhof vor die Stadt verlegt wurde. Noch heute finden sich bei Renovierungsarbeiten Knochen aus alten Zeiten.