Es ist still, es riecht ein wenig nach Erde und feuchtem Stein, und es ist dunkel. In dem gut fünf Meter hohen Gewölbe mitten im Erlanger Burgberg kommt das Licht nur von Kerzen und einzelnen Lichtkreisen. In jedem davon steht eine Person. Die Menschen werden von Scheinwerfern angestrahlt, die an der Decke angebracht sind. "Gott sieht dich", sollen sie ausdrücken.

Tritt man aus dem Halbdunkel des kühlen Raumes ins Licht, kribbelt die Kopfhaut und es fühlt sich wärmer an. Manche Menschen richten mit geschlossenen Augen das Gesicht nach oben, andere strecken die Arme zur Seite und öffnen ihre Handflächen, als wollten sie etwas Segen einfangen.

Gott sieht uns in allen Lebenslagen

"Das war fast etwas prophetisch, als wir die Station letztes Jahr so gestaltet haben", sagt Daniel Siegel aus dem Leitungsteam der evangelischen Gemeinde ELIA, die den Kreuzweg "Gott im Berg" organisiert. Die diesjährige Jahreslosung "Du bist ein Gott, der mich sieht" passe perfekt zur Intention der Lichtkegel:

"Gott sieht uns in allen Lebenslagen, auch im Leid."

In insgesamt 14 Stationen, die im weit verzweigten Henninger Keller aufgebaut sind, lässt sich der Leidensweg Christi nicht nur nachverfolgen, sondern teils am eigenen Leib erfahren.

Die Idee kommt von Pfarrer Peter Aschoff, der in den Kirchenräumen einen kleinen interaktiven Kreuzweg gestaltet hatte. Bei einer Führung durch den Henninger Keller habe er den Entschluss gefasst, den Weg unter die Erde zu verlegen. Seit 2007 darf die Gemeinde den Keller kostenlos nutzen und muss nicht einmal die Stromkosten bezahlen.

"Ein Großteil des damaligen Teams ist heute noch dabei", sagt Siegel, der zusammen mit zehn anderen Gemeindemitgliedern zum Kreativteam gehört. Weit mehr als 600 Kerzen und viel Lichttechnik stellen sie mit Helfern in der Woche vor Ostern auf. 110 Ehrenamtliche kümmern sich an den Aktionstagen zu Gründonnerstag und Karfreitag darum, dass nicht mehr als 100 Personen gleichzeitig im Berg sind - und dass auch alle wieder herausfinden.

Gott im Berg

"Gott im Berg" sei jedes Jahr etwas anders, denn alle zwei Jahre werden einzelne Stationen neu gestaltet, sagt Siegel. Immer gleich bleibe jedoch die Station "Simon hilft Jesus das Kreuz zu tragen". An einer Wand stehen größere und kleinere Holzbalken bereit, um in Stille in einem kerzenbeschienenen Kreis getragen zu werden. Kinder können einen kleinen Balken tragen, aber es sind auch schwere dabei. "Es geht darum, das Gewicht zu spüren, ein Stück weit die Last zu tragen und sich bewusst zu machen, wie es damals wohl war."

An der letzten Station, bei der Jesu Leichnam ins Grab gelegt wird, können sich die Besuchenden ein paar Meter weit an der Wand eines stockdunklen Gangs entlangtasten. Ein beklemmendes Gefühl entsteht bei der Vorstellung, dass das Grab mit einem großen Stein versiegelt wurde. Alle Sinne sollen beim Kreuzweg auf künstlerische Art angesprochen werden.

Farben der Ukraine in Zaun geflochten

"Genauso versuchen wir, die allzeit bekannte Geschichte in die Gegenwart zu projizieren." So gab es beim Kreuzweg 2022 eine Station, in der kleine Bänder in Ukrainefarben in einen Zaun geflochten werden konnten. Auch 121 Grabkerzen für die zu dieser Zeit in Erlangen an Corona Gestorbenen waren dabei.

"Zum Einen wollen wir die Geschichte von Jesus nicht aus den Augen verlieren, aber wir wollen auch die Relevanz von Gottes Weg mit den Menschen in der heutigen Zeit aufgreifen", fasst Siegel zusammen. In diesem Jahr wird das Thema Neuanfang - nach dem Winter, der Pandemie und den Unsicherheiten der letzten Monate - aufgegriffen. Es gibt keine Führung durch die mit Texten versehenen Stationen, sondern die Besuchenden können sie in ihrem eigenen Tempo erkunden. Seit der Pandemie geht das auch digital bei einem interaktiven Online-Kreuzweg.

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