Am 26. September 2021 ist Bundestagswahl. Der Wahlkampf kommt also langsam in die heiße Phase – und tatsächlich war der Ausgang einer Wahl in Deutschland lange nicht mehr so offen wie dieses Mal. CDU/CSU, Grüne und SPD haben noch Chancen, jeweils stärkste Kraft zu werden. Viele Wahlberechtigte sind zudem noch unentschieden. 

Doch wie halten es die Parteien, um Goethes berühmte Gretchenfrage an dieser Stelle zu zitieren, mit der Religion? Wie positionieren sie sich zu Themen wie Glaube, Schöpfung, christliche Kirchen oder Feiertage? Wir haben bei den im Bundestag vertretenen Parteien mal nachgeschaut, damit ihr das nicht tun müsst. In diesm Teil unseres Religions-Checks zur Bundestagswahl geht es um das Programm der FDP.

Wie christlich ist das Wahlprogramm der FDP?

Das Wort "christlich" wird bei den Liberalen kein einziges Mal im Programm erwähnt. Das schafft sonst nur die SPD (CDU 6, Grüne 3, AfD 2, Linke 1, SPD 0). Christlicher Glaube, christliches Menschenbild oder christliche Werte spielen bei der FDP offensichtlich keine Rolle. Zumindest taucht nichts davon im Wahlprogramm auf.

Auch etwas weitergefassten Bezug auf christliche Werte finden sich kaum. Den Begriff der Schöpfung kennt man nur in einem Kontext: Der Wertschöpfung. Bei Solidarität wiederum denken die Liberalen an den Solidaritätszuschlag – den sie ersatzlos abschaffen wollen. 

Auskunft über ihr Wertefundament formuliert die FDP in einem "integrationspolitischen Leitbild". Dieses ist ausdrücklich "religionsunabhängig", wie im Programm betont wird. Ihre Grundwerte leitet die Partei aus dem Grundrechtekatalog des Grundgesetzes ab: "[Das Leitbild] soll die Prinzipien Weltoffenheit, Toleranz und Eigenverantwortung (...) betonen und aus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland heraus verstehbar machen."

Was sagt das Wahlprogramm zur Kirche?

Zweimal erwähnt die FDP in ihrem Wahlprogramm die Kirchen. Damit liegt sie auf dem letzten Platz, alle fünf anderen Parteien verwenden den Begriff häufiger (Linke 10, AfD 8, Grüne 6, CDU 4, SPD 3). Die Partei will das Staatskirchenrecht in ein Religionsverfassungsrecht ändern. "Es soll einen passenden rechtlichen Status bieten für alle Religionsgemeinschaften, die das Gleichheitsgebot und die Glaubensvielfalt, die Grundrechte sowie die Selbstbestimmung ihrer Mitglieder anerkennen."

Staatliche Leistungen soll es für die Kirchen keine mehr geben. Tanzverbote und "ähnliche Einschränkungen an stillen Feiertagen" wollen die Liberalen abschaffen, wobei sie keine eindeutige Aussage zur Sonntagsruhe machen. Kirchliche Privilegien im Arbeitsrecht will die FDP abschaffen. 

Welche Rolle spielt der Glaube?

Das Wort Glaube taucht im Wahlprogramm der Freidemokrat*innen öfter als bei allen anderen Parteien auf. Gleich siebenmal kommt der Begriff vor (Linke 4, AfD 2, Grüne 1, CDU 1, SPD 0). Allerdings geht es dabei eher selten um religiösen Glauben.

So glaubt die FDP

  • dass Deutschland einen Neustart braucht 
  • dass es moderner, digitaler und freier werden muss
  • an das große Potenzial unseres Landes.

Dazu fordert die Partei "Toleranz gegenüber allen Formen des Glaubens und des Nichtglaubens" und bekennt sich zur "Glaubensvielfalt".

Was sagt das Programm allgemein zu Religion?

Achtmal kommt der Begriff Religion im FDP-Wahlprogramm vor. Überraschenderweise liegt ausgerechnet die Linke in dieser Zählung vorne (Linke 21, CDU 15, Grüne 10, AfD 8, SPD 6). Meistens verwenden die Liberalen es in einer Aufzählung diverser Identitätsmerkmale, zusammen mit Geschlecht, Alter, ethnischer Herkunft, Behinderung und sexueller Orientierung. All dies soll nach dem Willen der FDP keine Rolle spielen bei Themen wie Wohlstand, Bildung und sozialen Aufstiegschancen.

Dieses Desinteresse an Religion an sich spiegelt sich auch in den Passagen zu anderen Religionen wieder. Genau wie das Christentum wird das Judentum mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen widmet man sich ausführlich dem Engagement gegen Antisemitismus, ohne an der religiösen Seite des Judentums Interesse zu zeigen.

Der Islam wird dagegen vergleichsweise häufig erwähnt, allerdings sieht die FDP offenbar nur Probleme in diesem Zusammenhang. In ihrer normalen Form wird die Weltreligion ebenso wenig erwähnt wie die christliche und die jüdische, dafür gibt es fünf Erwähnungen von Islamismus. Interessanterweise ist Islamfeindlichkeit den Liberalen keine einzige Erwähnung wert. Stattdessen gibt es eine explizite Solidaritätserklärung an "liberale und progressive" Muslime – im Bezug auf andere Religionen hält die Partei solche Spitzfindigkeiten offenbar nicht für nötig. 

Die beiden übrigen Weltreligionen Buddhismus und Hinduismus werden darüber hinaus weder direkt noch indirekt erwähnt. 

Fazit

Das Wahlprogramm der FDP vermeidet jeglichen positiven Bezug auf Religion und Glaube konsequent. Wenn überhaupt, tauchen Religionen nur als Problem auf. Wobei das Christentum und das Judentum hier von der Kritik der Liberalen verschont bleibt – verdächtig ist für die FDP offenbar ausschließlich "der" Islam. Hass auf Muslime dagegen wird von ihr mit keinem Wort erwähnt. Über die Gründe dieses Ungleichgewichts lässt sich freilich nur spekulieren.

Klassische christliche Werte wie Nächstenliebe, Hilfe für Schwache oder Respekt vor der Schöpfung finden sich auch in indirekter Form kaum im Programm der FDP. Sie leitet ihre Grundwerte ausschließlich aus den im Grundgesetz garantierten Grundrechten ab, für deren möglicherweise christliche Entstehungsgeschichte interessiert sie sich dabei offenkundig nicht. Im Zentrum ihres Weltbildes steht der autonome, eigenverantwortliche Mensch – für Gott, Glaube und Religion bleibt da wenig Platz, wie das Parteiprogramm anschaulich zeigt.