Am 26. September 2021 ist Bundestagswahl. Der Wahlkampf kommt also langsam in die heiße Phase – und tatsächlich war der Ausgang einer Wahl in Deutschland lange nicht mehr so offen wie dieses Mal. CDU/CSU, Grüne und SPD haben noch Chancen, jeweils stärkste Kraft zu werden. Viele Wahlberechtigte sind zudem noch unentschieden.
Doch wie halten es die Parteien, um Goethes berühmte Gretchenfrage an dieser Stelle zu zitieren, mit der Religion? Wie positionieren sie sich zu Themen wie Glaube, Schöpfung, christliche Kirchen oder Feiertage? Wir haben bei den im Bundestag vertretenen Parteien mal nachgeschaut, damit ihr das nicht tun müsst. Im ersten Teil unseres Religions-Checks zur Bundestagswahl geht es um das Programm von CDU und CSU.
Wie christlich ist das Wahlprogramm von CDU und CSU?
Zumindest wird das Wort "christlich" bei den Christdemokraten bzw. -sozialen mit Abstand am häufigsten im Programm erwähnt. Sechsmal findet es sich dort, so oft, wie bei keiner anderen Partei (Grüne 3, AfD 2, Linke 1, SPD 0, FDP 0). Zum ersten Mal taucht der Begriff in der Einleitung auf Seite 5 auf. Dort geht es um die Werte und Prinzipien der Partei. "Christliches Menschenbild und gesellschaftliche Vielfalt statt vorgefertigter Lebensentwürfe für jeden Einzelnen" heißt es relativ unkonkret im Rahmen einer Aufzählung.
Konkreter wird es dann auf Seite 33, wo es um die Themen "nachhaltiges Wachstum" und "klimaneutrales Industrieland" geht. Mit dem Satz "Unser christliches Menschenbild verpflichtet uns zur Bewahrung der Schöpfung und zum verantwortlichen Handeln gegenüber unseren Mitmenschen, gegenüber der Umwelt und gegenüber den zukünftigen Generationen" wollen die beiden Schwesterparteien ihren Einsatz für den Klimaschutz begründen.
Auch bei sozialen Fragen bringen die Unionsparteien das christliche Menschenbild in Stellung. Dieses gebe ihnen den Kompass in die Hand, mit dem sie für den Erhalt des gesellschaftlichen Zusammenhalts einträten, heißt es auf Seite 58: "Individuelle Freiheit und gemeinschaftliche Verantwortung sind keine Gegensätze, sondern sie bedingen einander."
Auch ihr Plädoyer für eine Beteiligung von Arbeitnehmer*innen an ihrem Unternehmen begründen die Parteien mit dem christlichen Glauben, ebenso den Schutz von Familien und Feiertagen.
Was sagt das Wahlprogramm zur Kirche?
Viermal erwähnen CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm die Kirchen. Damit liegt sie nur im Mittelfeld, gleich drei Parteien verwenden den Begriff häufiger (Linke 10, AfD 8, Grüne 6, SPD 3, FDP 2). Einmal geschieht dies im Zusammenhang mit Entwicklungszusammenarbeit (die früher Entwicklungshilfe hieß), dreimal dagegen erst kurz vor Schluss.
Auf Seite 133 von 139 geht es um die gesellschaftliche Rolle von Religion. "Die Kirchen und die Religionsgemeinschaften haben gerade auch in der Corona-Pandemie einen unverzichtbaren Dienst am Nächsten geleistet und den Blick auf jene gelenkt, die es in dieser Zeit am schwersten hatten", heißt es da. Ein paar Absätze weiter bekennt man sich zum Kooperationsmodell zwischen Kirche und Staat.
Dann wird es grundsätzlicher. "Wir haben Vertrauen in das Potenzial von Religion, Werte zu vermitteln und einen wichtigen Beitrag für das Gemeinwesen zu leisten", versichern CDU und CSU. Die Freiheit der Kirchen (und nicht näher benannte "Religionsgemeinschaften"), in die Gesellschaft hineinzuwirken, müsse daher "unantastbar" bleiben.
Welche Rolle spielt der Glaube?
Das Wort Glaube taucht nur ein einziges Mal im Wahlprogramm der Union auf (FDP 7, Linke 4, AfD 2, Grüne 1, SPD 0). Interessanterweise geht es dabei dann auch nicht um den christlichen, sondern um den jüdischen. "Wir stehen mit aller Überzeugung dafür ein, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland immer eine Heimat haben, in Sicherheit leben und ihren Glauben praktizieren können", betont man, als es um Antisemitismus geht. Übrigens: Der nächste Abschnitt befasst sich mit Islamfeindlichkeit, ein ähnlich starkes Bekenntnis zur Gewährleistung der freien Glaubensausübung hält man hier jedoch offenbar nicht für notwendig.
Was sagt das Programm allgemein zu Religion?
15 mal kommt der Begriff Religion im CDU/CSU-Wahlprogramm vor. Das reicht allerdings nur für den zweiten Platz – ausgerechnet die Linke liegt in dieser Zählung vorne (Linke 21, Grüne 10, FDP 8, AfD 8, SPD 6).
Immerhin findet die Union das Thema so wichtig, dass sie ihm ein eigenes Kapitel gewidmet hat. Und sie bekennt sich klar und deutlich zu einer positiven Einordnung von Religion: "Religion als wertvollen Teil unserer Gesellschaft begreifen", lautet die Überschrift. Wie unter dem Punkt "Kirche" bereits erwähnt, drückt man hier sein Vertrauen in die Fähigkeit von Religion aus, Werte zu vermitteln und einen wichtigen Beitrag für das Gemeinwesen zu leisten. Weiterhin bekannt man sich zum Religionsunterricht an Schulen sowie dem Schutz von Feiertagen und der Sonntagsruhe.
Auch das Thema Religionsfreiheit wird im Programm erwähnt, selbstverständlich in einem positiven Sinn: "Religionen sollen in der Öffentlichkeit eine starke Stimme sein. Dazu gehören der regelmäßige Austausch und der Dialog mit den verschiedenen Religionsgemeinschaften dieses Landes."
Andere Religionen als die christliche kommen im Wahlprogramm übrigens kaum vor. An zwei Stellen werden Jüdinnen und Juden erwähnt, im Zusammenhang mit Antisemitismus und Kontingentflüchtlingen. Der Islam kommt mit sechs Erwähnungen etwas öfter vor, allerdings nur entweder als "Islamismus" oder als "Islamfeindlichkeit". Als Religion im eigentlich Sinne scheint er genau wie das Judentum keiner Erwähnung wert zu sein – das gilt auch für die beiden anderen Weltreligionen Buddhismus und Hinduismus, die überhaupt nicht vorkommen.
Fazit
Das Wahlprogramm von CDU und CSU positioniert sich klar befürwortend zum christlichen Glauben, zur Religion sowie zur gesellschaftlichen Rolle der Kirchen. Es führt an mehreren Stellen das christliche Menschenbild als Grundlage ihrer Werte und Überzeugungen an. Genauer ausgeführt, was damit gemeint ist, wird dies jedoch nicht.
Die Unionsparteien rechnen Religion insgesamt eine positive gesellschaftliche Funktion zu und wollen das Wirken von Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften in diesem Bereich schützen. Man wünscht sich sogar, dass Religionen eine "starke Stimme" in der Öffentlichkeit sein sollen. Ebenso bekennen sich die beiden Parteien zum Schutz von christlichen Feiertagen sowie zur Bewahrung der Sonntagsruhe. Andere Religionen als das Christentum finden aber kaum Erwähnung – und wenn, dann meist in problematischem Kontext.