Liebe Gemeinde zu Hause und hier in der Matthäuskirche,
Ich liebe Weihnachtspost. Gestern am Heiligen Abend habe ich viele persönliche Briefe gelesen. Einer hat mich besonders gefreut: Ein alter Freund hat mir geschrieben, wie es ihm geht, was er an Weihnachten macht und was ihm diese Tage bedeuten. Sehr persönlich….
Es gibt so viele Möglichkeiten der Kommunikation: Emails, SocialMedia. Facebook Und ich bin dankbar für jedes Mittel, um mit anderen in Gespräch und Verbindung zu sein. Handgeschriebene Briefe sind unter den Kommunikationsmitteln heute etwas Besonderes. Über die freue ich mich besonders. Da hat sich jemand hingesetzt, an mich gedacht und seine Gedanken zu Papier gebracht, das Ganze in ein Kuvert getan, an meine Andresse geschickt, hat sich vielleicht sogar noch bei der Auswahl der Briefmarke Gedanken gemacht und hat den Brief in den Briefkasten gesteckt. In einem solchen Brief steckt viel Liebe.
Und so ist es auch mit dem Brief, den Paulus der Gemeinde in Kolossai geschrieben hat. Einer seiner vielen Briefe, die er ganz persönlich auf Pergament geschrieben hat. Wort für Wort, Buchstabe für Buchstabe. Dabei in Gedanken fest bei denen, die den Brief lesen und anderen vorlesen. Und bei der Frage: Wie kann ich diese Menschen gut erreichen?
Und so schreibt er:
"In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis. Ihr habt Christus Jesus, den Herrn, angenommen. Richtet also euer Leben an ihm aus! …In Christus ist die ganze Fülle Gottes leibhaftig gegenwärtig. Und an dieser Fülle habt ihr Anteil, weil ihr zu Christus gehört.." Kol 2,3.6-10
"In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis." Was für eine tiefe, hoffnungsvolle Weihnachtsbotschaft! In dem Kind, auf das wir heute an Weihnachten all unsere Sinne richten, finden wir das, wonach wir so sehr suchen: Weisheit. Erkenntnis. Friede. Und Liebe. Verborgen liegen diese Schätze. Das ist tröstlich zu wissen. Ich muss mich nicht entmutigen lassen, wenn ich auf der Suche bin und nicht finde. Wenn ich nach Halt suche, wenn ich Orientierung suche, wenn ich Gott suche. Und: wenn ich nicht finde.
Dann darf ich trotzdem hoffen, dass sich mir das Verborgene zeigen wird und ich dann ankomme, aufatme, Kraft empfange. In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis. Und ich werde nicht aufhören, ihnen nachzuspüren! Sie zu suchen! Sie zu entdecken!
Der vor 2000 Jahren geschriebene Kolosserbrief weist uns an diesem Weihnachtsfest auf den hin, dessen Geburt wir heute feiern. Nur wegen solcher Briefe wie dem Kolosserbrief sind wir ja heute zusammen. Wir wüssten nichts von der Geburt Jesu Christi, wenn es nicht Menschen gegeben hätte, die anderen von dem Unglaublichen erzählt hätten, was da passiert ist.
"Da sie es aber gesehen hatten" – so haben wir es gerade über die Hirten aus dem Lukasevangelium gehört – "breiteten sie das Wort aus, welches ihnen von diesem Kinde gesagt war."
Deswegen sind wir hier. Deswegen lassen wir uns heute wieder anstecken von dieser großen Hoffnung, die mit Weihnachten verbunden ist. Die Hoffnung, dass all die Not auf dieser Welt oder auch in unserem persönlichen Leben, dass all der Hass, dass all die Gewalt, dass all diese schrecklichen Kriege am Ende nicht die Welt regieren werden! Mit dem Kind in der Krippe in Bethlehem hat sich etwas ganz Großes ereignet. Gott selbst zeigt sich in einem Menschen.
Das Kind in der Krippe, der Christus, auf den sich Paulus bezieht, ist selbst wie ein Brief. Ein Brief Gottes an uns, der sagt: Lasst euch nie im Leben einreden, dass diese Welt im Dunklen endet, dass die Mächte der Dunkelheit den Sieg davontragen! Schaut auf den Stern von Bethlehem! Er gibt Euch Orientierung. Er führt Euch immer wieder von neuem zu der Quelle der Liebe, die stärker ist als Hass, Rücksichtslosigkeit, menschliche Kälte.
Aber wie kann sie sich ausbreiten in einer Welt, die doch an so vielen Stellen eine ganz andere Sprache zu sprechen scheint? Dass es ein Brief ist, von dem wir an diesem Weihnachten die frohe Botschaft hören, dass es die Kommunikation der Hirten und so vieler anderer ist, die die Botschaft von Weihnachten überhaupt erst in die ganze Welt gebracht hat und in ihr hat wirken lassen ist, ist der entscheidende Hinweis: Wie sonst als durch Kommunikation, durch Gespräche, durch Begegnung soll die Liebe, der Respekt, die Einsicht die Umkehr überhaupt eine Chance haben!?
Und das gilt ja gerade dann, wenn die Fronten besonders verhärtet sind. Es gilt in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen bei uns, in denen sich Menschen unversöhnlich gegenüberstehen. Wie soll denn die Verzweiflung der Klimaaktivisten, die sich auf Straßen festkleben, überwunden werden, wenn man nicht miteinander redet, sondern der Zorn über ihre Aktionen alles bestimmt? Und umgekehrt: Wie sollen Menschen in der Politik denn anders davon überzeugt werden, dass die Rasanz der Klimaerwärmung ein viel entschiedeneres Handeln erfordert als durch Diskurs und gute Argumente? Wir brauchen Gespräche! Wir brauchen Kommunikation! Die Weihnachtsbotschaft muss uns zur Besinnung bringen, dass wir einander zuhören und miteinander reden!
Und auch in der großen Weltpolitik ist es so. Wir alle beklagen das Leid, das die illegale und verwerfliche Invasion der Ukraine durch die russische Armee über die Menschen dort bringt. Und wir verurteilen den Terror, der mit der Bombardierung der ukrainischen Infrastruktur für die Bevölkerung dort verbunden ist. Aber das darf nicht den kompletten Beziehungsabbruch bedeuten! Es kann nicht sein, dass die Militärlogik alles bestimmt! Dass sich Menschen hierzulande nun schon rechtfertigen müssen, wenn sie neben der militärischen Unterstützung der Ukraine auch Gesprächskanäle zwischen Menschen der unterschiedlichen Seiten offenhalten wollen! Wir brauchen beides: die Unterstützung der Ukraine bei der Verteidigung ihres Landes und zugleich Kommunikation zwischen den verschiedenen Seiten auf allen nur möglichen Kanälen! Nur so können sich Türen zur Überwindung der Gewalt öffnen.
Liebe Gemeinde,
lasst uns die Liebe und die Hoffnung von Weihnachten ausstrahlen, indem wir miteinander reden. Vielleicht gerade, wo es schwerfällt. Und lasst uns das tun auf der klaren und festen Basis der Weihnachtsbotschaft. Gott ist Mensch geworden in dem Kind in der Krippe. Und die Menschlichkeit hat dadurch göttliche Würde bekommen.
Wer zu dem Gott betet, der in Christus Mensch geworden ist, der setzt sich auch überall auf der Welt für die Würde des Menschen ein – im persönlichen Leben wie in der großen Politik. So wie Paulus sagt:
"Ihr habt Christus Jesus, den Herrn, angenommen. Richtet also euer Leben an ihm aus!"
Das wollen wir tun, liebe Gemeinde zu Hause und hier in der Matthäuskirche. Das wollen wir tun. Und genau damit Licht der Welt sein. Die Welt heller machen. Und so die Wahrheit der Weihnachtsbotschaft bezeugen.
Das Licht scheint in der Dunkelheit. Und niemand kann es mehr auslöschen. Deswegen sage ich voller Überzeugung und voller Zuversicht: Frohe und gesegnete Weihnachten!
Und der Friede Gottes…