"Jetzt ist Schluss!" - mit diesen drei Wörtern hat Organisator Hans-Günther Schramm vom Nürnberger Evangelischen Friedensnetzwerk die Einladung überschrieben. Rund 20 Menschen sind ihr gefolgt, haben noch einmal ihre bunten Friedensfahnen und Anti-Atomkraft-Transparente zum Hallplatz in Nürnberg gebracht.

Die vorüberziehenden Touristengruppen und Pendler beachten die Aktivisten drei Tage nach dem Atomkraft-Aus in Deutschland nur am Rande. Teilnehmer Franz Stryz hat eine Kappe mit drei ausgeblichenen Buttons auf dem Kopf. Auf einem steht: "Kein Atommüll auf den Mars" - ein Spontispruch vom Anfang der 1980er-Jahre.

Demonstrationen gegen Atomkraft

Stryz war im Laufe der Jahre bei zahlreichen Menschenketten und Demonstrationen gegen Atomkraft und Atomwaffen dabei. Seit 2011 hat er an den Mahnwachen nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima teilgenommen. Damals kamen Hunderte.

Der damalige Landesbischof Johannes Friedrich schrieb an die evangelischen Gemeinden, er halte die Risiken der Atomkraft für nicht akzeptabel. Ein großer Teil der Deutschen wollte den Ausstieg aus der nuklearen Energiegewinnung. Das Aus wurde beschlossen.

Fast genau zwölf Jahre später sind die letzten drei Kraftwerke abgeschaltet. "Eine wichtige Etappe ist erreicht", freut sich Schramm. Der Über-80-Jährige kämpft bereits seit mehr als 50 Jahren gegen die Atomkraft, die meisten der Mitstreiterinnen und Mitstreiter sind seit dem Reaktor-Unfall in Tschernobyl dabei, erzählt er.

Abschaltung der Atomkraftwerke

Tschernobyl hat sie "auf die Palme gebracht", erinnert sich Marianne Danzer. Die 86-Jährige hat bereits Anfang der 1980er-Jahre an einer "Muttertags-Blockade" in Mutlangen gegen die Stationierung von Mittelstrecken-Atomwaffen teilgenommen. Nach Fukushima war sie bei den Montags-Mahnwachen in Nürnberg dabei, konnte zuletzt nicht mehr kommen, weil sie Probleme mit dem Stehen habe.

Bei der Freudenfeier wollte sie aber noch einmal dabei sein, berichtet sie, während eine Frau ein Tablett mit Sekt-gefüllten Plastikbechern vorbereitet und aus dem Lautsprecher Milva singt: "Hurra, wir leben noch!"

Kuno Hauck ist gekommen, Ruhestandspfarrer aus Lauf. Es werde in den Medien so wenig über die Freude der Menschen über den Ausstieg berichtet, findet er. Dagegen hätten wiederum Kampagnen gegen den Ausstieg die ganze Aufmerksamkeit. In einer "unglaublich platten Weise" seien die Argumente der AKW-Befürworter verbreitet worden, findet auch Schramm, der eine Ansprache vorbereitet hat. "Wir haben es geschafft. Das ist ein einzigartiger Erfolg unserer Hartnäckigkeit", ruft er. Aber er räumt auch ein, "die Atomkraft ist nicht abgeschafft - rund um uns herum stehen Kraftwerke". In Tschechien, in Frankreich, in der Schweiz, Polen will sogar neu bauen.

Entsorgung des Atommülls

Außerdem sei kein einziges Gramm Atommüll bisher sicher entsorgt, sagt Schramm und kritisiert den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der am Wochenende ins Spiel gebracht hat, in Bayern AKWs weiterzubetreiben. "Weil er sein Fähnchen in den Wind hängt", sagt Schramm mit dem markanten weißen langen Bart.

Elke Winter vom Nürnberger Friedensmuseum hat in einem Kübel Rosen mitgebracht, die die fleißigsten Mahnwachler erhalten sollen. Als Winter am Mikrofon steht, erinnert auch sie daran, dass noch Probleme bleiben. Der nukleare Abfall könne der Produktion von Atomwaffen dienen. Sie verweist auf eine Brennelemente-Fabrik im Emsland, in der sogar für den russischen Markt produziert werden solle. "Auch die Atomraketen in Büchel sind nicht aus unserem Blick", stellt wiederum Hans-Günther Schramm fest.

Die in die Jahre gekommenen, wackeren Antiatomkraft-Gegner werden ihre Transparente und Mützen also noch nicht wegwerfen. Aus den Lautsprechern klingt jetzt "Libertà".

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