Putin droht im Ukrainekrieg mit Nuklearwaffen, die Angst vor einem Atomtod geht wieder um bei vielen Menschen.

"Atomwaffen stellen neben dem Klimawandel nach wie vor die größte Bedrohung der Menschheit dar",

bringt es Belit Onay (Grüne) auf den Punkt. Der Oberbürgermeister der Stadt Hannover ist Sprecher der mehr als 800 Städte in Deutschland, die sich in der Organisation "Mayors for Peace" (Bürgermeister für den Frieden) für eine atomwaffenfreie Welt einsetzen. Seit 40 Jahren gibt es das Netzwerk von mehr als 8.200 Kommunen weltweit.

Auf Initiative des Bürgermeisters von Hiroshima gegründet

Das Bündnis wurde im Juni 1982 auf Initiative von Takeshi Araki gegründet, des damaligen Bürgermeisters von Hiroshima. Die japanische Stadt wurde wie Nagasaki im August 1945 gegen Ende des Zweiten Weltkrieges von US-amerikanischen Atomwaffen dem Erdboden gleichgemacht. Hunderttausende Menschen starben sofort, viele weitere danach an den Folgen der Strahlenkrankheit. In Hiroshima kommen Vertreter der Mitgliedsstädte von "Mayors for Peace" am 19. und 20. Oktober zu ihrer Vollversammlung zusammen.

Die "Mayors for Peace" verpflichten sich, mit Aktionen und Kampagnen alles zu tun, dass es nie wieder zu solch einer Katastrophe kommen kann. Eine zentrale Aufgabe sei es, mehr junge Menschen als Friedensbotschafter zu gewinnen, sagt Generalsekretär Takashi Koizumi. Das Bündnis repräsentiert nach eigenen Angaben mehr als eine Milliarde Menschen. Es ist die "größte kommunale Friedensbewegung", wie Hannovers Oberbürgermeister Onay sagt. Die niedersächsische Landeshauptstadt ist die Partnerstadt von Hiroshima und sieht sich daher in einer besonderen Friedensverantwortung.

Atomwaffenfreie Welt derzeit Utopie

"Eine atomwaffenfreie Welt ist derzeit leider eine Utopie und sehr fern", sagt Onay. Rund 12.700 Nuklearwaffen soll es weltweit geben - geeignet, alles Leben auf der Erde auszulöschen. In der Öffentlichkeit wahrnehmbar sind die "Mayors for Peace" bisher vor allem durch den internationalen Flaggentag, der jährlich im Juli stattfindet: Auf Bannern vor den Rathäusern erinnern sie - auch in Kooperation mit Friedensinitiativen - daran, dass Frieden und Abrüstung nötig sind.

Doch unter dem Eindruck des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine legen die Stadtoberen nach: Sie fordern Deutschland und weitere Staaten dazu auf, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten und damit Nuklearwaffen zu ächten. Der UN-Vertrag ist im Januar 2021 in Kraft getreten. Mehr als 140 Städte haben sich den "Mayors for Peace" seit Beginn des Kriegs in der Ukraine neu angeschlossen - vor allem aus Europa.

Hilfe für ukrainische Städte

Und die Bürgermeister verstärken ihre Hilfe für ukrainische Städte, die wegen ihrer Infrastruktur bevorzugte Kriegsziele sind. Die Stadt Hannover etwa liefert im Rahmen einer Solidaritätspartnerschaft Hilfsgüter in die Stadt Mykolajiw.

"Uns sind nicht nur symbolische Aktionen wichtig, sondern auch ganz konkrete Hilfe",

sagt Onay.

Erst im Juni vergangenen Jahres hat sich die Stadt Ludwigshafen am Rhein dem Städtebündnis angeschlossen. Im Falle eines Atomkriegs seien die Kommunen besonders bedroht, begründet Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD) den Schritt. Von Beginn an unterstütze die Stadt geflüchtete Menschen aus der Ukraine.

Gegen Hetze und gesellschaftliche Spaltung

Das klare Bekenntnis von "Mayors for Peace" gegen Hetze und gesellschaftliche Spaltung sei besonders wichtig, betont die Kaiserslauterer Bürgermeisterin Beate Kimmel (SPD). Die Geschichte lehre, dass Gewalt in den Köpfen beginne.

"Wo mit Worten Krieg geführt wird, ist ein Krieg mit Waffen nicht mehr weit",

sagt die Politikerin.

Die Ereignisse der vergangenen Monate hätten gezeigt, dass der Wunsch nach Frieden nicht über allem stehen könne, ergänzt ihr Parteifreund, Kaiserslauterns Oberbürgermeister Klaus Weichel. "Es gibt Zeiten, in denen militärische Gewalt notwendig und rechtens ist, um ein verbrecherisches Regime zu stoppen, so wie die Alliierten es im Zweiten Weltkrieg gemacht haben." Waffenlieferungen an die Ukraine zur Selbstverteidigung und die Solidarität mit dem Land dienten auch der langfristigen Friedenssicherung in Europa, ist Weichel überzeugt.

Seit Ukrainekrieg: Mehrheit für Atomwaffen in Deutschland

Bedenklich findet es Bianka Pfaff von der "Friedensinitiative Westpfalz" in Kaiserslautern, dass sich eine Mehrheit der Bundesbürgerinnen und -bürger seit dem Ukrainekrieg für den Verbleib von Atomwaffen auf deutschem Boden ausspreche. Wichtig sei es daher, die Kommunalverwaltungen dazu zu drängen, sich weiter für deren Bann einzusetzen, sagt die Friedensaktivistin:

"Das Thema muss in der öffentlichen Wahrnehmung bleiben."