"Wir dürfen die Kinder nicht wieder aus dem Blick verlieren; erst Corona, jetzt die Energiekrise und der Krieg in der Ukraine– wir müssen darauf schauen, dass Kinder das bekommen, was sie brauchen, um sich gut entwickeln zu können", so höre ich es sinngemäß auf allen Ebenen: Von der Politik, von den Eltern, von den Lehrerinnen und Lehrern, selbst in den Nachrichten.

Ein Statement, das in mir viel Echo und Zustimmung auslöst. Kinder im Blick haben – ob diese Absichtserklärung bei den Kindern und Jugendlichen ankommt? Was brauchen diese, damit sie sagen können: "Da ist einer, der mich sieht"?

Die Antwort von Kindern und Jugendlichen

Ich maße mir nicht an, eine Antwort darauf geben zu können. Das können nur unsere Kinder und Jugendlichen selbst tun. Was wäre, wenn wir sie tatsächlich mal fragen würden? Hier vier von vielen Antworten, die Kinder und Jugendliche gegeben haben, als sie den Impuls "Ich fühle mich gesehen, wenn …" vervollständigten:

  • "Ich fühle mich gesehen, wenn jemand fragt, was mir wichtig ist. Immer müssen wir uns mit den Wichtigkeiten der anderen abgeben, nach ihren Maßstäben uns messen lassen. Ich möchte ja gar nicht sagen, dass die falsch sind oder unwichtig, aber meine halt auch nicht." (Lukas, 17 Jahre)

  • "Ich fühle mich gesehen, wenn Mama mich einfach mal in den Arm nimmt und nichts sagt." (Emilia, 8 Jahre)

  • "Ich fühle mich gesehen, wenn ich mit meinem besten Freund quatschen kann. Das schöne ist, mit ihm kann man reden und sagen, was man denkt – ohne sich immer Gedanken machen zu müssen, wie das bei den anderen ankommt." (Max, 14 Jahre)
  • "Ich fühle mich gesehen, wenn ich nicht immer nur die "Tolle" sein muss, sondern wenn jemand mich mit meinen Ängsten und Fehlern sieht und mir hilft, dass die nicht mehr so wichtig sind." (Mia, 15 Jahre)

Es fasziniert mich, wie genau Kinder und Jugendliche beschreiben können, wann sie sich gesehen fühlen. So unterschiedlich die Antworten sind, so sehr sind sie auf den Punkt gebracht. Gesehen zu werden heißt dann, sich bzw. dem anderen nahe zu sein, konkret zu werden und in Beziehung zu sein.

Gesehen werden heißt nicht, dass alles gut ist

Wie bei Hagar, der Nebenfrau Abrahams, von der die Worte der Jahreslosung überliefert sind, heißt Gesehen-Werden allerdings nicht unbedingt, dass alles in Butter und ungetrübt ist. Schwierige Situationen sind da und bleiben vorerst. Man entkommt ihnen nicht so einfach, indem man aus ihnen flieht. Das ist etwas, was Hagar und auch viele Kinder und Jugendliche heute erleben und (wieder) lernen müssen: Schwierige Situationen zu meistern, ohne davon zu laufen.

Das geht, wenn sie merken, dass da jemand ist, der ihre Situation erkennt, ja vielleicht auch anerkennt und sie gerade in den Schwierigkeiten annimmt und begleitet.

So gesehen verändert sich vielleicht nicht gleich die Lage, aber die eigenen Möglichkeiten, mit ihr umzugehen.

Insofern ist alles Gesehen-Werden der Anfang von Seelsorge, ob so benannt oder nicht. Und diese fängt nicht erst bei uns Menschen an, sondern schon längst bei Gott selbst: "Du bist ein Gott, der mich sieht."
 

Jahreslosung 2023 - Was sie bedeutet

Die Jahreslosung 2023 ist ein Bibeltext aus der Genesis. Was der Vers bedeutet, wie er entstand und warum die Frauen damit besonders im Mittelpunkt stehen, erklären wir hier.