Seit fast fünf Jahren tobt der Streit um eine judenfeindliche Schmähplastik an der Wittenberger Stadtkirche - und ein Ende ist nicht in Sicht: Nach der Niederlage vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe kündigte der Kläger jetzt den Gang vors Bundesverfassungsgericht an.

Der Kläger ist Mitglied einer jüdischen Gemeinde und verlangt die Abnahme des Sandsteinreliefs aus dem 13. Jahrhundert, weil er dadurch das Judentum und sich selbst diffamiert sieht.

Viele antisemitische Darstellungen an Gebäuden in Deutschland

Im Relief der "Judensau" wird die jahrhundertealte christliche Judenfeindschaft bildlich sichtbar: Da reiten Juden rittlings auf einem Schwein, oder sie werden wie Ferkel "genährt" von einer Muttersau. Dabei gilt das Schwein im Judentum als unrein.

Von diesen antisemitischen Darstellungen aus dem Mittelalter gibt es viele in und an Gebäuden in Deutschland. Allein in Bayern sind es etliche Plastiken, angebracht an namhaften Kirchen und Gebäuden in Bamberg, Bayreuth, Cadolzburg, Freising, Heilsbronn, Nürnberg, Kelheim, Regensburg, Spalt oder Theilenberg.

Regensburg plant Tafel zur Einordnung

In Regensburg findet sich das Relief der sogenannten Judensau an der Südseite des Doms. In sieben Metern Höhe zeigt die Steinplastik aus dem 14. Jahrhundert eine Sau, an deren Zitzen drei Menschen trinken, die Juden darstellen sollen.

Während in Wittenberg noch gestritten wird, wie mit dem Relief umzugehen ist, ist man in Regensburg bereits auf der Zielgeraden: Noch in diesem Spätsommer soll ein sich distanzierender Textkommentar auf einer Tafel, in der Größe von 85 mal 60 Zentimetern, direkt am Sockel unterhalb des antisemitischen Reliefs befestigt werden, sagte Christian Brunner vom Staatlichen Bauamt in Regensburg.

"In Stein gemeißelter Judenhass"

Über viele Jahre gab es auch in Regensburg einen Zwist über den richtigen Umgang mit der antisemitischen Schmähplastik am Dom. Die Darstellung sei "in Stein gemeißelter Judenhass", urteilte etwa der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle.

Daraufhin wurde ein runder Tisch mit Vertretern des Freistaats, der jüdischen Gemeinde Regensburg, des Präsidenten des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Josef Schuster, sowie der beiden christlichen Kirche eingesetzt.

Nach zweijähriger Arbeit einigten sich die Akteure auf die Grundsatzentscheidung, dass das judenfeindliche Relief in seinem historischen Kontext am Dom belassen, dafür allerdings mit einem neuen Textkommentar versehen wird. Er solle einordnen, kommentieren und zugleich eine mahnende Wirkung erzielen, hieß es.

Alte Hinweistafel sorgt für scharfe Kritik

Eine alte, bereits am Dom angebrachte Hinweistafel hatte selbst für scharfe Kritik gesorgt, weil dort zu lesen ist, dass die "Spottfigur" der "Judensau" in ihrem "antijüdischen Aussagegehalt für den heutigen Betrachter befremdlich" sei. Eine wirklich kritische Einordnung sei damit nicht gegeben, monierte beispielsweise die jüdische Gemeinde.

Den neuen Textkommentar verfasste Eva Haverkamp-Rott, Professorin für mittelalterliche jüdische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, gemeinsam mit einem Runden Tisch.

Neuer Textkommentar spricht von "menschenverachtender Propaganda"

Darin heißt es unter anderem: Die Darstellung von an einer Sau saugenden Juden "sollte Ekel und Verachtung" hervorrufen. In der christlichen Kunst verkörpere das Schwein vor allem den Teufel. Behauptet wurde, dass Jüdinnen und Juden "mit dem Teufel im Bunde seien, von ihm 'genährt' würden und seine Lehren aufnähmen". Mit dieser "menschenverachtenden Propaganda" wurden sie zu "Feinden des Christentums" erklärt.

Zusätzliche Informationen würden über einen QR-Code auf der neuen Texttafel erhältlich sein, sagte Ulrich Fritz, Referent des Antisemitismusbeauftragten. Neben der deutschen Fassung werde der Text auch in englischer Sprache und in Blindenschrift am Dom angebracht. Die Regensburger Tafel solle damit zum Vorbild für ganz Bayern werden.

Bislang nur eine deutliche Kommentierung

Bereits Ende 2020 hatte der Runde Tisch Empfehlungen zum Umgang mit derartigen Bildnissen vorgelegt. Bislang sei eine deutliche Kommentierung aber nur an einer Kirche Realität geworden: nämlich an der evangelischen Kirche St. Sebald in Nürnberg.