Diese Partnerschaft ist nicht das Ergebnis spontaner Sympathie, sondern das Resultat eines jahrzehntelangen, sorgfältigen Dialogprozesses. Seit über 50 Jahren feiern Gemeinden der Episkopalkirche in Bayern Gottesdienste in evangelischen Kirchen – etwa in München, Nürnberg oder Augsburg.
Während die bayerische Landeskirche synodal-bischöflich verfasst ist, mit einem Landesbischof, der gemeinsam mit Synode, Landeskirchenrat und Landessynodalausschuss die Kirche leitet, ist die Episcopal Church bischöflich-synodal, mit Bischöfen und Kirchenversammlungen (Conventions) organisiert. Die neue Vereinbarung bringt beide Leitungsmodelle in ein produktives ökumenisches Miteinander.
"Die volle Kirchengemeinschaft unserer lutherischen Landeskirche mit der Episkopalkirche der Vereinigten Staaten von Amerika ist weltweit einzigartig", sagt Landesbischof Christian Kopp. Eine synodal verfasste Kirche wie die bayerische Landeskirche vereinbare damit mit einer bischöflich verfassten Kirche aus der anglikanischen Weltgemeinschaft in allen Fragen des kirchlichen Lebens Augenhöhe und Partnerschaft:
"Das ist ein starkes Zeichen des Miteinanders der Christinnen und Christen auf der Welt in diesen angespannten Zeiten gerade zwischen Europa und den Vereinigte Staaten von Amerika. Wir möchte diese Partnerschaft in den nächsten Jahren mit Leben erfüllen."
In Bayern gibt es derzeit drei Gemeinden der Episcopal Church
Der Impuls zur Kirchengemeinschaft geht auf ein Treffen im Juni 2012 zurück: Damals begegneten sich die damalige Leitende Bischöfin der Episcopal Church, Katharine Jefferts Schori, und der damalige bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm in München. "Sie freuten sich über die gute Zusammenarbeit ihrer Gemeinden in Bayern und diskutierten das Thema Kirchengemeinschaft", erinnert sich Michael Martin, damaliger Ökumenereferent im Landeskirchenrat. Beide Kirchen hielten die Zeit für reif, die Möglichkeiten einer vertieften Beziehung auszuloten.
Ein Sondierungsprozess begann, Arbeitsgruppen trafen sich in New York, Tutzing, Paris und Augsburg. Als hilfreich erwies sich, dass die Episcopal Church in den USA und Kanada bereits eine volle Kirchengemeinschaft mit den dortigen lutherischen Kirchen eingegangen war. Der Ausgangspunkt für die Gespräche war die langjährige Zusammenarbeit in Bayern – aus Gastfreundschaft gewachsen, entwickelte sie sich zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe.
In Bayern gibt es derzeit drei Gemeinden der Episcopal Church: Ascension, beheimatet in der Emmauskirche in München, St. Boniface, zu Gast in der Auferstehungskirche in Augsburg, und St. James the Less in der Jakobskirche in Nürnberg.
Die amerikanische Kirche in München wurde bereits 1896 gegründet
In Augsburg halten die lutherische Gemeinde und St. Boniface gemeinsame Gottesdienste. Von 2016 bis 2018, als St. Boniface keinen eigenen Priester hatte, übernahmen evangelische Geistliche regelmäßig die sonntäglichen Gottesdienste nach lutherischer Ordnung. In Nürnberg wurde St. James the Less von den Pfarrerinnen und Pfarrern der Jakobskirche aufgenommen. Auch in München gibt es seit Langem eine enge Beziehung.
Die amerikanische Kirche in München wurde bereits 1896 gegründet. Ab 1903 feierte die "Church of the Ascension" regelmäßig Gottesdienste im Stadtzentrum. Die Gemeinde bestand aus US-Amerikanerinnen und -Amerikanern, die in München lebten, häufig mit deutschen Partnern, sowie aus Studierenden, Opernsängern und Touristinnen.
Beide Kirchen sind aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgegangen
Während des Ersten Weltkriegs blieb Ascension geöffnet – nicht zuletzt, weil sie bereits früh soziale Hilfsprogramme für deutsche Kinder und Soldaten aufgesetzt hatte. Während der NS-Zeit wurde Ascension zu einem Ort praktischer Hilfe für jüdische Mitbürger. 1939 wurde die Gemeinde von den Nationalsozialisten geschlossen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte der anglikanische Gottesdienst mit den US-Streitkräften nach München zurück. Zunächst wurden die Gottesdienste in der Army Chapel der McGraw Barracks abgehalten, 1955 entstand erneut eine Gemeinde unter dem Namen "Church of the Ascension". Ab 1963 wurde im Münchner Stadtteil Harlaching eine neue Kirche gebaut – die heutige evangelische Emmauskirche. Seit über 50 Jahren ist Ascension dort zu Gast. Beide Gemeinden feiern regelmäßig gemeinsam Gottesdienst, engagieren sich in der Flüchtlingshilfe und wirken seelsorgerlich im Umfeld der ehemaligen McGraw-Kaserne.

Theologisch stützte sich der Dialog auf bestehende ökumenische Vereinbarungen, wie die Meissener Erklärung von 1991, geht aber darüber hinaus und führt zu voller Kirchengemeinschaft mit gegenseitiger Austauschbarkeit der Ämter in der Kirche. Beide Kirchen haben etwa zwei Millionen Mitglieder und verstehen sich als Kirchen, die aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgegangen sind. Ein zentrales Element ihrer ökumenischen Annäherung war die Einsicht: Keine der beiden Kirchen erhebt den Anspruch, die einzige Kirche Jesu Christi zu sein. Vielmehr gilt für jede der beiden Kirchen: "Wir sind ganz Kirche – aber nicht die ganze Kirche." Diese Haltung öffnete den Weg zu einer vollen Kirchengemeinschaft in versöhnter Verschiedenheit.
Der intensive theologische Dialog mündete 2022 in die "Augsburger Vereinbarung". Auf ihrer Grundlage erklärten die Kirchenleitungen beider Seiten volle Kirchengemeinschaft. Dabei galt es auch, Unterschiede zu würdigen – insbesondere im Amtsverständnis. Die Frage der apostolischen Sukzession war ein Knackpunkt: Für die Episcopal Church sichert sie die Treue zur Verkündigung der Urkirche durch das Zeichen des bischöflichen Amts. Die evangelischen Kirchen sehen die geistliche Kontinuität in der Treue zur Verkündigung des apostolischen Evangeliums. Da die apostolische Sukzession aber von beiden Kirchen vor allem inhaltlich, also orientiert an der Verkündigung des Evangeliums verstanden wird, konnte auch in Bezug auf das Amtsverständnis festgehalten werden, dass es zwar Unterschiede gibt, diese aber nicht kirchentrennend sind.
Beide Kirchen bekennen sich zu einem gemeinsamen Verständnis von episkopé
Dennoch gibt es in Bezug auf das Bischofsamt weiterhin Unterschiede: Die Einführung kann als Ordination oder Installation gelten, Amtszeiten sind verschieden geregelt, auch der Status emeritierter Bischöfinnen und Bischöfe unterscheidet sich. Doch diese Unterschiede trennen nicht, sondern zeigen, dass Einheit auch ohne Uniformität möglich ist. Beide Kirchen bekennen sich zu einem gemeinsamen Verständnis von episkopé: geistliche Aufsicht, die in Treue zur Sendung der Apostel geschieht. Diese wird in beiden Kirchen personal, kollegial und synodal wahrgenommen. Also bestehen auch in Bezug auf die Leitung der Kirche zwar weiterhin Unterschiede, aber keine kirchentrennenden Differenzen.
So wird an einem schwierigen Punkt ökumenischer Einigung deutlich: Versöhnte Verschiedenheit ist möglich. "Wir können in volle Kirchengemeinschaft eintreten – nicht weil wir perfekt wären oder alle Unterschiede überwunden hätten, sondern weil uns die Einheit in Christus bereits geschenkt ist", sagt Michael Martin.
Eine synodal verfasste Kirche wie die bayerische Landeskirche vereinbart damit mit einer bischöflich verfassten Kirche aus der anglikanischen Weltgemeinschaft in allen Fragen des kirchlichen Lebens Augenhöhe und Partnerschaft: Der bayerische Landesbischof Christian Kopp sieht in dieser "weltweit einzigartigen" Kirchengemeinschaft "ein starkes Zeichen des Miteinanders der Christinnen und Christen auf der Welt in diesen angespannten Zeiten, gerade zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika". "Wir möchten diese Partnerschaft in den nächsten Jahren mit Leben erfüllen", sagte er dem Sonntagsblatt.
Was bedeutet das alles für die Gemeinden? Künftig können Pfarrerinnen und Pfarrer der Episcopal Church in Bayern predigen, Abendmahl feiern und taufen – und umgekehrt. Gläubige beider Kirchen können ohne kirchenrechtliche Hürden an Gottesdiensten und Sakramenten der jeweils anderen Kirche teilnehmen. Bei Bischofseinführungen sollen künftig auch Vertreter der jeweils anderen Kirche ihre Hand auflegen – und dabei sind auch Nichtordinierte eingeladen. Gemeinsam wollen beide Kirchen das Evangelium durch Wort und Tat verkünden und die Einheit der weltweiten Kirche Christi fördern.
Michael B. Curry, bis 2024 Leitender Bischof der Episcopal Church, schrieb in einem Brief an Landesbischof Christian Kopp: "Dass durch unsere Kirchengemeinschaft auch andere bischöflich verfasste Kirchen volle Kirchengemeinschaft mit synodal verfassten Kirchen erklären könnten, ist eine Hoffnung. Die Einheit der Kirche Jesu Christi besteht ja schon – in Gott, durch den alle eins sind. Wir können sie erkennen und leben – besonders in gemeinsamen Gottesdiensten und in der Feier des Abendmahls."
»Unsere Kirchengemeinschaft ist ein starkes Zeichen des Miteinanders der Christinnen und Christen auf der Welt in diesen angespannten Zeiten, gerade zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika.« Landesbischof Christian Kopp
Die Vereinbarung hat Modellcharakter, soll aber nicht automatisch auf bestehende ökumenische Beziehungen übertragen werden. Ein Zwang zur "Kettenreaktion" soll vermieden werden – aus Respekt vor anderen Dialogprozessen. Dennoch ist die Hoffnung groß, dass andere bischöflich oder synodal verfasste Kirchen dem Vorbild folgen.
Was jetzt gefeiert wird, ist ein historischer Schritt: Die eine Kirche Jesu Christi zeigt sich in ihrer Vielfalt – nicht durch Gleichmacherei, sondern durch Formulierung von kirchenverbindenden Gemeinsamkeiten, Anerkennung bleibender Verschiedenheiten und gelebter Gemeinschaft.
Feier der Kirchengemeinschaft
FEIERLICHER ABENDMAHLSGOTTES-DIENST zur Feier der Kirchengemeinschaft am Samstag, 7. Juni, 17 Uhr, Matthäuskirche München.
Mit Sean Rowe, Christian Kopp, Mark Edington und dem Chor der Church of the Ascension.
Kommentare
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Seit es "Christen" gibt,…
Seit es "Christen" gibt, also seit circa 2000 Jahren waren Christen Männer, Frauen, Kinder, Juden, Nicht-Juden und was man sich denken konnte, damals, heute und immer.
Da ist es doch sinnwidrig von "Christen und Christinnen" zu schreiben!!
In jedem Gottesdienst wird…
In jedem Gottesdienst wird das sehr oft gesagt.
Auch die Kirche will eben hier sprachlich mitgehen.
Es gibt auch eine Bibel in gendergerchter Sprache.
Wer die liest weiss ich auch nicht.
Ich finde es unnoetig alles immer doppelt zu sagen.
Ein etwas befremdliches Bild…
Ein etwas befremdliches Bild. Viele bischöfliche Gestalten, niemand im Talar. Soll das die Zukunft der evangelischen Kirche in Bayern sein? Es spricht überhaupt nichts dagegen auf Gemeindeebene pragmatische und freundschaftliche Beziehungen zu anderen christlichen Gemeinden aufzubauen und zu pflegen. Das ist vielerorts längst etabliert. Deshalb muss man sich aber nicht selbst aufgeben. Insbesondere sehe ich überhaupt keinen Sinn darin sich an top down organisierte Kirchen derart anzubiedern, dass man eine Kooperation als besondere Errungenschaft darstellt. Man bekommt den Eindruck es gäbe da einen Minderwerigkeitskomplex, weil die anderen die hübscheren Gewänder oder Titel haben? Was hat das mit Glauben oder Kirche im Sinn der Reformation zu tun? Gegen Zusammenarbeit, gemeinsam gestaltete Gottesdienste, Gedankenaustausch usw. usf. spricht gar nichts, aber das sollte nicht im Verständnis geschehen, die unterschiedliche Art Glauben zu leben und Kirche zu gestalten sei ein lästiges Übel, die Reformation ein Fehler der Geschichte, was es zu beseitigen gälte. Man müsse wachsen um des Gewichts nicht der Erkenntnis willen. Wie es tatsächlich vor Ort aussieht können ja nur die Beteiligten beurteilen, aber nach außen gibt das ein sehr schräges Bild ab. Insbesondere wenn man die Gewichtung betrachtet: Es geht hier um 2-3 Gemeinden im großstädtischen Umfeld, wo solche Begegnung eh recht normal und bewährt ist. Für die Gesamtkirche ist das aber kaum relevant. Warum muss man das also so offiziell aufladen und kann nicht einfach vor Ort tun, was eh funktioniert?
Da hat sich doch noch ein…
Da hat sich doch noch ein anderes Bild gefunden. Manchmal macht das Bild einen Unterschied in der Botschaft...