Dass die wirtschaftliche Lage für Sozialunternehmen schwierig ist, ist nichts Neues. Dass es nun auch Branchenriesen wie Diakoneo trifft, hingegen schon. Der Neuendettelsauer Sozialkonzern rechnet für das Jahr 2022 mit einem "deutlichen Defizit" - das heißt nichts anderes als tiefrote Zahlen. Damit sei "keine wirtschaftliche Schieflage" verbunden, sagte ein Diakoneo-Sprecher am Freitag, aber es zeige die Unterfinanzierung im Gesundheits- und Sozialbereich. Ab sofort gilt ein Investitions- und Einstellungsstopp.

Diakoneo: Keine positive Bilanz, aber keine Schieflage

Es ist das erste Mal seit mehr als zehn Jahren, dass Diakoneo kein positives Jahresergebnis ausweisen wird. Das letzte Mal waren interne Umstrukturierungen der Hintergrund - diesmal liegen die Faktoren außerhalb der Einflussmöglichkeiten des Sozialunternehmens, betonte Diakoneo-Sprecher Markus Wagner auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd). Ursächlich für das erwartete Defizit seien die zunehmend schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Sozial- und Gesundheitswesen, auf die man lange schon hinweise.

Auch in diesem Jahr sieht es nicht viel besser aus, hieß es. Auch die Kennzahlen des ersten Quartals 2023 zeigten eine stark defizitäre Entwicklung. Genaue Zahlen kann das Sozialunternehmen noch nicht nennen, da die Prüfung durch die Wirtschaftsprüfer noch nicht abgeschlossen sei.

Wichtig ist dem Unternehmen, dass es sich "nicht um eine finanzielle Schieflage" handelt.

Diakoneo sei wirtschaftlich so stabil, auch eine Phase mit Verlusten zu verkraften. Die finanziellen Rahmenbedingungen müssten sich aber deutlich verbessern.

Diakonie sieht Politik in der Pflicht

Der diakonische Konzern sieht dabei vor allem die Politik in der Pflicht - denn die Refinanzierung von Kliniken und anderen Angeboten in der Sozial- und Gesundheitsbranche seit Jahren schon nicht mehr ausreichend. Diakoneo handelt auch selbst: Der Vorstand habe am 28. April einen Instandhaltungs- und Investitionsstopp beschlossen, außer für sicherheitsrelevante Maßnahmen. Zudem gilt ein Einstellungsstopp - mit Ausnahme von Wiederbesetzungen freigewordener, refinanzierter Stellen wie etwa im Pflege- und Sozialbereich, hieß es.

Die wirtschaftlichen Probleme kommen für Diakoneo aktuell zu einer besonderen Unzeit. Ende März dieses Jahres hatte der kaufmännische Vorstand Dietmar Motzer das Unternehmen "aus persönlichen Gründen und im besten gegenseitigen Einvernehmen" verlassen. Er war seit 2016 in dieser Funktion bei Diakoneo tätig und habe maßgeblich die Fusion der beiden Diakoniewerke Neuendettelsau und Schwäbisch Hall zu Diakoneo 2019 mitgestaltet und mitverantwortet. Sein Vorstandsposten ist vom Einstellungsstopp nicht betroffen.

Auch andere diakonische Träger könnten in Turbulenzen geraten

Branchenkenner rechnen damit, dass auch andere große sozial-diakonischen Träger wegen der anhaltenden Refinanzierungs-Probleme sowie der wirtschaftlichen Spätfolgen der Corona-Pandemie noch in Turbulenzen geraten werden.

"Über Jahre hinweg konnten Defizite in Kliniken oder auch Erziehungsberatungsstellen nur über 'Gewinne' etwa aus der Behinderten- und Eingliederungshilfe aufgefangen werden",

erläutert ein Experte, der nicht genannt werden will. Doch auch dort gebe es inzwischen längst keine schwarzen Zahlen mehr.

Diakoneo ist mit rund 11.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von rund 800 Millionen Euro einer der größten diakonischen Träger in Deutschland und der größte Süddeutschlands.

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