Baucontainer, Kräne, Lärm und Staub: Vom Fassadenbauer bis zur Betonkosmetikerin sind an manchen Tagen jetzt 150 Bauleute auf der riesigen Baustelle am Rathenau-Platz in Nürnberg. Die Konstruktion der Kapelle mit schrägem Dach ist bereits aufgebaut, im Inneren lassen sich schon Bürogänge erkennen. Über dem Foyer und dem späteren großen Veranstaltungsraum spannen sich weite Holzkonstruktionen.

Darunter sollen einmal 600 Menschen Platz finden oder das evangelische Kirchenparlament, die Landessynode, tagen. Hier entsteht der ECN - der Evangelische Campus Nürnberg, eines der größten Bauprojekte in der Geschichte der evangelischen Landeskirche.

In gelber Warnweste und mit Sicherheitshelm auf dem Kopf steigt der Beauftragte für das Bauprojekt, Stefan Ark Nitsche, über staubige Treppen, die noch an die frühere Oberpostdirektion erinnern. Für sie wurde in den 1970er Jahren das Gebäude in heute uncharmantem Stil mit Waschbetonfassade errichtet.

Evangelischer Campus: Kinderhaus, Bibliotheken und Gastronomie geplant

Der ehemalige Nürnberger Regionalbischof kennt sich auf den 25.000 Quadratmetern hinauf bis die neunte Etage schon im rohen Sanierungszustand aus. Im kommenden Jahr könnten die Bauabschnitte A, B und C vollendet sein. Wenn alles nach Plan läuft wird der Raum mit Studierenden sozialer Berufe, Beschäftigten diverser kirchlicher Einrichtungen und externen Mietern belebt sein. Es sollen ein Kinderhaus, Bibliotheken, Seminarräume, Räume der Stille und Gastronomie und sogar eine Skylounge entstehen.

Die Büros sollen der modernen Arbeitswelt angepasst sein, erklärt der Geschäftsführer der Projektgesellschaft ECN, Günter Weissteiner, der auch Leiter des Referats Immobilien der Landeskirche ist. Das "Bauen im Bestand" passiere zudem unter den höchsten Energiestandards. Geheizt werden soll mit der Fernwärme der Stadt. Heizkühlsegel und Photovoltaik in Kombination mit der Dämmung könnten aus der Immobilie ein "Platinhaus" nach dem Standard der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen machen, sagt Weissteiner, "wenn wir es zertifizieren lassen würden".

Evangelischer Campus Nürnberg

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) hat das Gebäude in der Bayreutherstraße 1 in der Nähe des Rathenauplatzes in Nürnberg 2017 für 49 Millionen Euro erworben. Der einstige Sitz der Oberpostdirektion stammt aus dem Jahr 1972. Zunächst war das Gebäude mit seinen rund 25.000 Quadratmeter Nutzfläche und als Ertragsimmobilie vorgesehen, inzwischen ist für das Objekt eine Mischnutzung als Dienst- und Ertragsimmobilie vorgesehen, teilt die Landeskirche auf ihrer Homepage mit.

Im Juli 2019 schrieb die ELKB einen Architekturwettbewerb für die Immobilie aus. Der Projektlenkungsausschuss ECN entschied sich für einen Plan des Wiener Architekturbüros Franz&Sue. Das evangelische Kirchenparlament, die Landessynode, stimmte bei ihrer Herbsttagung 2020 für die Schaffung eines Evangelischen Campus Nürnberg und die dafür nötigen Investitionen. Diese werden sich nach derzeitigem Stand auf rund 170 Millionen Euro belaufen. Darin sind unter anderem staatliche Fördermittel für den Umzug der Hochschulen und der Fachakademien enthalten.

Die Landeskirche versichert, dass die Investitionen aus dem Vermögenshaushalt der Kirche stammen und der allgemeinen kirchlichen Arbeit nicht entzogen werden. Das Großprojekt soll drei Prozent Rendite abwerfen. Argumentiert wird auch mit Einsparungen für zahlreiche Gebäude der Landeskirche, die teils sanierungsbedürftig seien und in Zukunft nicht mehr gebraucht würden. In das ECN sollen rund 20 Einrichtungen der Landeskirche umziehen.

Der Rückbau und Umbau des Gebäudes läuft seit 2021, im September 2023 wurde der symbolische Grundstein gelegt. Die Fertigstellung des ECN, die noch vor der Coronapandemie und dem Ukrainekrieg für 2024 angepeilt worden war, soll im Jahr 2026 sein.

Einziehen sollen in den Komplex unter anderem die Evangelische Jugend, das Amt für Gemeindedienst oder der CVJM. Besonders hohen Platzbedarf haben aber die Akademien der Rummelsberger Diakonie und die Evangelische Hochschule Nürnberg. Heute hat die Hochschule bereits 1.500 Studentinnen und Studenten. Außerdem ist vorgesehen, externe Mieter zu finden. Geplant ist zudem, das ECN zum Tagungsort für eine der zwei jährlichen Sitzungswochen der Landessynode zu machen. Zum Gebäudekonzept gehören eine Kapelle und Räume der Stille, Gastronomiebereich, Open-Air-Seminarräume und ein Begrünungsprogramm.

"Vorwärts gelebt, rückblickend verstanden" - dieses Zitat des dänischen Philosophen Sören Kierkegaard, stellt der Rektor der Evangelischen Hochschule Kurt Füglein über das große Vorhaben, von dem dann bis zu 2.000 Studierende profitieren. Die Sanierung des Gebäudes mit der Adresse Bayreuther Straße 1 anzugehen, sei mit Blick auf die Klimaziele der Hochschule "eine mutige und richtige Entscheidung" gewesen, sagt Füglein. Er denkt besonders an die Fahrradstellplätze und Elektrozapfsäulen in den Untergeschossen oder die Straßenbahn und die U-Bahn vor der Haustür, mit denen die Studentinnen und Studenten zu den Vorlesungen kommen können.

Projekt war nicht unumstritten

Der Kauf und das ganze Projekt sind und waren nicht unumstritten. Kritischen Fragen dazu musste sich kürzlich auch der bayerische Landesbischof Christian Kopp im Presseclub in Nürnberg stellen. Man würde das Großprojekt vielleicht heute nicht mehr so entscheiden, räumte der dort ein, denn die "Innendiskussion ist eine Herausforderung". Aber nun würden drei große Bildungseinrichtungen zusammengezogen und viele junge Leute könnten hier studieren.

Für 49 Millionen Euro hat die evangelische Landeskirche 2017 die ehemalige Oberpostdirektion gekauft. Kein Schnäppchen. Die Finanzexperten der Kirche sahen darin aber ein Investitionsobjekt, das Rendite für die Beiträge zu Versorgungsleistungen der Kirche erwirtschaften soll. Der Umbau kostet etwa 170 Millionen Euro. Dennoch versichern die Verantwortlichen, die Immobilie werde kein Zuschussbetrieb, sondern müsse sich selbst tragen. Mit drei Prozent Rendite vom eingestellten Kapital rechnen die Landessynode und der Finanzreferent, erklärt Nitsche. Geld soll mit Vermietungen hereinkommen. Für Veranstaltungen werde ein Saal dieser Größe in Nürnberg dringend benötigt, ist der Projektleiter überzeugt.

Die Kirche könne mit der Immobilie am Rathenauplatz etwas schaffen, was in die Stadtöffentlichkeit wirkt, sagt Nitsche. Er halte das Mammutprojekt ECN für "angemessen", denn die Kirche mache hier die zwei Dimensionen Bildung und Diakonie sichtbar. "Wir würden das ja nicht für die Verwaltung der evangelischen Landeskirche bauen, sondern tun das für unseren Auftrag, mit dem wir nicht hinter dem Berg halten sollten", wirbt der Theologe für weniger Bescheidenheit.

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truk911 am Mi, 02.07.2025 - 08:56 Link

"Der Umbau kostet etwa 170 Millionen Euro. Dennoch versichern die Verantwortlichen, die Immobilie werde kein Zuschussbetrieb, sondern müsse sich selbst tragen. Mit drei Prozent Rendite vom eingestellten Kapital rechnen die Landessynode und der Finanzreferent, erklärt Nitsche. Geld soll mit Vermietungen hereinkommen. Für Veranstaltungen werde ein Saal dieser Größe in Nürnberg dringend benötigt, ist der Projektleiter überzeugt."
....allein mir fehlt der Glaube. Das Projekt fällt total aus der Zeit. Die Berechnung der Mieteinnahmen ist mehr als optimistisch - während die Finanzmittel in der Fläche sich immer mehr reduzieren. Zentralismus und Gigantomie haben der Kirche noch nie gut getan. Wer baut sich hier ein Denkmal??

truk911 am Mo, 23.06.2025 - 11:59 Link

Gut, dass wieder einmal an das Großprojekt erinnert wird. Die alten und neuen Begründungen klingen doch alle recht bemüht. Während kirchliche Präsenz auf der Fäche mehr und mehr schwindet und Spar-personal und -finanzpläne schmerzliche Realität werden, baut man urban babylonische Türme. Zentralisierung war noch nie ein Qualtätsmerkmal in der Kirchengeschichte.