Einen Einblick in ein dunkles antisemitisches Kapitel der Kirche während der NS-Zeit geben die Theologieprofessoren Harry Oelke aus München und Christoper Spehr aus Jena in ihrer Abhandlung zum Eisenacher "Entjudungsinstitut". Mit diesem Institut hätten die damaligen elf evangelischen Landeskirchen das Ziel verfolgt, "alles Jüdische aus Kirche und Christentum zu beseitigen", heißt es in einer Mitteilung der Theologischen Münchner Fakultät. In der Bibel, im Gesangbuch oder in den Kirchengebäuden sollten jüdische Redewendungen, Namen oder Bilder getilgt und so die jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens zerstört werden.

Hauptverantwortliche setzen Karriere nach 1945 einfach fort

Die Geschichte des "Entjudungsinstituts" sei lange Zeit im Dunkeln geblieben, erklärt Professor Spehr von der Universität Jena, der zusammen mit dem Münchner Kirchengeschichtler Oelke den Sammelband "Das Eisenacher `Entjudungsinstitut`. Kirche und Antisemitismus in der NS-Zeit" (Vandenhoeck & Rupprecht) herausgegeben hat. Führende Protagonisten des Instituts hätten nach 1945 ihre Karriere in der evangelischen Kirche nahtlos fortgesetzt. Walter Grundmann, der Wissenschaftliche Leiter des Instituts, sei 1954 Rektor des Eisenacher Katechetenseminars geworden, der Theologieprofessor Heinz-Erich Eisenhuth sei 192 Superintendent im Kirchenkreis Eisenach geworden und Herbert von Hintzenstern habe ab 1968 das Lutherhaus in Eisenach geleitet.

Die Professoren sind sich nach ihrer Entlassung keiner Schuld bewusst

Von Schuldbewusstsein sei bei diesen "NS-belasteten Professoren", die 1945 aus dem Staatsdienst entlassen und und ihres Amtes enthoben worden seien, keine Rede gewesen, erläuterte Oelke: "Vielmehr hätten die Akteure auch nach dem Zweiten Weltkrieg behauptet, die Bemühungen der `Deutschen Christen` und des Instituts zielten darauf, die Kirche im Nationalsozialismus zu erhalten und den Glauben zu bewahren." Kurz nach dem Krieg seien sogar Stimmen laut geworden, das Eisenacher "Entjudungsinstitut" in ein "theologisches Forschungsinstitut mit ökumenischen Perspektiven umzuwandeln".

Der Sammelband über das "Entjudungsinstitut" bringt den Angaben zufolge Beiträge von Kirchenhistorikern, Religions- und Kulturwissenschaftlern und einer Professorin für Jüdische Studien. Im Eisenacher Lutherhaus wurde 2019 eine Sonderausstellung zum "Entjudungsintitut" eröffnet, die auch noch im nächsten Jahr zu sehen ist.