Die Münchner Matthäuskirche wird im Volksmund wegen ihres geschwungenen Dachs auch "Herrgotts Achterbahn" genannt. Mit der Bischofswahl der bayerischen Protestanten hatte dort am Montag eine Achterbahnfahrt der besonderen Art begonnen: Sechs Wahlgänge, kein Sieger, große Ratlosigkeit auf allen Seiten.

Bis Donnerstag rasten die Synodalen in einem wilden Kurs von einer Gesprächsrunde zur nächsten, mal Arbeitskreis, mal Plenum, meistens nicht-öffentlich, bis schließlich am Donnerstagmittag um 14.46 Uhr in der Markuskirche, dem Tagungsort für die restlichen Synodentage, feststand: Christian Kopp, so heißt ab 1. November 2023 der neue Landesbischof der evangelischen Kirche in Bayern.

Landesbischof Kopp: Eine Stimme mehr als nötig

Mit 56 von 102 abgegebenen Stimmen erhielt der Münchner Regionalbischof genau eine Stimme mehr, als nötig - und setzte sich damit gegen seine Mitbewerberin Nina Lubomierski durch. Zu ihr führte Kopps erster Weg nach der Bekanntgabe des Ergebnisses: Herzlich umarmten sich die beiden, die trotz der erfolglosen Wahl vom Montag noch einmal angetreten waren.

Lubomierski bleibt nun erst mal Dekanin in Landshut. Die historische Chance, erstmals eine Frau an die Spitze der bayerischen Protestanten zu wählen, ließ die Synode - nach den Kandidaturen von Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler im Jahr 2011 und der Publizistik-Professorin Johanna Haberer im Jahr 1998 - auch diesmal verstreichen.

Chefjurist warnte vor weiterem Wahlgang

Dass es im Laufe der Synode überhaupt noch zu einem zweiten Wahlversuch kommen würde, war längst nicht klar. Deutlich hatte der Chefjurist der Landeskirche, Oberkirchenrat Hans-Peter Hübner, am Donnerstag vor einer erneuten Patt-Situation und einem abermaligen Scheitern gewarnt.

Der Wahlausschuss rate "einstimmig und eindringlich von einer weiteren Wahl" während der laufenden Tagung ab, sagte Hübner vor dem Plenum. Stattdessen wolle man "zurück auf Los" und einen neuen Wahlvorschlag aufstellen, über den dann im Herbst bei einer Sondersynode abgestimmt werden könnte.

Synode will keine Verschiebung

Diesem Vorschlag folgte die Synode mit großer Mehrheit nicht: Nur 35 Stimmberechtigte waren für die Verschiebung; 65 hingegen forcierten eine Wahl sofort im Anschluss - letztlich mit Erfolg. Der frischgewählte Kopp griff die Meinungsverschiedenheiten der letzten Tage und Stunden in seiner kurzen Dankesrede auf:

"Auch an der Synode geht nicht spurlos vorbei, was in der Gesellschaft vorgeht", sagte der 58-Jährige.

Es sei generell schwieriger geworden, "das Gemeinsame zu suchen und zu finden". Er sei jedoch "zutiefst überzeugt, dass es nur gemeinsam geht".

Christian Kopp zieht nicht groß um

Für Christian Kopp bedeutet das neue Amt zumindest räumlich wenig Veränderung: Mit seiner Frau Julia wohnt er bereits in dem Mehrparteienhaus am Englischen Garten, in dem sich auch die "Bischofswohnung" befindet. Statt in St. Lukas hat er seine Predigtstelle künftig in St. Matthäus.

Auch sein Büro zieht im Landeskirchenamt an der Katharina-von-Bora-Straße nur ein paar Treppen und Stockwerke weiter. Gut möglich, dass ihm seine gute interne Kenntnis im "Amt" und seine Vernetzung in der Landeskirche am Ende die nötigen Stimmen gebracht hat.

Schließlich sind die Herausforderungen für die Landeskirche angesichts Mitgliederschwund, Sparzwang und Transformationsprozess in den nächsten Jahren groß - ein Landesbischof, der ab Tag eins durchstarten kann, mag für manche Synodale ein Vorteil gewesen sein.

Erstmal durchatmen

So ähnlich klingen auch die Stimmen der ersten Gratulanten. Sie freue sich, dass mit Kopp "ein ausgewiesener Netzwerker das Steuer übernimmt", sagte Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einer Grußnote. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx wiederum zeigte sich erfreut, dass "ein vertrauter ökumenischer Weggefährte dieses wichtige Amt" antrete.

Christian Kopp wird nach der emotionalen Achterbahnfahrt der letzten Tage jetzt erst mal durchatmen. Zur Feier des Tages würden er und seine Frau am Wahlabend ein kleines Fastenbrechen praktizieren "und mit einem Glas Wein oder Prosecco anstoßen", sagte Kopp im epd-Gespräch. Und dann heißt es für den Theologen: Volle Fahrt voraus. Egal, ob die Wege für die Landeskirche künftig gerade sind oder verschlungen.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden