Kalt ist es in Deutschland, findet Beatrice Genz. "Ich komme aus Brasilien, da sind gerade 30 Grad", sagt die Kirchenpräsidentin und schmunzelt. Eine Woche lang ist sie jetzt in München. Am Freitag wurde bei einem Festakt in der St. Markuskirche die kirchliche Partnerschaftsvereinbarung zwischen Zentralamerika (CILCA), Brasilien (IECLB) und Bayern (ELKB) verlängert. Dieser trilaterale Vertrag sorgt etwa für den Austausch des theologischen Personals oder ermöglicht gemeinsame Klimaschutzprojekte.

Die lutherische Kirche in Brasilien ist verhältnismäßig klein. Sie hat knapp 630.000 Mitglieder, was rund 0,3 Prozent der dortigen Bevölkerung entspricht. Zum Vergleich: Die bayerische evangelische Landeskirche hat 2,2 Millionen Mitglieder.

Die Theologin genießt es, in das evangelische Leben in München einzutauchen: Sie hat die Bischofswahl in der Matthäuskirche erlebt und den 108 Synodalen in der St. Markuskirche aus Brasilien berichtet. Die Aufregung um die Bischofswahl kann sie durchaus nachempfinden, schließlich wurde sie selbst 2019 zur Kirchenpräsidentin gewählt – als erste Frau in diesem Amt in Brasilien.

Beatrice Genz ist Kirchentagspräsidentin in Brasilien

Genz hat am Theologischen Institut in Sao Leopoldo im Süden von Brasilien studiert, trat dann einer Diakonissenschaft bei und arbeitete viele Jahre als Gemeindepfarrerin in der Nähe von Porto Alegre. Jetzt ist sie als Kirchenpräsidentin viel unterwegs, um die weit verstreuten Gemeinden zu besuchen.

Die Evangelischen in Brasilien sind eine Minderheit, es gibt keine Kirchensteuer, und so hängt das kirchliche Leben von den Spenden der Mitglieder ab. Gerade die Pandemie habe viele Menschen an ihre Grenzen gebracht. Andererseits sei die Kirche für viele der Ort gewesen, der Halt gegeben habe: "Während Corona haben viele Menschen ihre Arbeit verloren, es gab viel häusliche Gewalt", sagt Genz und betont, dass vor allem Frauen die Leidtragenden der Pandemie gewesen seien. Umso mehr hofft sie auf Veränderungen durch die neue Regierung.

Brasilien hatte im Oktober 2022 einen Wahlkrimi erlebt: Luiz Inácio Lula da Silva gewann in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen nur knapp gegen Amtsinhaber Jair Bolsonaro. Seit 1. Januar ist Lula nun im Amt, kurz darauf kam der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz zu Besuch und versprach, das Programm zum Schutz der natürlichen Ressourcen und der indigenen Bevölkerung zu stärken.

Indigene Bevölkerung in Brasilien

Die indigene Bevölkerung wird auch von den Evangelischen in Brasilien unterstützt. Unter anderem finanziert die Kirche Personal, dass die indigene Bevölkerung bei der Wahrung ihrer Rechte unterstützt oder Klimaprojekte umsetzt. "Es gibt in Brasilien viele Menschen, die immer mehr verdienen wollen und bereit sind, dafür Wälder und Pflanzen abzuholzen oder zu verbrennen", kritisiert die Kirchentagspräsidentin. Gerade die Projektarbeit mit Jugendlichen könne hier gegensteuern und ein anderes Bewusstsein für Klimafragen schaffen.

Und was hat die bayerische Landeskirche davon? "Wir können voneinander und miteinander lernen", betont Oberkirchenrat Michael Martin, der für den Bereich "Ökumene und Kirchliches Leben" zuständig ist. Die verschiedenen Vereinbarungen, die am Freitag unterzeichnet werden sollen – und übrigens auch die Kirchen in Zentralamerika umfassen - ermöglichten nicht nur einen Personaltausch, sondern auch den Austausch von Glaubenserfahrungen.

"Unsere Partnerkirchen in Brasilien oder Zentralamerika verknüpfen oft sehr eng den eigenen Alltag mit Diakonie und Verkündigung. Das kann unserer bayerischen Landeskirche viele Impulse liefern", sagt Martin.

Die meisten Partnerschaften mit anderen Kirchen bestünden zudem seit vielen Jahren. Über die Projektarbeit bekäme die bayerische Landeskirche Einblicke in Probleme, die einen ganz anderen Blick auf Themen wie etwa die Wahrung der Menschenrechte ermöglichten. "Bei wichtigen politischen Diskussionen in Deutschland können wir als Kirche ganz anders Stellung beziehen, weil wir aus der Vielfalt dieser Erfahrungen berichten können", betont Martin.

Partnerschaft als Netzwerk

Für Silvia Beatrice Genz ist die Partnerschaft eher als Netzwerk zu verstehen: Der ständige Dialog, die gegenseitige Hilfe und das Gebet seien ein "lebendiges Zeugnis für unsere Gemeinschaft in einer gespaltenen Welt", erklärt sie den Synodalen. "Wir können gemeinsam Nein sagen, wenn das menschliche Leben bedroht wird", so Genz.

Besonders am Herzen liegt der Theologin die Friedensarbeit. "Ich bin ein Mensch, der Hoffnung hat", sagt Genz und fügt hinzu: "Wenn wir zusammen beten, miteinander sprechen und im Dialog bleiben, können wir die Welt verändern."

 

Kirchentagspräsidentin Beatrice Genz aus Brasilien
Kirchentagspräsidentin Beatrice Genz aus Brasilien

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