Herr Eppelein, wenn Sie die Stelle als Dekanatskantor in Augsburg antreten, ist das ein Stück weit auch ein Comeback nach Bayern. Empfinden Sie das auch so, wieder nach Hause zu kommen?

Johannes Eppelein: Ja, das tue ich. In Baden ist mir tatsächlich bewusst geworden, wie sehr mir die bayerische Landeskirche ebenso wie Bayern als solches Heimat gegeben haben, zum Beispiel die lutherische Liturgie der Gottesdienste, die bayerische Lebensart insgesamt und – auch ganz wichtig – der Dialekt. Außerdem ist in Musiker- und Kirchenkreisen ein gut funktionierendes Netzwerk unersetzlich. Mein Weggang nach Baden bedeutete einen totalen Neustart. Nun hoffe ich in Augsburg wieder an mein altes Netzwerk, das ich in den letzten knapp 15 Jahren im Raum München/Rosenheim aufgebaut habe, anknüpfen zu können. Privat hat mir in Baden neben Familie und Freunden vor allem die Nähe zu den Alpen gefehlt, die mir in meiner Rosenheimer Zeit sehr wichtig geworden sind. Da ist meine Vorfreude jetzt groß, an einem freien Tag wieder für eine Berg- oder Klettersteigtour in die Berge starten zu können.

An Ihrer Stelle in Lahr waren Sie nur rund ein Jahr. War Ihr Gastspiel dort nur als Zwischenstation geplant?

Nein, so kann man das nicht sagen. Grundsätzlich gab es schon den Wunsch, eines Tages mal wieder nach Bayern zurückzukehren, aber dass es jetzt so schnell geht, war für mich nicht zu ahnen, geschweige denn geplant. In der Coronazeit reifte in mir der Entschluss für eine berufliche Veränderung, zumal meine Tätigkeit damals in Rosenheim zumindest formal nur eine Elternzeitvertretung war. Außerdem wollte ich mich als Kirchenmusiker mit A-Examen irgendwann auf eine A-Stelle verändern. Nachdem im Frühjahr 2021 dann aber innerhalb Bayerns kurz- bis mittelfristig nicht damit zu rechnen war, dass eine zu mir passende A-Stelle frei würde, bewarb ich mich nach Lahr. Wäre jetzt mit St. Anna nicht relativ unvorhersehbar eine derart renommierte bayerische Kantorenstelle frei geworden, wäre ich sicherlich noch einige Jahre in Baden geblieben.

Was nehmen Sie von dort mit?

Zunächst viele Erkenntnisse, was mir persönlich für mein Leben wichtig ist. Dazu die Erfahrung, dass ich als Bezirkskantor – wie es in Baden heißt – schon vor Stellenantritt viel Anerkennung genießen durfte und Unterstützung erhalten habe: angefangen von meiner eigenen Sekretärin über die Lahrer Pfarrerschaft bis hin zum Dekan. Wie man hier über die Grenzen der verschiedenen kirchlichen Berufsgruppen hinweg auf Augenhöhe zusammenarbeitet, ist wirklich beispielhaft. Ein großer Schatz war auch der rege Kontakt und Austausch mit meinen beiden Bezirkskantorenkollegen Carola Maute (Kehl) und Traugott Fünfgeld (Offenburg) sowie mit Daniel Leininger über die Ländergrenze hinweg nach Straßburg.

Was ich noch mitnehme, ist der Wunsch, auch in Augsburg zumindest hie und da noch im Kinder- und Jugendbereich mitarbeiten zu dürfen – ein Bereich, der in Lahr einen Schwerpunkt bildete, in St. Anna aber nicht zu meinem offiziellen Aufgabenportfolio zählen wird. Im Bereich des "Fundraising" für die Kirchenmusik wünsche ich mir in Augsburg ähnlich kreativ-engagierte Vorstandsmitglieder im Förderverein. Für die auch in Augsburg anstehenden Veränderungen durch die innerkirchlichen Strukturprozesse hoffe ich, mich mit einem gesunden Blick von außen und Erfahrungen, wie mit dem Thema in der badischen Landeskirche umgegangen wird, einbringen zu können.

Die Einführung des neuen Kantors

Die Einführung von Johannes Eppelein findet am Sonntag, 12. Februar, um 10 Uhr in St. Anna in Augsburg statt. Mit dabei sind Kirchenrat Wolfgang Böhm, Dekan Frank Kreiselmeier und Pfarrer Thomas Hegner.

Ihr Vorgänger Christian Barthen hat sich in erster Linie als Organist gesehen. Wo liegen Ihre persönlichen Schwerpunkte?

Ich denke tatsächlich, dass wir uns in dieser Frage am stärksten unterscheiden. Was meine musikalischen Studien angeht, bilden die Chorleitung und das Dirigieren meine Kernkompetenz, nichtsdestotrotz sehe ich mich nicht als Künstlerpersönlichkeit. Meine Stärke ist denke ich die Fähigkeit, Menschen begeistern und motivieren zu können.
Dabei helfen mir auch diverse Soft Skills wie Wertschätzung und Empathievermögen sowie eine gesunde Portion Humor und Eloquenz. Wenn es dann von einem Chormitglied nach einer Probe heißt: "Vielen Dank, ich konnte mal für zwei Stunden alle Alltagssorgen vergessen. Chorsingen ist Brainwashing im besten Sinne", dann hat sich die Probe für mich gelohnt.
Zu beobachten, wie aus dem Miteinander von Menschen in Chören etwas erwächst, das größer ist als die Summe der Einzelteile, was letztlich alle in den Bann zieht, war und ist für mich größte Inspirationsquelle. In der Kirchenmusik haben wir zusätzlich noch das Glück, dass wir nicht nur für uns, sondern zum Lobe unseres Schöpfers singen und musizieren.

Zur A-Stelle in Augsburg gehört ein mannigfaltiges Anforderungsprofil. Worauf freuen Sie sich am meisten, wo wollen Sie noch weiter hineinwachsen?

Am meisten freue ich mich auf die beiden Chöre an St. Anna. Es ist beeindruckend, welches Repertoire und welche Konzerttradition die Chöre haben. Hier hoffe ich, mich schwerpunktmäßig entwickeln zu können. Gleichwohl möchte ich die Chöre aber auch mit neuer Literatur überraschen und fordern. Ebenso freue ich mich auf die wunderbare Kirche St. Anna, ein ganz besonderer Ort, in dessen Atmosphäre ich schon beim ersten Betreten aufatmen konnte. Wachstumsmöglichkeiten sehe ich für mich im Bereich der Orgel, in St. Anna insbesondere in Verbindung mit dem geplanten Orgelneubau und der wöchentlichen Orgelmusik zur Marktzeit. Die Möglichkeiten, die St. Anna hier aufgrund der Innenstadtlage und als touristischer Anziehungspunkt bietet, kenne ich von vorherigen Stellen noch nicht. Privat freue ich mich neben der Nähe zu Familie und Freunden auf die Stadt Augsburg, geschichtsträchtig und mit großem kulturellen Angebot.

Sie sind in einem Pfarrhaus aufgewachsen. Inwieweit hat Sie das nicht nur für Ihre musikalische Entwicklung, sondern auch für Ihr religiöses Leben geprägt?

Meine Kinder- und Jugendzeit war ganz selbstverständlich von den Hochfesten des Kirchenjahrs geprägt, ebenso vom emotionalen Spagat zwischen Taufe, Trauung und Trauerfeier. Mein Vater lebte, zugespitzt formuliert, das Pfarrersbild, sieben Tage die Woche rund um die Uhr für seine Gemeinde erreichbar zu sein, und leitete passioniert den Kirchenchor. Meine Mutter brachte sich als Pfarrfrau in Vollzeit ehrenamtlich in die Kinder-, Familien- und Seniorenarbeit ein und spielte sonntags die Orgel. Diese seel- und fürsorgliche Haltung leitet heute in Grundzügen sicherlich auch mein Tun und Denken. Mit der musikalischen Hochkultur kam ich eigentlich erst im Studium in München in Berührung, da in meinem 6000-Einwohner-Heimatort schon qualifizierter Instrumentalunterricht schwerlich zu bekommen war. Die Gemeindearbeit wie die im besten Sinne dilettantische kantorale Arbeit mit Kirchen- und Posaunenchor und all-weihnachtlichem Kindersingspiel zählte aber schon von Kindesbeinen an zu meiner Lebenswirklichkeit. Was meine Spiritualität betrifft, ist mir der Gemeinschaftsaspekt des christlichen Glaubens, der sich gerade im Miteinander musizieren manifestiert, besonders wichtig. Für mich ist christlicher Glaube etwas, das ich auf Dauer nur schwerlich im Verborgenen mit mir selbst ausmachen kann. Ich benötige die Gemeinschaft derer, die sich unter dem Dach der Kirche versammeln, sei es in der Chorprobe, im Konzert, beim Kirchenkaffee oder im Gottesdienst, den ich daher als Zentrum kirchlichen Lebens nach wie vor für unverzichtbar halte.

Was machen Sie, wenn die Musik mal schweigt und Sie abschalten wollen oder einem ganz anderen Hobby frönen möchten?

Gute Frage! Haben Sie einen Tipp für mich, um verlässlich auch in stressigen Zeiten abschalten zu können? Nein, Spaß beiseite, Erholung finde ich in der Natur und in Bewegung, sei es beim Bergwandern, Joggen, Fahrradfahren, in der Kletterhalle oder beim Badminton. Besonders gut kann ich auch in Gesellschaft lieber Menschen abschalten, gerne in Verbindung mit gutem Essen, gutem Kaffee oder bayerischem Bier. 

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