Am Samstag, 8. Februar, findet im Nürnberger Messezentrum ein "Tag der Kirchenvorstände" mit Landesbischof Christian Kopp und anderen Mitgliedern der Kirchenleitung statt.
"Ehrenamtliche suchen bei der Kirche Sinn und Gemeinschaft"
Frau Gruß, die evangelische Kirche lebt vom Ehrenamt. Wie attraktiv ist das heute noch?
Barbara Gruß: Ein Ehrenamt ist attraktiv, wenn es möglichst genau zur engagierten Person passt. In der evangelischen Kirche haben wir eine große Bandbreite an Möglichkeiten. Wir zählen aktuell knapp 130.000 Ehrenamtliche mit leicht sinkender Tendenz. Meist sind sie ganz bewusst bei der Kirche engagiert, sie suchen hier vor allem Sinn und Gemeinschaft. Das ergab unsere jüngste Evaluation.
Im Oktober wurden in Bayern für sechs Jahre die Kirchenvorstände gewählt. Das ist nochmal ein besonderes Ehrenamt: eine Gemeinde zu leiten. Wie ist da der Trend?
Die Wahlen haben uns positiv überrascht: Bayernweit gab es 14.000 Kandidatinnen und Kandidaten. Das ist ein echter Schatz! Gerade im Hinblick darauf, dass diese Jobs zeitintensiv sind. Wir freuen uns über soviel Bereitschaft, diese Verantwortung zu übernehmen. Rund ein Drittel der Kirchenvorsteherinnen und -vorsteher sind neu im Amt.
"Was bedeutet Kirchenvorstand? Was wird erwartet?"
Was ist die erste Herausforderung nach der KV-Wahl?
Das Onboarding gut zu schaffen, einen guten gemeinsamen Einstieg zu finden. Dazu soll auch der Kirchenvorstandstag helfen, bei dem man sich austauschen kann. Bei der letzten KV-Wahl waren einige neue, teilweise jüngere Menschen dabei, die nicht lange durchgehalten haben - auch, weil der Start nicht gut gelungen war. Am Anfang sollte miteinander vereinbart werden: Was bedeutet Kirchenvorstand? Was wird erwartet? Wo will ich dabeisein, was kann ich einbringen, wo sind Grenzen?
Wo gibt es Spannungen im kirchlichen Ehrenamt?
Eine Spannung kann dort bestehen, wo es einerseits hoch verbindliche Ehrenamtliche gibt und andererseits immer mehr, die sich nur punktuell engagieren wollen. Da kann eine Konkurrenz entstehen zwischen der Wertigkeit der Ehrenämter. Hier gilt es eine Haltung zu entwickeln, die beides wertschätzt und gut zusammenbringt.
"Die Zahl der Konflikte hat laut Evaluation zugenommen"
Hängt nicht alles von guter Kommunikation ab?
Die Zahl der Konflikte hat laut Evaluation zugenommen, und oft geht es dabei um Kommunikationsprobleme. So entstehen etwa über soziale Medien leicht Missverständnisse. Oder es ist nicht klar besprochen, wer welche Rolle und Verantwortung hat, wer was entscheidet.
Rechtlich darf der Kirchenvorstand viel entscheiden: wie Gottesdienste gestaltet, wie die Gebäude genutzt werden, wofür die Gemeinde ihr Geld ausgibt oder - mitberatend - wie Pfarrstellen besetzt werden. Wovon hängt ab, wie gut alles klappt?
Viel hängt von gelingender Partizipation und damit auch von der Sitzungsvorbereitung und -leitung ab. Für letztere sind nach wie vor meist Pfarrpersonen zuständig, aber auch Ehrenamtliche können den ersten Vorsitz haben. Diese wollen wir noch mehr stärken. Das Modell ist ein wichtiges Signal dafür, wie elementar Ehrenamtsarbeit für das Gemeindeleben ist.
Wie groß wird für Kirchenvorstände die Herausforderung, wie sie ihre Immobilien nutzen wollen?
Das Thema Gebäudenutzung wird vermutlich viele Kirchenvorstände beschäftigen. Gerade in Gemeindeverbünden gilt es zu prüfen, was gute Orte fürs Gemeindeleben sind und von welchen man sich verabschieden kann.
Und das Thema fehlende Pfarrer?
Laut Landeskirche müssen wir bis 2035 mit 50 Prozent weniger Pfarrpersonen rechnen. Der Normalfall ist heute schon eine Vakanz in der eigenen oder der Nachbargemeinde. Kirchenvorstände wird es beschäftigen, wie sie Vakanzzeiten organisieren – etwa indem Ehrenamtliche auch Andachten halten. Sie müssen nachdenken, wie Gemeindeleben noch mehr in ehrenamtlicher Verantwortung gehen kann.
"Der Blick sollte verstärkt darauf gehen, wie Ehren- und Hauptamtliche sich gegenseitig ergänzen können"
Das hören sicher nicht alle Pfarrer gerne, oder? Gibt es nicht auch zu Recht Empfindlichkeiten, wenn Laien Sonntagsgottesdienste gestalten?
In der Landeskirche gibt es gut funktionierende Modelle, in denen Prädikantinnen oder Teams von Ehrenamtlichen Sonntagsgottesdienste halten. Der Gottesdienst am Sonntagmorgen ist eine wichtige Gottesdienstform, aber nicht die einzige. Es gibt viele innovative Formate. Über die Formen und Zeiten entscheidet jede Gemeinde selbst. Konkurrenzdenken können wir uns nicht leisten. Der Blick sollte verstärkt darauf gehen, wie Ehren- und Hauptamtliche sich gegenseitig ergänzen können.
Auf Kirchenvorstände kommen also schwerere Aufgaben zu. Wie ist das zu bewältigen?
Ein Hauptthema wird sein, Dinge wegzulassen: Was können wir nicht mehr machen, was wollen wir verabschieden? Nicht jede Gemeinde muss alles anbieten, es gilt, stärker in Regionen zu denken. Es braucht Luft und Leichtigkeit im System, um das machen zu können, was man für wirklich wichtig hält. Dafür ist Loslassen und Beenden notwendig.
Wie können Kirchenvorstände mit der Situation des "immer weniger" klarkommen: weniger Kirchgänger, weniger Pfarrer, weniger Angebote?
Letztlich ist es eine Haltungsfrage: Was wollen wir vor Ort in der Gemeinde machen und wo in der Region denken? Wie können wir unseren Gestaltungsraum nutzen? Eine Blickveränderung tut gut. Die Perspektive ist, dass es gut weitergeht. Das entspricht unserer Glaubensbotschaft und Hoffnung.
Bräuchten Kirchenvorstände für diese Aufgaben nicht mehr Fortbildung – etwa auch theologisch?
Die meisten Ehrenamtlichen wissen, was sie mitbringen, und sehen nicht unbedingt Fortbildungsbedarf. Unserer Erfahrung nach holen sie sich eher gezielte Unterstützung. Für Lektorinnen und Prädikanten etwa gibt es fundierte Ausbildungen. Wenn Bedarf besteht, begleiten wir Gemeindeteams auch vor Ort.
Haben Ehrenamtliche heute mehr Ansprüche als früher?
Tatsächlich legen sie deutlich mehr Wert auf gute Rahmenbedingungen. Sie erwarten, dass eine Ansprechperson da ist, die Sicherheit gibt, auf die Möglichkeit der Auslagenerstattung achtet und Freiräume zur Verwirklichung ihrer Projekte schafft.
"In der Kirche sind wir oft unter uns und schaffen es nicht so, wie wir uns wünschen, auch andere Milieus zu erreiche"
Repräsentieren kirchliche Ehrenamtliche die Gesellschaft?
Sie sind Teil der Gesellschaft. Aber in der Kirche sind wir oft unter uns und schaffen es nicht so, wie wir uns wünschen, auch andere Milieus zu erreichen. Wir müssen uns fragen: Wie verstehen wir uns als Kirche im Stadtteil oder im Dorf? Wie laden wir Menschen ein mitzumachen, die nicht im engeren Zirkel sind? Wenn man in der Gemeinde verankert ist, kann der Blick dafür verloren gehen, wie insidermäßig das wirken kann. Es gilt herauszufinden, mit welchen Veranstaltungen Willkommenssignale nach außen gesendet werden - mit Konzerten, einem Flohmarkt oder einer Aktion bei der Dorfkirchweih.
Mit wachsender Verantwortung sind auch mehr juristische Fragen verbunden, etwa zur Haftung. Wann wird es da schwierig?
Es gibt Rahmenversicherungen bei Unfall- und Haftpflichtschäden für Ehrenamtliche in der Landeskirche. Damit sie verantwortlich handeln können, gibt es Schulungen, Einarbeitungszeiten und Beratungsangebote. Schwieriger wird es, wenn jemand grob fahrlässig handelt. Im Kirchenvorstand ist das aber so gut wie unmöglich, weil nie eine Person allein entscheidet und größere Entscheidungen immer eine kirchenrechtliche Genehmigung brauchen.
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