Während die Studierenden in den meisten Studienfächern seit Mitte Oktober wieder nur so in die Hörsäle der Universitäten strömen, handelt es sich in den theologischen Fakultäten eher um ein langsames Tröpfeln.
Die rückläufigen Mitgliederzahlen, die Missbrauchsvorwürfe, die steigenden Austrittszahlen und die anhaltenden Diskussionen über die Kirchensteuer haben in den vergangenen Jahren erhebliche Schäden an der öffentlichen Wahrnehmung der beiden großen Kirchen in Deutschland angerichtet. Diese Themen wurden in den Medien ausführlich beleuchtet und haben zweifellos zu einem erheblichen Imageverlust beigetragen.
Rückgang der Theologie-Studierenden
Abseits dieser offensichtlichen Probleme gibt es jedoch ein weiteres, weniger beachtetes Problem: der Rückgang der Studierenden im Studiengang Theologie (Pfarramt) an bayerischen Universitäten.
Der Weg zum Pfarrer*in
Traditionell werden angehende Theologen an Universitäten oder evangelischen Hochschulen ausgebildet. Zunächst ist ein erstes theologisches Examen nach Abschluss des Theologiestudiums oder eine erste theologische Aufnahmeprüfung erforderlich. Anschließend folgt das zweite theologische Examen nach dem Vikariat, der praktischen Ausbildungszeit.
Das Theologiestudium auf Pfarramt bildet den ersten Schritt auf dem Weg zur Pfarrer*innenschaft. Inzwischen gibt es zwar unter anderem im Kontext der Spätberufenen Laufbahn auch die Möglichkeit, ohne ein theologisches Studium Pfarrer*in zu werden, doch erst kürzlich wurde der "hohe" Stellenwert der Sprachen im Rahmen des ev. theol. Fakultätentags in München in Beschlüssen festgehalten und damit die Bedeutung des Studiums betont.
Hervorzuheben ist: Theologiestudenten legen ihr Examen in Bayern nicht an der Universität ab, sondern werden von einer durch eine Art theol. Prüfungsamt, dem Ausbildungsreferat im Landeskirchenamt der ELKB organisierten Prüfung geprüft. Zweimal im Jahr werden in Bayern Examensprüfungen abgenommen.
Theologie auf Pfarramt in Bayern studieren
In Bayern gibt es drei Universitäten, an denen Theologie auf Pfarramt studiert werden kann: die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, die Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen und die Augustana-Hochschule (AHS), die Kirchliche Hochschule der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in Neuendettelsau. An allen drei bayerischen Standorten ist der Studiengang Theologie (Pfarramt) zulassungsfrei, das heißt neben der Hochschulzulassung benötigt der Studienwillige nichts anders als den Gang zur Immatrikulation.
Dies ist auch die Ursache dafür, dass nicht nur Studiendierende, die aktiv willig sind, das Studium zu absolvieren und dafür Veranstaltungen besuchen wollen, sondern auch Studierende, die eher passiv sind und von anderen Vorteile des Studierendenleben profitieren wollen, sich für Theologie einschreiben. Gerade an den Universitäten in München und Erlangen tritt dieses Phänomen auf, während es an der Ausgustana in der bayerischen Kleinstadt eher keine Rolle spielt.
Studierendenzahlen in Bayern
Zwar sind die Studierendenzahlen an den deutschen Universitäten seit der COVID-19-Pandemie erstmalig wieder am Steigen. So teilte das Bayerische Landesamt für Statistik mit, dass die Zahl der Neueinschreibungen an bayerischen Hochschulen um 3,3 % auf 67.517 stiegen.
Diese Zahl ist allerdings mit Vorsicht zu betrachten, denn die inländische Studierendenzahl geht deutschlandweit insgesamt deutlich zurück. Dieser allgemein festgestellte Rückgang, beziehungsweise die Stagnation der Gesamtzahl der Studierenden könnte auf den demografischen Wandel der deutschen Bevölkerung zurückgeführt werden. Fällt dies in einigen Studiengängen nicht so stark auf, da ausländische Studierende diesen Rückgang kompensieren (teilweise beträgt deren Anteil ein Drittel der Erstsemestler*innen), ist dies im Studiengang "Evangelische Theologie (Pfarramt)" jedoch nicht der Fall.
Entwicklung an einzelnen Universitäten
Drei Ausbildungsstätten mit unterschiedlicher Ausrichtung und theologischen Profil: Während Erlangen deutlich lutherisch geprägt ist, wird an der Münchner Fakultät eine liberale, kulturzugewandt und gesellschaftsoffene Theologie gelehrt.
An der 1743 gegründeten Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen wurden für den Studiengang Theologie (Pfarramt) rückläufige Neueinschreibungen in den letzten fünf Jahren verzeichnet. So waren an der FAU im Wintersemester 2022/23 insgesamt über alle Fachsemester 124 Studierende im Fach Theologie (Kirchliche Prüfung) immatrikuliert, darunter 12 Studierende im 1. Fachsemester. Zum jetzigen Zeitpunkt (Stand: Oktober 2023) sind jedoch nur 84 Studierende eingeschrieben, darunter 8 im 1. Fachsemester.
Ein möglicher Grund ist die als zu lang eingeschätzte Studiendauer, die inzwischen von vielen Studieninteressierten als unattraktiv angesehen wird. Zudem bietet die FAU verschiedene andere theologische Studiengänge wie den Bachelor "Ethik der Textkulturen" oder "Kulturgeschichte des Christentums", Master "Medien-Ethik-Religion" an, die bei theologisch Interessierten auf größeres Interesse stoßen.
Auch an einer der jüngsten evangelisch-theologischen Fakultäten in Deutschland, an der LMU München, die erst im Sommersemester 1968 ihren Lehrbetrieb aufnahm, macht sich eine anhaltende Entwicklung bezüglich der Studierendenzahlen im Studiengang Theologie (Pfarramt) bemerkbar: Während im Wintersemester 2018/19 noch 19 Studierende von 62 eingeschriebenen Studierende im 1. Fachsemester ihr Studium aufnahmen, ist der Rückgang in der Folgezeit unübersehbar. Von den 72 eingeschriebenen Studierende im 1. FS des WS 19/20 waren lediglich 13 aktiv.
Und so geht es weiter: Im WiSe 2020/21 waren zwar 30 Erstsemester immatrikuliert, doch nur 9 besuchten tatsächlich auch Lehrveranstaltungen. Im Wintersemester 2021/22 waren es 30 Erstsemester, von denen nur 9 Lehrveranstaltungen besuchten. Im Wintersemester 2022/23 immatrikulierten sich erneut 30 Erstsemester, aber nur 8 nahmen aktiv am Studium teil.
Heißt: Für jeden eingeschriebenen Student*in gibt es zwar für die Fakultäten zwar Geld vom Staat, allerdings bleiben in den Theologischen Fakultät die Seminarräume leer, viele der eingeschriebenen Studierenden existieren nur auf dem Papier.
Strukturell ist die Lage an der 1947 gegründeten Augustana-Hochschule in Neuendettelsau im Landkreis Ansbach ähnlich, auch wenn das Konzept der Campus-Hochschule sich deutlich von den anderen beiden unterscheidet, denn 98 % der Studierenden wohnen in den hochschuleigenen Wohnheimen.
Vor 2015 schrieben sich durchschnittlich 20 bis 30 Studierende ins erste Fachsemester ein. Während es zum Wintersemester 2019/20 ein Hoch der Neueinschreibung mit 34 Studierende gab, sind die Zahlen seit Corona deutlich rückläufig. Für das beginnende Wintersemester 2023/24 haben sich 10 Studierende eingeschrieben.
Welche Ursache könnte der Rückgang der Studierendenzahlen haben?
Studierendenpfarrer Dr. Janning Hoenen an der Augustana-Hochschule erläutert im Gespräch, welche Gründe er hinter dem Rückgang der Studierendenzahlen sieht:
Ein Großteil der Studierenden sei üblicherweise zuvor in der Ortsgemeinde aktiv gewesen oder komme aus der kirchlichen Jugendarbeit, doch da diese Kinder- und Jugendarbeit während der COVID-19-Pandemie wegen der Beschränkungen massiv eingebrochen ist, fehle nun der Nachwuchs aus diesem Bereich, sagt Hoenen.
Stimmung in der Landeskirche
Ebenso zieht Hoenen in Erwägung, dass neben dem gegenwärtigen Image-Problem der Kirche ein möglich weiterer Grund entscheidend ist, warum das Studienfach Theologie mit dem Berufsziel Pfarramt an Attraktivität verloren hat:
Generell sei die "Stimmung in der Landeskirche frustriert, müde, nicht viel Begeisterung."
Frustrierte und/oder unzufriedene Pfarrer*innen machten eher weniger Werbung für das Pfarramt und die eigene Landeskirche, so Hoenen.
"Theologie studiert man nicht, weil man in der Zeitung gelesen hat, dass es ein cooler Studiengang ist, sondern die Erfahrungen mit dem Pfarrer vor Ort sind entscheidend."
Drittens stellt sich für Hoenen die Frage, ob der Beruf mit seiner Quasi-Beamtenschaft und der Pfarrerschaft zu neuen Generation passt, oder ob auch hier nicht nur der Weg ins Pfarramt, sondern auch die Konstruktion des Pfarrberufs überdacht werden sollte.
Insgesamt zeigt sich deutlich, dass nicht nur im Wintersemester 23/24, sondern generell Studierendenzahl im Studienfach Theologie Pfarramt im Sinkflug sind. Fraglich ist, ob dies sich in Zukunft wieder zu einem positiven Trend ändern wird.
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