Michael Wolf ist Pfarrer und im Landeskirchenamt für die Bereiche Kirchen- und Gemeindeentwicklung zuständig. Im Rahmen des MUT-Projekts bieten er und sein Team an vier Abenden einen Online-Abenteuerkurs an, um die Frage zu stellen, wie Kirche neu gedacht werden kann. Wir haben mit ihm über das Projekt gesprochen.

Herr Wolf, in der Beschreibung des Abenteuerkurses steht: "Der Kurs will dich ermutigen und befähigen, deiner Sehnsucht nachzugehen und Kirche in deinem Kontext neu zu denken." Das klingt etwas abstrakt. Was kann ich mir darunter vorstellen?

Michael Wolf: Ich glaube, es gibt in unserer Kirche viele Menschen, die eine Sehnsucht haben, dass Kirche auch ganz anders sein könnte. Viele sind auch ein bisschen frustriert über Kirchenaustrittszahlen, Rückbau, weniger Geld, weniger Hauptberufliche. Es ist eine Sehnsucht: Wie könnte Kirche in der Zukunft auch sein? Wir wissen nicht, wie sich die Kirche in der Zukunft aufstellt. Manche sagen, wir machen einfach so weiter wie bisher, es wird schon werden. Andere sagen, wir brauchen mal wirklich ganz crazy Ideen. Und ich glaube das MUT-Projekt und auch dieser Abenteuerkurs locken in dieses "Lasst uns mal ein bisschen frei denken: Wie könnte Kirche noch aussehen? Was für eine Form von Kirche wünsche ich mir? Oder was für eine Form von Kirche könnte interessant sein für meine Arbeitskollegen, für meine Freunde?" Außerdem kann man auch von den Erfahrungen anderer profitieren. Es geht darum, einfach mal ein Fernglas in die Hand zu nehmen und nach vorne zu schauen.

"Wenn ich auf eine Abenteuer-Tour in die Berge mache, dann weiß ich auch nicht, was hinter jeder Biegung kommt."

Es sind vier Abende vorgesehen. Wie läuft ein einzelner Abend ab?

Wolf:  Das ist eine bunte Mischung aus verschiedenen Impulsen und Programmpunkten, die inspirieren sollen. Wir können natürlich nicht an einem Abend die Kirche revolutionieren. Ich glaube, es geht auf der einen Seite darum, Menschen, die so eine Sehnsucht in sich tragen, miteinander zu vernetzen. Das hilft manchmal total, wenn ich merke, da sind Menschen, die wollen auch was, die sind auch mutig und die haben Bock auf Zukunft der Kirche.

Es wird auch ein theoretische Inputs zu unterschiedlichen Themen geben. Es geht auch darum herauszufinden, was Menschen sich wünschen. Und auch Einblicke in ganz praktische Projekte, um zu sehen, wie es andere gemacht haben. Ich finde es immer inspirierend, wenn man von Initiativen hört, wie die angefangen haben, was sie für eine Entwicklung genommen haben, auch was sie für für Fehler gemacht haben. Das ist ja auch immer interessant, von Fehlern von anderen zu lernen, dass wir nicht immer die gleichen Fehler mache müssen. Scheitern ist manchmal aber auch hilfreich, weil man daraus lernt.

An den Abenden wird es neben dem Input aber auch Breakout Sessions geben, in denen man sich austauscht über die eigenen Sehnsüchte und Ideen und vielleicht auch Feedback bekommt. Es ist eine bunte Mischung aus praktischem und theologischem Input, Interviews, und der Austausch in Breakout Sessions. Wenn ich auf eine Abenteuer-Tour in die Berge mache, dann weiß ich auch nicht, was hinter jeder Biegung kommt und wie das so wird.

"Probiert mal was aus! Geht ein Risiko ein, sichert euch nicht in alle Richtungen ab."

Die Abende sind in vier Themen gegliedert: Sehnsucht, Kontext, Risiko und Style. Was unterscheidet diese Schwerpunkte?

Wolf: Sehnsucht ist eher das Grundthema, dieses Losgehen. Was bewegt mich überhaupt? Wo könnte es denn hingehen? Was ist so eine Sehnsucht? Was sind Bilder, die mich locken könnten? Die Frage nach dem Kontext ist: Mit wem gehe ich denn los? Wenn wir in dem Abenteuer-Bild bleiben: Wir gehen in die Berge, wer ist wer ist da noch dabei? Was brauchen die Menschen überhaupt? Es geht ein bisschen um das Schritte-Tun, ohne vorher genau zu wissen, was passiert, also ein Risiko einzugehen.

Das ist uns beim MUT-projekt auch wichtig: Dass wir eine Fehler-freundliche Haltung haben. Bei diesem Abenteuer-Kurs wollen wir ermutigen zu sagen: Probiert mal was aus! Geht ein Risiko ein, sichert euch nicht in alle Richtungen ab, sondern manchmal muss man auch einen Schritt gehen, um etwas auszutesten. Also Experimente ermöglichen und sagen: Ihr dürft was ausprobieren, ihr sollt das ausprobieren und wenn's schiefgeht, dann wird euch nicht der Kopf abgehackt, sondern man sagt "Super, ihr habt wenigstens was probiert" und beim nächsten Mal kann man wieder was daraus lernen. 

Und Style ist natürlich: Wie gehe ich, wie mache ich es denn? Was braucht es? Was erwarten auch die Menschen? Das hat auch etwas mit Qualität zu tun, mit Schönheit, mit Style. Und was ist der Style, der sozusagen auch bei den Menschen für die Menschen sinnvoll ist, der andocken kann? Was brauchen wir an Qualität, an von Sprache, von für den jeweiligen Kontext. Das wäre dann eher die Umsetzung.

"Wir freuen uns über Experimente."

Haben Sie dann auch schon ein Ziel, was am Ende rauskommen soll?

Wolf: Es ist ja ein Experiment, aber ich wäre schon total glücklich, wenn Leute, die bei dem Kurs dabei sind, sagen "Mensch, das hat mich total ermutigt." Wenn sie Lust bekommen haben, mutig zu sein, loszulegen, rauszugehen aus unseren kirchlichen Strukturen und mal zu schauen, wie könnte Kirche denn noch geschehen? Wie können wir den Menschen den einfachen Zugang zur Liebe Gottes ermöglichen? Und da mal ganz, ganz wild denken und ganz neu denken und mit anderen zusammen denken. Wir freuen uns über Experimente.

Es ist nicht das Hauptziel des Kurses, dass konkrete Projekte entstehen. Es geht auch darum, dass Leuten mit einem neuen Mindset ihre bisherige Arbeit weiter machen machen. Ich erlebe zurzeit oft eine müde Stimmung nach und immer noch mit Corona. Es war alles so anstrengend. Noch ein Hygienekonzept und wieder eine Änderung. Dann ist die Aufgabe der Landesstellenplan sehr komplex, es ist die Rede von weniger Geld und weniger Hauptberufliche. In dieser schwierigen Situation ist es gut, mutig nach vorne zu gehen . Dann mutig nach vorne zu gehen und Lust auf Innovation zu wecken. Wenn das rüberkommt, dann hat sich aus meiner Sicht der Kurs gelohnt.

Warum sind MUT-Projekte allgemein wichtig für die Kirche?

Wolf: Wir haben ja so eine Tendenz in der Kirche, dass alles ist nur gut ist, wenn es 500 Jahre hält und dann hat es Qualität. Ich finde, wir brauchen den Mut, auch zu sagen, es gibt Projekte, die sind kürzer, strahlen aber trotzdem ins Leben der Menschen aus oder waren richtig gut. Deswegen brauchen wir das MUT-Projekt und ich merke das ermutigt auch und es verändert auch. Da merke ich, da ist Lust, da ist Energie, da sind Leute da, die was ausprobieren wollen. Und ich glaube, wir brauchen dieses Miteinander von klassischen Formen, die sehr, sehr gut und total wichtig für unsere Kirche sind, und aber auch neuen Formen, die was ausprobieren.

Das Abenteuer ruft

Informationen zum MUT-Projekt

Das Abenteuer ruft – Starterkurs für Sehnsüchtige, MUTige und Entdecker:innen in Kirche und Gesellschaft

WORUM GEHT´S?
An 4 Abenden im April und Mai wollen wir uns gemeinsam auf ein digitales Abenteuer begeben. Der Kurs will dich als ehrenamtlich oder hauptamtlich Engagierte:r ermutigen und befähigen, deiner Sehnsucht nachzugehen und Kirche in deinem Kontext neu zu denken. Wir fragen nach dem „Warum“, blicken auf unsere Sendung, lassen uns von anderen inspirieren, setzen uns mit Risiken und Herausforderungen auseinander und entdecken individuelle und neue Formen von Kirche und Gemeinde. Der Kurs liefert nicht nur praktisches Handwerkszeug, sondern fördert MUTige Haltungen, um Kirche lebensrelevant und zukunftsfähig gestalten zu können.

FÜR WEN?
Für alle ehrenamtlichen und hauptamtlichen Menschen, die sich als MUTige, Sehnsüchtige und Entdecker:innen auf den Weg zu neuen Aufbrüchen in Kirche und Gesellschaft begeben möchten.

WANN?
An vier Mittwochabenden von 19 -21 Uhr per ZOOM. Es ist auch möglich an einzelnen Abenden dabei zu sein:

27. April: Sehnsucht
04. Mai: Kontext
11. Mai: Risiko
18. Mai: Style

Informationen zum Projekt und zur Anmeldung gibt es auf der Webseite vom Mut-Projekt.