Seonghyang Kim liegt gerne in der Sonne, liest täglich in der Bibel, singt schon immer gut und viel und ist Stadtmensch, Pfarrerstochter und vor allem: Vollblutmusikerin. "Mein ganzes Leben ist mit der Musik verbunden", sagt die Kantorin, die in der mittelfränkischen Kreisstadt Roth die Nachfolge des langjährigen Kantors Klaus Wedel antritt. "Und die Kirche ist schon lange mein zweites Haus."

Kim kommt aus Südkorea. In Seoul studierte sie Kirchenmusik und Konzertorgel. Vor knapp zehn Jahren dann der Aufbruch ins Ausland. Ihre koreanische Professorin empfahl Kim ein Studium in Deutschland, weil sie selbst in München studiert hatte.

"Kantorin habe ich mir als sehr schönen Beruf vorgestellt, also habe ich begonnen hier Kirchenmusik zu studieren", erklärt die 36-Jährige.

In Korea gebe es kein vergleichbares Berufsbild. "Ich habe viel von Johann Sebastian Bach gehört, das hat mir sehr gefallen. Da dachte ich mir: Dort wo er war, will ich auch hin."

Es folgte die Eingewöhnungsphase. Sie habe schon den ein oder anderen "Kulturschock" erlitten, erzählt die Koreanerin. "In meiner Heimat legen viele Christen Wert auf die Einhaltung bestimmter biblischer Regeln." So sei es zum Beispiel noch üblich, erst nach der Trauung eine Familie mit dem Partner zu gründen.

Es habe auch immer wieder sprachliche Missverständnisse gegeben. "Besonders das Amtsdeutsch ist sehr kompliziert", sagt Kim. Mit den Behörden hatte sie zuletzt zu tun, bevor sie die Stelle als einzige bayerische Kantorin aus dem Ausland in Vollzeit antreten konnte: Ihr Visum war abgelaufen, bevor sie ihren neuen Vertrag von der Landeskirche erhielt. "Da war ich schon sehr verunsichert."

Als nach und nach die Sprachbarriere zu bröckeln begann, wurde auch das Heimweh erträglicher. Heute kann Kim sich gut vorstellen, bis in den Ruhestand hinein in Deutschland zu bleiben.

Kim hat eine Vorliebe für die Klassik. Auch in Roth möchte sie gerade die traditionelle Kirchenmusik weiterleben lassen. Und gleichzeitig Neues etablieren: "Die Gemeinde ist für mich wie ein Kind. Ein Kind muss ausprobieren, von allem etwas essen." Sich auf wenige "Nahrungsmittel" zu beschränken sei schließlich ungesund.

Die Kantorin plädiert für mehr Kooperation zwischen den einzelnen Gruppen in der Kirchenmusik: "Wieso nicht Gospelchor und Band zusammenbringen zu einem besonderen Konzert?" Kim will den Posaunenchor aus- und weitere Angebote aufbauen: Einen Kinderchor. Eine Jugendband.

Ihre intensive Studienzeit hat ihr das nötige Handwerkszeug mit auf den Weg gegeben. Und auch von ihrer Herkunft kann sie profitieren. "In Korea wird besonders vor den Gottesdiensten sehr viel Lobpreis gesungen, damit kenne ich mich aus", betont Kim.

In ihrer südkoreanischen Heimatgemeinde ist der Hauptgottesdienst am Sonntag ein klassischer - etwa vergleichbar mit einem evangelischen in Deutschland. "Aber es ist nicht nur einmal Gottesdienst, sondern zwei, drei oder viermal hintereinander." Alle Gruppen und Kreise träfen sich ebenfalls Sonntags.

"Die Kirche muss lebendig bleiben - vor allem am Sonntag, denn das ist Gottes Tag", sagt Kim.

"Die Predigt in Korea dauert übrigens meistens länger als hier", erzählt sie. "Selten unter dreißig Minuten, manchmal auch eine Stunde!" Langweilig werde das trotzdem nicht. Sich mit Gottes Wort auseinanderzusetzen, sei stets eine wichtige Kraftquelle. "Nahrung für die Seele der Menschen. Ohne die werden wir schnell schwach".

Wenn Seonghyang Kim eine E-Mail schreibt, endet die Signatur mit einem Bibelvers. Jedes Jahr wählt die Kantorin einen Neuen aus. Ihr Glaube, über den sie offen spricht, soll im Alltag präsent bleiben. "Alles kommt von Gott", sagt Kim. "Und Gott führt mich." Sie sei "auch für die kleinen Dinge dankbar", sagt Kim.

"Wir atmen. Aber bemerken es nicht. Erst wenn wir krank sind, wenn unsere Nase blockiert ist, dann merken wir, wie viel wir geschenkt bekommen für das Leben".

Nicht nur die Zehn Gebote sind für sie von großer Bedeutung. Für ihren Glauben spielen viele der alten biblischen Aussagen über das gottgefällige Zusammenleben eine Rolle. "Sie sind Gottes Wort", sagt Kim. Die Christen dürften sich schlichtweg nicht nach Belieben die Bibelstellen heraussuchen, die ihnen gerade in den Kram passten.

Aus der Perspektive ihres Glaubens sieht sie die Christen zur Einhaltung der Vorschriften in der Pflicht. Die zunehmende Liberalisierung der Gesellschaft in Deutschland beurteilt die Kantorin deshalb kritisch. "Wir wissen, was mit Sodom und Gomorrha passiert ist", sagt Kim.

In der Beziehung zu Gott entfalte die Musik eine besondere Kraft. "Sie ist eine Brücke vom Himmel in unsere Welt, von Gott zu den Menschen", sagt Kim. "Wenn wir sterben, kommen wir in den Himmel. Im Paradies singen wir Lobpreis. Hier auf Erden üben wir dafür."