Herr Wedel, Sie scheiden aus Ihrem Dienst etwas früher als eigentlich geplant aus. Wieso?

Klaus Wedel: Als ich meinen Dienst in Roth 1977 angetreten habe, war ich gerade einmal 22 Jahre alt.  Als ehemaliger "Windsbacher" war ich geprägt und wollte aus dem kirchenmusikalischen Provinznest Roth eine gewisse kirchenmusikalische Hochburg in dieser Gegend schaffen. Wenn ich nun ausscheide, tue ich dies mit einem lachenden, aber auch mit einem weinenden Auge. Die Kirche hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert. Einerseits legt die Landessynode fest, dass die Kirchenmusik ein wesentlicher Schwerpunkt der Gemeindearbeit sein sollte, andererseits haben das anscheinend noch nicht alle Pfarrer begriffen. Meine Intension war immer, dass sich die Gemeinde im Gottesdienst wohlfühlen muss. Das erreicht man aber nicht damit, dass man nur Kerzen anzündet und verbindende Worte spricht.

Das Feierliche und den roten Faden vermisse ich in unserer Gemeinde.

Da wird lieber von der Neuentdeckung der Inklusion gesprochen, obwohl Inklusion schon immer ein wichtiger Punkt in all den Jahren für unsere Kirchengemeinde war. Nachdem ich gemerkt habe, dass andere Dinge für unseren geschäftsführenden Pfarrer und den Kirchenvorstand wichtiger sind als eine geregelte Ordnung des Hauptgottesdiensts, war mir klar, dass ich da nicht mehr mitmachen kann und will. Ich muss mich nicht jeden Sonntag darüber ärgern, dass das liturgische Verständnis und vor allem die liturgische Kenntnis einiger Pfarrer nicht mehr vorhanden ist. Und wenn ich mich nicht mehr mit einem lutherischen Gottesdienst identifizieren kann, dann ist es Zeit aufzuhören.

Wenn Sie an Ihre Anfänge als Kirchenmusiker und die Situation heute denken, was hat sich am meisten geändert?

Wedel: Ich hatte bis vor fünf Jahren das Glück, dass ich mit Pfarrerinnen und Pfarrern zusammenarbeiten durfte, die meine liturgische Kompetenz geschätzt haben. Wir haben auf Augenhöhe zusammengearbeitet, zum Wohle der Kirchengemeinde. Jetzt erlebe ich, dass Pfarrer nur noch recht haben, alles wissen, und das auch noch besser. Ich habe noch keinen einzigen Kirchenmusiker erlebt, der eine gute Predigt abgeliefert hat. Pfarrer können aber anscheinend auf einmal alles.

Sie verabschieden sich mit einem Konzert des Kammerchors ein, den Sie vor über vier Jahrzehnten gegründet haben. Was erwartet die Konzertbesucher?

Wedel: Mein eigentliches Abschiedskonzert war für den Mai 2021 geplant, den eigentlichen Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand. Für den Herbst 2018 war geplant, dass wir mit dem Kammerchor und dem Projektchor das Deutsche Requiem von Johannes Brahms aufführen. Als Abschiedskonzert hatte ich mir den Lobgesang von Mendelssohn gedacht. Die Vogtland Philharmonie Greiz/Reichenbach, mit der ich schon kurz nach der Wende in Kontakt getreten bin und die seit dieser Zeit alle Konzert in Roth bestritten hat, wollte unbedingt mit uns noch einmal die h-Moll-Messe aufführen. Daraus resultiert das Programm des Konzert in der Rother Stadtkirche: ein Deutsches Requiem von Johannes Brahms, dann eine kurze Pause. Darauf folgt der Lobgesang von Mendelssohn ohne die einleitende Symphonie. Nach meinen Dankworten an mein treues Konzertpublikum folgt zumindest das "Dona nobis pacem" aus der h-Moll-Messe.

Sie haben in den vier Jahrzehnten sehr viel musikalisch umgesetzt - was war Ihr persönliches Highlight, was hätten Sie lieber noch auf den Weg gebracht?

Wedel: Mein Highlight waren die Menschen, mit denen ich zusammen Musik machen durfte. Da ist der Posaunenchor Roth, den ich geprägt habe und mit dem ich viele Stücke machen kann, die manchem anderen Posaunenchor verschlossen bleiben. Die Evangelische Kantorei Roth, die treu zweimal jährlich im Evangelischen Seniorenheim bei Konzerten gesungen hat; und natürlich alle festlichen Gottesdienste musikalisch begleitet hat. Der Kammerchor, der verstärkt durch Projektsänger großartige Konzerte geliefert hat. Und bei den Konzerten war es mir immer wichtig, dass wir nicht nur auf die bekannte Literatur zurückgreifen, sondern auch Neues mit einbringen. Wir waren es, die zum Beispiel das Requiem von John Rutter als deutsche Erstaufführung dem Publikum zu Gehör brachten. Auch das "Stabat mater" von Karl Jenkins war auf dem Programm. Wir hatten eine Band, die schon seit dem Nürnberger Kirchentag 1979 das neue Liedgut der Gemeinde nähergebracht hat. Neues und Altes war mir immer wichtig. Was hätte ich denn noch mehr machen sollen?

Wie geht es nach dem 21. Oktober für Sie musikalisch und auch in privater Hinsicht weiter?

Wedel: Ich scheide vorzeitig aus einer gewissen Verärgerung heraus aus dem hauptberuflichen Dienst aus. Ich mag einfach den Weg nicht mehr bestreiten, der in Roth eingeschlagen wird. Und da sehe ich auch eine Welt ohne die Pfarrherrlichkeit in der Kirche. Ab November werde ich in mein geliebtes Oberfranken zurückkehren.

Gerne bin ich bereit, musikalisch dort auszuhelfen, wo ich gefragt werde und wo meine Kompetenz gewünscht ist.

Ich habe mir aber auch vorgenommen, einmal Nein zu sagen, wenn ich von liturgisch inkompetenten Pfarrern angefragt werde. Dem Kirchenmusikerverband bleibe ich als dessen Präsident bis Januar 2021 erhalten. Derzeit arbeite ich an einer Veröffentlichung zu tiefer gesetzten Sätzen des bayerischen Anhangs. Kirchenmusikalisch bleibe ich also weiterhin aktiv, wenn auch gewiss nicht in Roth. Und ganz privat? Meine Frau und ich haben sechs Bienenvölker. Wir wollen uns wieder Kaninchen anschaffen, dazu Hühner und Ziegen. Der riesige Garten mit fast 3.000 Quadratmetern wirft dazu noch viel ab. Im Dorfgemeinschaftshaus in Günthersdorf bei Helmbrechts bin ich schon angefragt, ob ich nicht den Wirtschaftsdienst übernehmen würde. Langweilig wird mir im Ruhestand bestimmt nicht. Was ich im Ruhestand in meiner Gemeinde in Schauenstein auf jeden Fall anbieten werde, ist das Volksliedersingen.