An der Fassade hängt links über dem Kircheneingangstor ein Objekt aus Blech, unschwer als überdimensionaler Mund-Nasen-Schutz zu erkennen. Auf den Stufen zum Eingang der Nürnberger Egidienkirche ist eine abstrakte Skulptur aufgestellt - aus Stahl und Edelstahl. Sie soll an zwei aufgeschittene Rollen Toilettenpapier erinnern, ein weiterer Artikel, der die Menschen an diese unwirkliche Zeit im Frühjahr 2020 erinnert. Kurator Marian Wild vom Stadtmagazin "curt" hat die "quarantierten" Künstlerinnen und Künstlern damals aufgerufen, Gemälde, Skulpturen, Videos, Installationen und mehr zum Thema zu schaffen. Die Werke von 54 Kunstschaffenden hat er nun überall in dem Kirchenraum platziert.

Riesiges Kreuz und Blauring-Oktopus

Ein Kruzifix aus Bronze steht, den Raum beherrschend, seit Jahrzehnten in St. Egidien. Der Christusfigur auf dem acht Meter hohen Kreuz hat der Künstler Philipp Selig dicke Seile um die Gelenke gelegt und führt diese zu einem Spielkreuz, das aus alten Dachbalken einer Kirche gezimmert ist. So macht er Jesus zu einer Marionette und gibt viel Anlass zu Diskussionen.

Der giftige Blauring-Oktopus von Petra Krischke kommt als ein harmloses "Plüschtier" daher, aus Leinenstoff, mit Holzwolle ausgestopft. Er wirft einige seiner Fangarme über eine Brüstung und schaut hinunter auf die Porträts von Anton Atzenhofer und Masken-Bilder von Khalde Abod, die in den Kirchenbänken der Gemeinde Platz genommen haben.

"Sie werden zu Mitmenschen, man kann sich dazwischensetzen und die Bilder so nochmal ganz anders erleben",

sagt Marian Wild. "Die Werke haben sich ihren Kontext selbst gesucht", meint der Kurator, der selbst erstaunt scheint, wie sich viele der Ausstellungsstücke in das Gotteshaus einpassen. In der Umgebung der Kirche sind manche Objekte auch anders deutbar. Er zeigt auf ein Bild von Anna Maria Schönrock, "bei dem wir in einem anderen Kontext vielleicht nicht an eine Dornenkrone denken würden". Auf den ersten Blick wickeln sich auf dem Bild in Grautönen dornige Pflanzenschlingen um Seifenblasen.

In einer Kirche hängt eine übergroße braune Plüsch-Krake aus einem Fenster
Der giftige Blauring-Oktopus von Petra Krischke von der großen Kunstausstellung "Locked out" in der Egidienkirche.

Starke Bilder aus der Quarantäne präsentieren

Als gehörte sie schon immer zu der alten Kirche, erscheint die Performance "Aussitzen" des Künstler-Duos WenkZiegler über einem Grablegungs-Relief in der Wolfgangskapelle. In Endlosschleife erklingt Händels "Sarabande". Wie eine Feder zum Zerreißen gespannt, zeigen die beiden Frauen den Versuch, 15 Minuten in der Hocke zu bleiben. Ein Sinnbild dafür, "was man im Lockdown für eine Anspannung im Körper hatte", sagt Wild. Die Frauen fallen schließlich vor Erschöpfung um.

"Für mich eines der stärksten Bilder für die Corona-Zeit".

Hineingeschlichen haben sie sich an mehreren Stellen in den Kirchenraum ebenso die "Neuen Götzen" - Acrylgemälde von Johannes Kersting, die zwischen altertümlichen Schilden hängen. Sie sind Bildschirmschonern von Windows nachempfunden.

Ihre mehrere Dutzend Falter hat Eva Maria Winter aus solchen Zeitungsseiten hergestellt, auf denen während der Pandemie täglich der "Corona-Index" zu lesen war. Die Falter haben sich an verschiedenen Ecken der Kirche niedergelassen. Dort wecken sie die Erinnerung an den damaligen gesellschaftlichen, täglichen, ängstlichen Blick auf die Zahlen.

Die Ausstellung ist zugleich Beitrag der Kulturkirche St. Egidien zum Deutschen Evangelischen Kirchentag vom 7.-11.6. Der Eintritt ist frei. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr bis 17. Juni 2023. Hier geht es zum Internetauftritt der Ausstellung.

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