Das Familiencafé ist "ihr Baby": Julia Firtzlaff leitet seit einigen Wochen den Treff für Eltern und Kinder im erweiterten Vorraum der Kirche St. Markus in Nürnberg. Durch eine verschiebbare Glasfront ist die Fläche vom Kirchenraum abgetrennt. Auf einem Tisch stehen Zutaten für Muffins, die heute mit den Mädchen und Jungen gebacken werden sollen.

Vergangene Woche haben sie Taschen bemalt, davor Bilderrahmen verziert. "Ich liebe die Arbeit mit Kindern", sagt die junge Nürnbergerin, die Grundschullehramt studiert. Auf Minijob-Basis ist sie bei der Kirchengemeinde St. Markus angestellt, das Café wird gemeinsam mit dem Mehrgenerationenhaus AWOthek in der Südstadt angeboten.

Die Kirchengemeinde soll für jeden offen sein

Im Nürnberger Stadtteil Gibitzenhof hat die evangelische Markusgemeinde ihre Kirche modernisiert und in einem einmaligen kommunalen Pilotprojekt mit der Stadt Nürnberg einen Treffpunkt für Beratungen und kostenfreie Kultur- und Freizeitangebote geschaffen. Der Projektname "FreiRaum" ist dabei wörtlich zu nehmen.

Teil des Konzepts des FreiRaums, sei "die Öffnung der Kirchengemeinde zu anderen Vertretern der Stadtgesellschaft", erklärt Firtzlaff. Sie will allmählich ein Team an Ehrenamtlichen aufbauen helfen, das sich um die Gestaltung der zweieinhalb Stunden Familiencafé jeden Dienstag mit kümmert. Denn schon jetzt schon kommen hierhin Mütter und auch Paare aus dem Stadtteil gemütlich auf einen Kaffee, während Julia mit den Kindern Programm macht.

Dass sich Kirchengemeinden mit der Kommune die Nutzung von Räumen teilen, ist nicht ganz neu. In Wilhermsdorf (Dekanat Neustadt/Aisch) oder Seukendorf (Dekanat Fürth) gibt es bereits Kooperationen in Gemeindehäusern. Im "FreiRaum" in Nürnberg aber ist so etwas in einer Kirche entstanden.

Johannes Minkus, Sprecher der evangelischen Landeskirche, bezeichnet das Projekt daher als "richtungsweisend".

Das angebotene Programm soll die ganze Gesellschaft abdecken

Das Projekt, das durch eine Kooperationsvereinbarung zwischen Kirchengemeinde und städtischem Referat für Jugend, Familie und Soziales zustande gekommen ist, erklärt Silvia Wagner seit 14 Jahren Pfarrerin an St. Markus, die sich sehr darüber freut. Durch Mittel der Stadterneuerung will die Kommune den Raum städtischen und freien Trägern als Begegnungsort mietfrei zur Verfügung zu stellen.

Dafür gibt es im "FreiRaum" nun ein Sprach- sowie ein integratives Café, einen offenen Seniorentreff, Beratung durch das Jobcenter oder Kultur- und Sportangebote von "Fit mit 60+" bis zum Chor des Vereins "Integral" zur Förderung der Integration zwischen Menschen mit und ohne Behinderung.

Der FreiRaum stehe für "generelle Offenheit, Niedrigschwelligkeit, Barrierefreiheit, Bildungsvielfalt, Interkulturalität und kulturellen Austausch", sagte Oberbürgermeister Marcus König (CSU) bei der Eröffnung.

Die neuen Fenster und der helle Anstrich machen den Kirchenraum im "FreiRaum" viel einladender als früher. Es gibt eine mobile Bestuhlung, die Sitzkissen werden mithilfe von Akku-Heizspiralen erwärmt. Auch der Altar ist nun mobil - ein Hubwagen zum Transport steht gut versteckt in einem Winkel. Der an das Kirchengelände angrenzende Platz verwandelt sich derzeit in einen Nachbarschaftspark. Dafür hat die Regierung von Mittelfranken 1,4 Millionen Euro bereitgestellt. Die Kirchengemeinde selbst hat eine Million Euro zum Umbau der Markuskirche beigesteuert.

Einen Freiraum für alle Menschen schaffen

Rund 12.000 Menschen wohnen und leben im Einzugsgebiet der Kirche, die 1954 aus Steinresten des kriegszerstörten Nürnbergs aufgebaut wurde. Zu ihnen gehören die Seniorinnen und Senioren des nahen Georg-Schönweiß-Heims, die Schülerinnen und Schüler des Pirckheimer-Gymnasiums ebenso wie Alteingesessene und Zugezogene, darunter auch viele Menschen mit Migrationshintergrund oder aus einfachen sozialen Verhältnissen.  Auch die im Stadtteil ansässige deutsch-persische Gemeinde hält schon länger in St. Markus ihre Gottesdienste ab. Ihnen allen möchten die Ideengeber des "FreiRaums" einen Freiraum bieten.

"Während andere Gemeinden sich mehr oder weniger zurückziehen, machen wir genau das Gegenteil. Aber nur so hat doch Kirche eine Zukunft", meint Silvia Wagner.

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