100 Laster, 200 Tonnen Material, eine Million Euro: Zur Halbzeit der umfangreichen Innensanierung im Münchner Dom der Protestanten wächst seit Anfang April ein gigantisches Gerüst im Kirchenschiff von St. Lukas in die Höhe. 200 Tonnen Eisenstangen und Gitterträger rollen nach einem minutiösen Plan auf Lastern und elektrischen Transportkarren ins verwinkelte Lehel, wo die Kirche am Isarufer seit ihrer Einweihung im Jahr 1896 tausenden Menschen eine Glaubensheimat gibt.

15 Millionen Euro für Münchens evangelische Kathedrale

Doch nach 125 Jahren war jetzt ein Facelifting nötig: Spannungsrisse in den Kuppeln, verschmutzte Wände und Pfeiler, veraltete Elektrik, eine ineffiziente Heizung, fehlende Toiletten - die Liste der Mängel war lang. Seit April 2024 wird das Denkmal von nationaler Bedeutung jetzt für rund 15 Millionen Euro saniert - allein eine Million Euro sind für das Gerüst veranschlagt.

Viel Geld, doch ohne ein Gerüst funktioniert auf dem Bau nichts. "Wir stellen den sicheren Arbeitsplatz für die anderen Gewerke zur Verfügung", sagt Robert Lehner, Marketingchef der Gerüstbaufirma Schäfer aus dem Landkreis Günzburg. Gerüstbauer seien die Wegbereiter der Ingenieure, Kirchenmaler oder Stuckateure: "Sie alle brauchen uns, damit sie ihre kreative Energie verwirklichen können." Auch ein Michelangelo hätte ohne Gerüstkonstruktion seine Fresken nicht an die Kirchendecken bringen können, sagt Lehner selbstbewusst.

Hightech-Planung mit digitalem Zwilling und 3D-Scan

Die Methoden des modernen Gerüstbaus unterscheiden sich allerdings deutlich von denen des 16. Jahrhunderts. Ohne Computer geht heute nichts mehr: Mithilfe von 3D-Laserscannern und Drohnen haben die Experten zunächst ein präzises Abbild der Lukaskirche erstellt. Mit diesem "digitalen Zwilling" wird dann am Computer der Gerüstbau samt Materialbedarf "zentimetergenau" geplant, erklärt Lehner.

So entsteht zugleich eine Materialliste, nach der die Logistikabteilung - Herrin über 60.000 Tonnen Gerüstteile - ihre Rollcontainer für die Baustelle bestückt. 100 Fahrten sind in den nächsten Wochen Richtung St. Lukas geplant; ein Portalkran in der Kirche wuppt bis zu einer Tonne Material auf die jeweiligen Ebenen; bis zu zwölf Gerüstbauer montieren dann tausende Stiele, Gitterträger und Treppen nach einem farblich codierten, digitalen Bauplan zusammen.

Darauf wird auch sichtbar, wie die inwendig eingerüstete Lukaskirche in zehn Wochen aussehen wird: Ein Dschungel aus Laufwegen in luftigen Höhen - 18 Etagen sind es bis hinauf in die Vierungskuppel. Sicherheit ist deshalb ein großes Thema: "Unsere Monteure tragen während des Aufbaus ihre persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz", erklärt Robert Lehner. Der Abstand zur Wand beträgt am Schluss weniger als 30 Zentimeter, "damit niemand durchrutschen kann". Wo das nicht möglich ist, werden Geländer angebracht. Erst nach einer Sicherheitsprüfung dürfen andere Handwerker das Gerüst betreten.

Von der Skischanze zur Kirche: Keine Standard-Baustelle

Eisenbahnbrücken, Skischanzen, der Münchner Olympiaturm: Die Firma Schäfer hat viele außergewöhnliche Baustellen im Portfolio - auch die Augsburger Basilika St. Ulrich und Afra gehörte schon dazu. Ein Standardprogramm gibt es deshalb nicht: "Jeder Fall ist individuell und birgt auch seine besonderen Herausforderungen, ob technisch, organisatorisch oder beides", sagt der Marketingchef.

Und während im Fußbodenbereich der Lukaskirche derzeit noch Leerrohre für Kabel und Zuleitungen für die neue Warmwasser-Sitzbank-Heizung installiert werden, richten sich die Blicke der Schaulustigen am Baustellen-Fenster im Vorraum demnächst nach oben: Spätestens im Juni haben die Gerüstbauer die Kuppel in 42 Metern Höhe erreicht. Rund zehn Monate haben die anderen Handwerker dann Zeit, ihre Kunst zu zeigen. An Ostern 2026 werden 200 Tonnen Gerüstmaterial wieder spurlos verschwunden sein. Und die Lukasgemeinde wird in einer rundum erneuerten Kathedrale Auferstehung feiern.

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