Ein Faible für Glasmalerei muss Uta Troyke bereits in die Wiege gelegt worden sein, könnte man meinen. Schließlich war ihr Vater Alfons Abel ein bekannter Nürnberger Glaskünstler, der in ganz Bayern arbeitete. Allerdings dauerte es fast 70 Jahre, bis die Nürnbergerin sich ernsthaft für diese Kunstgattung interessierte. So sehr, dass sie jetzt in Eigenregie ein Buch gestaltet hat, in dem sie die Buntglasfenster Nürnbergs nach 1945 beschreibt. Ein Mammutwerk, das zudem eine konservatorische Lücke schließt.

Jahrzehntelang war Uta Troyke Kunsterzieherin an einem Nürnberger Gymnasium. Kunst wurde sogar "gelebt", wenn man ihr zuhört, wenn sie begeistert von den zahlreichen Kunstpreisen erzählt, die Schülerinnen und Schüler mit ihrer von Herzblut getriebenen Unterstützung errungen haben. Für die Arbeit ihres Vaters hatte sie sich als Mädchen und junge Frau wenig interessiert. "Da hatte ich Beuys und andere moderne Künstler im Kopf", erinnert sich die 72-Jährige an die "wilden 68er".

Nachlass des Vaters studiert

1994 starb Alfons Abel. Sein Nachlass landete später in Form von Entwürfen, Mappen und Schriftverkehr bei Uta Troyke. "Da habe ich mir die Sachen zum ersten Mal genauer angeschaut und festgestellt, dass nicht nur die Arbeiten meines Vaters, sondern die vieler anderer Künstlerinnen und Künstler, die nach dem Krieg in Nürnberg und Umgebung gewirkt haben, kaum dokumentiert sind", erinnert sie sich. Nach 2011 verbrachte sie sieben Jahre damit, sämtlichen Kirchen in Nürnberg zu besuchen, um die Fenster zu dokumentieren. Wer hat sie gestaltet? Was war der Auftrag, was die Idee? Von solchen Fragen geleitet, wuchs in Uta Troyke die Idee zu einem umfassenden Kompendium.

Dass sie ihren Fokus auf die Jahre ab 1945 legt, hat dabei einen besonderen Grund. "Im Zuge des Wiederaufbaus wurden nach dem Krieg auch zahlreiche neue Kirchen wieder auf- oder komplett neugebaut. "Zahlreiche Glasmaler erhielten Aufträge für neue Fenster", erklärt Troyke. Im Gegensatz zu den historischen Glasfenstern des Mittelalters und der Renaissance liegen im Fall der meisten Glasschaffenden der Nachkriegszeit allerdings kaum Archivalien vor. Troyke will mit ihrem Buch "Wege zum Himmel" also zum einen die Namen der Kunstschaffenden sichern, zum anderen aber mithilfe ihres Sachverstands zum Verständnis der Darstellungen beitragen. Damit will sie nicht nur eine Chronistenarbeit erfüllen – vielmehr sieht die Autorin das Wissen um die theologische wie kunsthistorische Bedeutung dieser Arbeiten schwinden: Kirchen werden umgewidmet, verfallen, Fenster werden von nachträglichen Einbauten verdeckt.

Kirchen haben kaum noch Bezug zur Gegenwart

"Bis zur Renaissance galt die Kirche als Träger der Kunst". Seitdem geriet diese Entwicklung ins Stocken. Die Kirchen hatten kaum noch Bezug zur Gegenwart, ebenso wenig die Kunst in ihnen", erläutert Troyke. Reformtheologen forderten das sich Einlassen auf Formen der Gegenwartsbewältigung in der künstlerischen Ausgestaltung des Kirchenraums und damit die Wiedergewinnung freier und theologisch ungebundener künstlerischer Arbeit im Kirchenraum. Zögerlich, aber mit zunehmender Akzeptanz haben sich die beiden Großkirchen darauf eingelassen

In Nürnberger Kirchen sind manche Kleinode versteckt. Wie beispielsweise in der evangelischen St. Bartholomäuskirche im Stadtteil Wöhrd, in der das theologisch wie künstlerisch hoch spannende, 1996 entstandene Fenster "Hören – Sehen – Sagen" von Hans Gottfried von Stockhausen auf der Empore ein recht einsames Dasein fristet. Das Wachsen der Natur zeigt der nach schmerzlicher Kriegserfahrung christlich orientierte Künstler als Metapher des Hineinwachsens der menschlichen Natur in göttliche Befriedung.

Modernes Fenster von Ursula Jüngst

Nur wenige Kilometer weiter findet man in der Taufkapelle der Nürnberger Pfarrkirche Allerheiligen ein erst 2020 von der Nürnberger Künstlerin Ursula Jüngst entworfenes Fenster, dessen Titel "Fest des Lebens" angesichts der künstlerischen Gestaltung Freude am Leben und Gemeinschaft mit Gott ausdrückt. Jeden ihrer einzelnen Pinselstriche hat Jüngst in vielen Arbeitsschritten geätzt und modelliert, Farbränder, Berührungen und Bewegungsrichtungen definiert. "Und Spuren der Liebe hinterlassen. Kein Strich, keine Farbe ist wie die andere, so wie wir Menschen auch alle verschieden sind", sagt sie. Sie sei überzeugt, dass der Welt eine universelle Ordnung zugrunde liegt und im Vertrauen auf die Schönheit und den Sinn der Schöpfung die Willkür überwunden wird. Uta Troyke ergänzt:

"Hier lässt sich hineininterpretieren, was das Leben und die Schöpfung feiert."

Ihr Buch hat sie in hochwertigem Druck anfertigen lassen – ohne kommerzielle Hintergedanken. Die Museen in der Stadt Nürnberg wie auch die Bayerische Nationalbibliothek haben für ihr Archiv bereits Exemplare gesichert – wer also einen Blick in "Wege zum Himmel" werfen will, wird dies an öffentlichen Orten machen oder auch bei Uta Troyke bestellen können.