Mit dem Tod von Papst Franziskus am Ostermontag 2025 hat die katholische Kirche ihr Oberhaupt verloren – und die Welt schaut nun gebannt auf das kommende Konklave in der Sixtinischen Kapelle.
Wer wird künftig auf dem Stuhl Petri sitzen? Wer führt die größte christliche Kirche durch eine Zeit wachsender globaler Spannungen, innerkirchlicher Reformdebatten und nicht abreißender Vertrauenskrisen?
Die Wahl des neuen Papstes liegt in den Händen von 135 Kardinälen unter 80 Jahren. Sie alle wurden gemäß den Regeln des Kirchenrechts rechtzeitig ins Kardinalskollegium berufen – viele von ihnen noch von Franziskus selbst.
Dieser Umstand deutet bereits auf eine interessante Dynamik im Konklave hin: Eine große Zahl wahlberechtigter Kardinäle stammt aus Ländern fernab der traditionellen Machtzentren in Europa, viele teilen die pastorale Vision des verstorbenen Papstes. Doch nicht alle.
Ein Konklave zwischen Kontinuität und Kurskorrektur
In kirchennahen Kreisen wird mit einem "offenen Konklave" gerechnet, also ohne klaren Favoriten. Die rund 20 Namen, die immer wieder als "papabile" (papsttauglich) gehandelt werden, spiegeln die Spannbreite der Kirche wider – von den Reformfreunden bis hin zu ihren konservativen Kritikern.
An der Spitze der Liste möglicher Nachfolger steht Kardinal Pietro Parolin, der als Kardinalstaatssekretär protokollarisch die Nummer zwei im Vatikan war. Der 70-jährige Italiener gilt als enger Vertrauter Franziskus’, unterstützte ihn etwa bei der Kurienreform und war maßgeblich an der diplomatisch umstrittenen Annäherung des Vatikans an China beteiligt.
Parolins Rolle als Architekt der vatikanischen Außenpolitik brachte ihm internationale Anerkennung ein. Allerdings könnte ihm genau das zum Verhängnis werden: Sollte das Kardinalskollegium einen klaren Bruch mit der Ära Franziskus wünschen, stünden seine Chancen wohl schlecht.
Ein anderer profilierter Italiener ist Matteo Zuppi, Erzbischof von Bologna, Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz und seit Jahren Mitglied der einflussreichen Gemeinschaft Sant’Egidio. Der 69-Jährige vertritt einen bescheidenen, volksnahen Stil und hat sich insbesondere in der Friedensdiplomatie – etwa als päpstlicher Gesandter im Ukraine-Krieg – einen Namen gemacht. Zuppi, so urteilt die "Berliner Morgenpost", sei "politisch versiert und mit Dialog und Konflikten vertraut".
Deutscher Kandidat
Mit dem Kardinal Gerhard Ludwig Müller, 77, gibt es auch einen Kandidaten aus Deutschland. Der ehemalige Bischof von Regensburg gilt als konservativ und werde für seine Bodenständigkeit und seine Fähigkeiten als versierter Theologe geschätzt, berichtet "Focus Online".
Erneut ein deutscher Papst? Seit dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. hätten deutsche Geistliche im Vatikan jedoch an Einfluss verloren, heißt es weiter.
Frankreich, Spanien, Kongo und Ghana: die globale Breite der Kandidaten
Auch Jean-Marc Aveline, Erzbischof von Marseille, gilt als potenzieller Kandidat. Der 66-Jährige, geboren in Algerien, pflegt eine klare Position in Migrationsfragen und organisierte 2023 eine große Mittelmeerkonferenz mit Franziskus als Ehrengast. Sollte er gewählt werden, wäre Aveline der erste französische Papst seit dem 14. Jahrhundert.
Ein weiterer Papabile ist Juan José Omella, der 79-jährige Erzbischof von Barcelona. Der spanische Kardinal lebt asketisch, engagiert sich für soziale Gerechtigkeit und verkörpert wie Franziskus einen pastoralen Stil. Doch gerade diese Ähnlichkeit zum verstorbenen Papst könnte ihm im Konklave zum Nachteil gereichen: Historisch folgte auf einen volksnahen Papst oft ein Verwalter.
In Afrika stehen gleich mehrere Kardinäle auf der Liste der aussichtsreichen Kandidaten. Fridolin Ambongo Besungu, Erzbischof von Kinshasa, kritisiert Reformen wie die Segnung homosexueller Paare als "kulturelle Kolonialisierung des Westens". Auch Peter Kodwo Appiah Turkson aus Ghana, langjähriger Kurienkardinal, gilt als profilierter Vertreter der katholischen Soziallehre.
Beide stünden für eine stärkere Präsenz Afrikas im Vatikan – ein symbolischer Schritt, den viele Beobachter für überfällig halten.
Reform oder Restauration?
Ein möglicher Brückenbauer wäre Mario Grech aus Malta. Der 68-Jährige ist Generalsekretär der weltweiten Bischofssynode und bemühte sich in dieser Rolle um eine neue Form synodaler Gesprächskultur. Seine Offenheit gegenüber LGBT-Personen und modernen Familienformen brachte ihm Applaus aus progressiven Kreisen ein – aber auch Kritik. Ähnliches gilt für Jean-Claude Hollerich, Erzbischof von Luxemburg, der als Vermittler zwischen den Lagern gilt und die Kommission der EU-Bischofskonferenzen leitet.
Anders der konservative Flügel: Péter Erdö, Erzbischof von Esztergom-Budapest, ist einer der prominentesten Vertreter. Der 72-Jährige, einst enger Verbündeter Benedikts XVI., steht für ein traditionelles Kirchenbild. Er warnt vor einem zu schnellen Wandel und genießt breite Unterstützung konservativer Kreise, etwa auch in afrikanischen Ländern. Die Nähe zur restriktiven Migrationspolitik Viktor Orbáns hat ihm jedoch auch Kritik eingebracht.
Noch weiter rechts positioniert ist Raymond Burke, ein US-Amerikaner und ehemaliger Kurienkardinal. Er hatte sich mehrfach öffentlich gegen Franziskus gestellt und lehnt unter anderem jegliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ab. Seine offene Konfrontation mit dem Vatikan führte dazu, dass ihm zuletzt sogar Wohnung und Gehalt entzogen wurden.
Unkonventionelle Kandidaten und Geheimfavoriten
Unter den eher unkonventionellen Namen fällt Pierbattista Pizzaballa auf. Der Patriarch von Jerusalem, der erste seines Rangs im Kardinalskollegium, überzeugt durch interreligiöses Geschick im Nahen Osten. Sein unklerikaler Stil und seine Nähe zu jüdischen, muslimischen und orthodoxen Führern könnten in einem zunehmend polarisierten Weltklima ein entscheidender Vorteil sein, urteilt die "Berliner Morgenpost".
Ein möglicher "Kompromisskandidat" wäre auch der US-Amerikaner Joseph Tobin, Erzbischof von Newark. Er erhielt für seinen offenen Umgang mit den Missbrauchsskandalen in seiner Diözese viel Lob, etwa durch die Veröffentlichung interner Absprachen mit Opfern. Gerade in einer Kirche, die um Glaubwürdigkeit ringt, könnte ein solcher Schritt als Zeichen der Aufarbeitung und Reformbereitschaft gewertet werden.
Entscheidung unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Wer am Ende die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit unter den Kardinälen erreicht, bleibt Spekulation. Das Konklave folgt streng dem Protokoll: In geheimer Abstimmung wird gewählt, bis ein Kandidat die erforderliche Stimmenzahl erreicht – und sein Ja zum Amt gibt. Erst dann steigt der weiße Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle auf.
Fest steht: Die katholische Kirche steht an einer Weggabelung. Der nächste Papst wird entweder den Weg Franziskus’ weitergehen – mit Schwerpunkt auf sozialer Gerechtigkeit, Synodalität und einem dialogbereiten Weltkirchenverständnis. Oder es kommt zum konservativen Gegenschlag.
Welche Richtung die Kirche einschlägt, entscheiden bald 135 Männer – hinter verschlossenen Türen, aber unter den Augen der Welt.
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