Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie und Klimawandel: Selten werden weltliche Themen auf einer Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) so im Vordergrund stehen. Das höchste Gremium des Weltkirchenrates, wie der ÖRK auch genannt wird, tagte zuletzt 2013 im südkoreanischen Busan, davor 2006 im brasilianischen Porto Alegre. Zu dem internationalen Treffen werden laut ÖRK rund 4.500 Gäste erwartet.

Für eine friedvolle und geeinte Weltgesellschaft

Das Event steht unter dem Motto "Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt". Neun Tage lang - vom 31. August bis 8. September - wollen die Kirchen zeigen, was sie für eine friedvollere und geeintere Weltgesellschaft tun können. Die katholische Kirche ist kein ÖRK-Mitglied, arbeitet aber mit dem Weltkirchenrat zusammen und sendet Beobachter nach Karlsruhe.

Mit Spannung - zum Teil auch mit Argwohn - wird eine Delegation der russisch-orthodoxen Kirche erwartet. Wegen des Moskauer Patriarchen Kyrill I., der als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt und Russlands Vorgehen in der Ukraine unterstützt, war wiederholt der Ausschluss seiner Kirche aus dem Weltkirchenrat gefordert worden. Die russisch-orthodoxe Kirche mit mehr als 160 Millionen Mitgliedern ist seit 1961 Mitglied im Dachverband von 352 Kirchen mit über 580 Millionen Christen.

Verständigung mit russisch-orthodoxer Kirche schwierig

"Selbst wenn die Verständigung zurzeit schwierig ist, müssen wir die Wege der Kommunikation unbedingt offenhalten", sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus:

"Ich erhoffe mir, dass auf kirchlicher Ebene eine Kommunikation möglich wird, die auch politisch etwas austrägt."

Vor allem die "Stimme der Ukraine" soll in Karlsruhe präsent sein, so der amtierende ÖRK-Generalsekretär, der Rumäne Ion Sauca, mit Blick auf die Teilnahme einer ukrainischen Kirchendelegation.

Weiteres Streitthema: Israel-Palästina

Weiteres mögliches Streitthema ist der Nahost-Konflikt. Der Weltkirchenrat steht seit Jahren in der Kritik, im Nahost-Konflikt einseitig Partei für die Palästinenser zu ergreifen. Immer wieder weist der ÖRK die Vorwürfe zurück. Seit seiner Gründung 1948 in Amsterdam "prangert der Weltkirchenrat beständig Antisemitismus an", sagte der ÖRK-Direktor für internationale Angelegenheiten, Peter Prove, dem Magazin "chrismon".

Gastgeber des Welt-Ökumene-Gipfels sind die deutschen Kirchen. Bereits jetzt gibt es Signale aus dem Weltkirchenrat, dass man auf deutsche Befindlichkeiten wenig Rücksicht nehmen wird. Das könnte nicht nur beim Nahost-Konflikt und der Kritik an Israel deutlich werden. Das könnte auch bei der Problematik Postkolonialismus eine Rolle spielen.

Bedford-Strohm prangert Folgen des Kolonialismus an

Der Weltkirchenrat wurde vor allem von europäischen und US-Kirchen gegründet. Inzwischen stammen die meisten Mitglieder aus dem globalen Süden - und deren Stimmen werden lauter. "Denn es gibt ja tatsächlich klare Folgen des Kolonialismus, die sich bis heute auswirken", sagte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm:

"Es gibt ein internationales Gerechtigkeitsproblem, etwa bei der Verteilung von Nahrung oder Medizin."

Daher sei es auch für die wohlhabenden Länder wichtig, diese Stimmen deutlich und klar zu hören, so der bayerische Landesbischof.

Weitere Spannungen wegen Homosexualität und Frauen

Weiteres Konfliktpotenzial liegt in den unterschiedlichen ethischen Fragen, etwa was den Umgang mit Homosexualität oder der Ordination von Frauen ins geistliche Amt angeht. Hier bleiben die Fronten verhärtet.

"Kurzum: Die Spannungen innerhalb der Orthodoxie, zwischen Orthodoxie und Kirchen der Reformation, zwischen aufgeklärtem Protestantismus und Fundamentalismus sowie zwischen den westlichen Kirchen und denen des globalen Südens stellen die Vollversammlung in Karlsruhe vor enorme Herausforderungen", heißt es in einem Beitrag von Margot Käßmann in der Herder Korrespondenz. Die frühere EKD-Ratsvorsitzende saß viele Jahre in hochrangigen ÖRK-Gremien.

Gerechtigkeit und Frieden, Hoffnung und Zuversicht

In einer unübersichtlich gewordenen Welt soll der Christen-Gipfel neue Impulse für den christlichen Glauben vermitteln. Sie hoffe auf ein "fröhliches und unmissverständliches Zeugnis für Gerechtigkeit und Frieden, für Hoffnung und Zuversicht", erklärte die EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber.

Die Vollversammlung ist aber nicht nur eine Arena für politische Debatten. Die Teilnehmer wollen zusammen beten, singen und gemeinsam feiern. Bosse-Huber: "Ich hoffe auf einen starken Aufschwung für die Ökumene in Deutschland und Europa."