Herr Bähr, man kennt Sie in Würzburg eher als Basketball-Funktionär - wie sind Sie jetzt aufs Buch gekommen?
Bähr: Ehrlicherweise hatte ich mit Literatur und Kultur bislang - von eigenem "Konsum" mal abgesehen - eher wenig zu tun. Ich war bisher vor allem im Sportbereich unterwegs. Ich habe vor etwa zwölf Jahren die Würzburg Baskets mit gegründet, die Vorgängermannschaft der heutigen s.Oliver Baskets. Von damals kenne ich Wolfgang Heyder, der bei den Bamberger Brose Baskets Geschäftsführer war. Kurz gesagt: Von ihm kam die Idee für ein Mainfränkisches Literaturfestival.
Heyder: Vor fünf Jahren haben wir in Bamberg ein etwas kleineres Literaturfestival ins Leben gerufen. Weil das ganz gut läuft, haben mich die Verlage gefragt: Könnte man das nicht auch in Würzburg machen. Weil mir die Kontakte in und um Würzburg fehlen, hab ich Kontakt mit Jochen aufgenommen. Der hat recht schnell verschiedene Sponsoren gefunden, die uns unterstützen wollen. Etwas schwieriger war es, die hiesige Kulturszene mitzunehmen. Aber auch das hat jetzt geklappt.
Sie starten zur Premiere auch nicht gerade zaghaft, sondern gleich mit einem riesigen Programm. War das der Plan?
Heyder: Natürlich gibt es kleinere Festivals - aber weniger von der Anzahl der Lesungen her, als von der zeitlichen Ausdehnung. Bei uns gibt es innerhalb eines knappen Monats an die 40 Veranstaltungen, in anderen Städten dauern Literaturfestivals teils nur ein Wochenende mit mehr als 70 Lesungen. Wir wollen eine Breite an Literatur anbieten, die auch nur mit einer gewissen Zahl an Veranstaltungen darstellbar ist: vom politischen Sachbuch über Krimis bis hin zu Poetry Slams.
Bähr: Uns war wichtig, dass das MainLit von Anfang an eine große Strahlkraft entwickelt, eine Marke wird.
Wir wollen nicht jeden Abend das gleiche Publikum ansprechen - wir wollen Vielfalt bieten.
Und ich denke, das wird mit Autoren wie Gregor Gysi, der seine Autobiografie bei uns vorstellt, mit dem bekannten Krimiautor Sebastian Fitzek, der Moderatorin Bärbel Schäfer, die in der St. Kilianskirche des Juliusspitals lesen wird, und vielen anderen an verschiedenen Spielorten gelingen.
Herr Heyder, was haben Sie für einen Zugang zu Literatur? Sind Sie eine "Leseratte", oder weshalb machen Sie das?
Heyder: Ich habe eine gewisse Affinität zu Literatur. Ich habe mal Germanistik studiert und wollte Deutschlehrer werden - das Studium habe ich zwar abgeschlossen, an der Schule habe ich dann aber nie gearbeitet. Ich lese gern Bücher, würde mich aber nicht als Literatur-Experten bezeichnen. In Bamberg kam das Festival so zustande, dass Kinderbuchautor Paul Maar beim Neujahrsempfang sagte: Bamberg hat kulturell alles, nur kein Literaturfestival. Das war die Initialzündung.
Wer hat letzten Endes das Programm zusammengestellt - das spannt ja schon einen ziemlich großen Bogen...
Heyder: Wir haben in Bamberg die letzten Jahre die ein oder andere Erfahrung gemacht, was gut läuft - und was so ein Festival auf jeden Fall braucht. Dazu gehören prominente Namen, verschiedene Sparten, die unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Bei der Detailplanung hat uns der Literatur-Agent Thomas Kraft aus München geholfen, der gute Kontakte zu den Buchverlagen hat. Auch Thomas Kraft kenne ich aus meiner Bamberger Basketball-Zeit, als ich ihn dort trainiert habe.
Durch die vielen großen Namen könnte man sagen: Das Festival ist fast ein bisschen beliebig, es könnte überall stattfinden...
Heyder: Das sehe ich ganz anders. Wir haben ganz bewusst bestimmte Themen aufgegriffen. Dem Thema Krimi räumen wir mit fünf Lesungen viel Platz ein. Dann widmen wir uns etwa dem Thema Antisemitismus - mit dem Mit-Geschäftsführer des Suhrkamp-Verlags, Thomas Sparr, oder dem Rapper Ben Salomo in der Posthalle. Freilich gibt es auch Lesungen, die überall stattfinden könnten. In der Gesamtheit jedoch finde ich hat auch schon unser erstes Festival ein eigenes Profil.
Bähr: Ich glaube auch nicht, dass wir einfach nur irgendein weiteres Literaturfestival auf die Beine stellen. Das werden ja nicht einfach nur 40 Wasserglas-Lesungen, bei denen die Autoren alleine auf der Bühne am Tisch sitzen.
Der Event-Charakter bei MainLit ist sicher größer als bei anderen Festivals. Wir werden bei fast jeder Veranstaltung auch Moderatoren mit dabei haben, der in Interaktion mit dem Publikum und den Autoren gehen wird. Das macht uns schon "anders", finde ich.
So ein Festival macht nicht nur viel Arbeit, es kostet auch viel Geld. Wie finanzieren Sie das?
Heyder: Wir haben grundsätzlich gesagt, dass das MainLit eine Non-Profit-Sache sein muss - das heißt: Wir wollen und können damit kein Geld verdienen. Als Veranstalter gehen wir auch mit einem gewissen Risiko in die Sache rein. Wir haben zwar dankenswerter Weise etliche Sponsoren gefunden, aber wir müssen im Schnitt schon 70 Prozent der vorhandenen Tickets verkaufen, um eine schwarze Null zu erreichen. Das ist ein sportliches Ziel, aber wir sind ziemlich zuversichtlich.
Bähr: Das Festival braucht nach jetziger Planung einen Etat in mittlerer sechsstelliger Höhe. Die haben wir noch nicht beisammen. Das Risiko ist es uns aber wert. Wir wollen etwas für die Region auf die Beine stellen, etwas Neues schaffen. Das geht eben nur mit einem gewissen Risiko. Selbst wenn wir am Ende mit einem minimalen Plus aus dem Festival herauskämen - wir würden es sofort in die zweite Auflage investieren. Für uns stand immer fest: Wir wollen keine Eintagsfliege schaffen.
Hängt vom Erfolg der Premiere denn ab, ob die neue Marke MainLit überhaupt Bestand haben wird?
Bähr: Wir gehen fest davon aus, dass wir Erfolg haben und dass das MainLit nicht nur einmal stattfinden wird. Aber wir sind da auch nicht so wahnsinnig unter Zeitdruck. Wir müssen jetzt nicht vor Abschluss des ersten Festivals schon das zweite planen. Im Literaturbetrieb, das habe ich inzwischen gelernt, ist es zeitlich entspannter. Viele Verlage und Autoren wissen Anfang 2020 noch nicht, welche Bücher Anfang 2021 erscheinen und welche Autoren auf Lesereise gehen werden.
Auf welche Veranstaltung, auf welchen Autor freuen Sie sich persönlich ganz besonders?
Bähr: Ich bin sehr gespannt auf den Linken-Politiker Gregor Gysi. Das ist eine unheimlich interessante Persönlichkeit, die - so wie man es aus dem Fernsehen kennt - ein tolles Auftreten hat.
Heyder: Und ich freue mich sehr auf Sebastian Fitzek, weil ich seine Bücher wirklich toll finde und gespannt bin, wie er in echt so ist. Aber auch Thomas Pletzinger mit seinem Nowitzki-Buch wird sicher toll - und ich freue mich ganz besonders auf ein Wiedersehen mit BR-Moderator Thorsten Otto, der mit Mario Basler eine Lesung bestreitet. Otto war zu Bamberger Zeiten mal mein Co-Trainer bei den Basketballern - und ich habe ihn seit langer Zeit nicht mehr persönlich getroffen.
Das Festival hat außerdem ein Kinder- und Jugendprogramm - das aber läuft größtenteils unbemerkt von der Öffentlichkeit. Warum?
Heyder: Nun, meine Bamberger Vorerfahrung hat gezeigt, dass es besser ist, Lesungen für Kinder und Jugendliche dorthin zu bringen, wo die Kinder und Jugendlichen sind - in die Schulen.
Wenn man einmal gesehen hat, wie gefesselt Kinder rund um einen Autor sitzen und an seinen Lippen hängen und dann noch anschließend in die Bücherei der Schule gehen und sich dort dessen Bücher ausleihen. Das ist wirklich durch keine öffentliche Kinderlesung zu ersetzen.
Bähr: Mit den Lesungen in den Schulen können wir als Festival auch einen nachhaltigen Bildungsbeitrag leisten. Das ist Leseförderung pur. Zudem haben wir ja auch einige Lesungen für Kinder und Jugendliche, die öffentlich sind. Wir werden jetzt mal beobachten, wie's ankommt.
Was ist - vorausgesetzt die Premiere ist erfolgreich - Ihr Ziel für die zweite Auflage in 2021?
Bähr: Wir würden das Festival gerne noch breiter aufziehen, weitere Akteure beteiligen - zum Beispiel die Hochschulen. Warum sollten nicht auch Lesungen an der Uni oder Fachhochschule stattfinden? Oder eine Kinderlesung an der Uni-Kinderklinik? Oder auch "rollende" Lesungen in Bussen. Ich sehe ein großes Wachstumspotenzial. Sowohl an Themen, an Autoren, beteiligten Verlagen oder auch an Veranstaltungsorten. Da geht sicher noch mehr, sobald wir bekannter sind.