Florian Gleibs ist in Berlin-Neukölln geboren und in München-Sendling aufgewachsen. Zusammen mit seinem Bruder hat er gastronomisch schon einiges bewegt in der bayerischen Landeshauptstadt. Als er 1999 mit 28 Jahren das erste "Schmock" aufmachte, war es das erste israelische Restaurant. Der Schriftzug sah hebräisch aus, aber wer Hebräisch lesen konnte, stand vor einem Rätsel. In Wirklichkeit stand da Schmock, nur eben rückwärts.

"Jetzt noch schnell Jude werden"

Lockerer Humor im Umgang mit dem Jüdischen ist so etwas wie sein Markenzeichen. Gleibs hat schicke Szenelokale gegründet, aber eine Zeit lang auch das Restaurant "Einstein" der jüdischen Gemeinde betrieben. Mit seinem Werbe-Slogan "Deutsche, esst bei Juden" hat er früh für einen kleinen Skandal gesorgt.

"Jetzt noch schnell Jude werden" hat er in dieser Tradition als Untertitel für sein Kochbuch gewählt. Auch die Plakate fürs neue "Schmock" im neuen Münchner Volkstheater sind frech und humorvoll: ein Ei im Eierbecher mit Kippa, eine Gabel mit sieben Zinken wie bei einer Menora, oder das Besteck neben dem Teller, das zu Pajes, den Schläfenlocken frommer Juden, gedreht ist. Und unter einem Sterne­restaurant darf man sich beim "Schmock" eines im Zeichen des Davidsterns vorstellen.

So, wie’s bei der Safta schmeckte

In Sachen Marketing ist Gleibs also nicht ganz unbegabt, und natürlich hat er das Kochbuch auch ein wenig für den Fame gemacht, wie er lachend zugibt. Vor allem aber sei das Buch eine gastronomische Bilanz dessen, was er in den letzten gut 20 Jahren habe ausprobieren dürfen. "Die Leute sind mutiger geworden", sagt er, israelische Küche sei heute nicht mehr so exotisch wie 1999:

"Sie ist sogar super im Trend, weil sie vegan ist. Das kannten wir anfangs ja gar nicht."

Das Vegane hat bei Gleibs andere, nämlich arabisch-jüdische Wurzeln: Unter die Mezze-Rezepte in "Shalom Kitchen" hat sich Gleibs’ Großmutter gemischt, "haSafta scheli – meine Oma". Sie wurde nach der Staatsgründung Israels 1948 wie rund 800.000 andere Juden muslimischer Staaten vertrieben. Mit fünf kleinen Kindern floh sie aus Bagdad im Irak.

"Sie saß oft mit ihren Schwestern vor dem Fernseher", erinnert sich Gleibs, "und gemeinsam schauten sie arabische Sender und natürlich Sendungen von arabischen Königshäusern. Es wurde ausschließlich Arabisch gesprochen, Tee getrunken und arabisches Gebäck gegessen, komische Kekse mit Löchern und Dattelmasse im Inneren."

Vertrieben aus der arabischen Welt

Einen Teil seiner Kindheit hat Gleibs in Ramat Gan verbracht, in der Nähe des ultra-orthodoxen Viertels Bnei Brak. Regelmäßig war die ganze Mischpoke (Familie) zum Beginn des Schabbat versammelt. Und die zahlreichen Cousins und Cousinen hatten wenig mehr als Unsinn im Kopf. Zum Beispiel einen regelmäßigen "Freitagabendstreich", von dem Gleibs berichtet: "Wir schlichen uns in diese typischen Tel Aviver Mehrfamilienhäuser, wo die Verteilerkästen sich im Flur befanden und schalteten die Sicherungen aus." Heute findet Gleibs den Streich "natürlich echt fies". Aber so lässt sich in seinem Kochbuch nicht nur lernen, dass fromme Juden am Schabbat keine Elektrizität anschalten dürfen, sondern auch, dass die Pfiffigen deswegen die Glotze oder das Licht schon vor Beginn des Feiertags anschalten und einfach angeschaltet lassen. Wenn nicht jemand die Sicherung herausdreht ...

Mizrachim heißen die arabischen Juden in Israel. Wie Gleibs' Safta kamen viele aus der Vertriebenengeneration nie richtig in Israel an. Die Aschkenasim, die "jiddisch-polnisch-deutschen" Juden gründeten Israel. Sie waren eher links und bildeten lange die Elite des Landes. Die aus der arabischen Welt Vertriebenen mussten sich hinten anstellen. Schon länger sind die Mizrachim aber inzwischen in der Mehrheit. Sie haben das Gesicht Israels verändert – auch politisch. Viele sind eher im Netanjahu-Lager zu finden, andere, wie Gleibs' Mutter, auf der entgegengesetzten Seite.

Kulinarischer Antisemitismus

Nebenbei kann man in dem Kochbuch lernen, was Israel und Griechenland verbindet.

"Griech*innen sind wie Israelis, nur ohne Komplexe",

schreibt Gleibs. In der Küche beider Länder hat die osmanische und arabische Küche tiefe Spuren hinterlassen. Kulinarischer Schmelztiegel Israel – alle, die kamen, brachten ihre Rezepte mit: die Aschkenasim aus Mitteleuropa ihre Latkes (Kartoffelpuffer) und Sufganiot (Krapfen – gibt es jetzt wieder zu Chanukka). Sie dürfen nicht fehlen und fehlen auch in Gleibs’ Kochbuch nicht. Vor allem aber setzen seine Rezepte dem Erbe seiner Safta ein Denkmal.

Nervende Politik

Wer in Deutschland ein israelisches Restaurant aufmacht, bekommt es noch immer mit Judenhass zu tun. "Reicht es nicht, dass ihr unser Land klaut, müssen es jetzt auch noch unsere Rezepte sein?" ist noch die harmlosere Form. Aus deutschen Mündern kommt gern der Vorwurf: "Jetzt tut ihr Juden das, was euch widerfahren ist, den Palästinensern an." Gemeint ist Israel, das beliebteste Ziel des heutigen Antisemitismus. "Willkommen in meiner Welt", sagt Gleibs sarkastisch.

Politik nervt ihn eher. Aus Debatten hält er sich lieber heraus. Er will mit seiner Küche dazu beitragen, dass die Menschen sich besser verstehen und Scheuklappen ablegen:

"Am Ende hat Identität etwas mit Wohlbefinden und Erinnerungen zu tun,"

sagt Gleibs, "und es ist wunderschön, diese an unterschiedlichen Orten zu entdecken."

Florian Gleibs
Der Münchner Gastronom Florian Gleibs.

BUCH-TIPP

"Shalom Kitchen"

Florian Gleibs: Shalom Kitchen – Jetzt noch schnell Jude werden
Levante-Rezepte und Geschichten aus Israel

Edition Michael Fischer, München. 288 Seiten. ISBN 978-3-7459-1210-4. 45,00 €

Arabisch-Israelische Küche at it's best! Authentische Gerichte aus dem Nahen Osten, gewürzt mit Geschichten und Anekdoten aus Israel. Dieses Kochbuch liefert die besten Levante-Gerichte – Klassiker wie Shakshuka, Baba Ganoush, Tabouleh und Hummus, aber auch unbekanntere Kreationen wie Alej Geven, Chamuzim, Papuzakia, Tscholent, Lamm Juvetzki und mehr:  Florian Gleibs, der erfolgreiche Gastronom und Besitzer des Restaurants "Schmock" in München stellt seine Lieblingsrezepte vor, Vorspeisen, Salate, Suppen, Fisch, Fleisch, Vegetarisches und Desserts. Dazu serviert das Kochbuch Geheimnisse und Geschichten (k)eines Küchenchefs: der Autor erzählt aus seiner Kindheit in einer jüdischen Familie und lüftet seine Küchengeheimnisse.