Er sei "ein echtes Bindeglied in unserer Gesellschaft", für Irfan Taufik stehe der "Unterstützungsgedanke an erster Stelle": So begründet die Jury ihre Wahl des Ehrenamtspreisträgers. Die SPD in Nürnberg vergibt diesen Preis jährlich an Institutionen, Gruppen oder Einzelpersonen. Nun hat ihn Irfan Taufik erhalten.

Literatur spielt im Leben Irfan Taufiks eine große Rolle

Im Nürnberger Literaturhaus erzählt Taufik, dass er sich bereits als Jugendlicher im Nordirak ehrenamtlich für andere Kinder einsetzte und ihnen das Lernen leichter machen wollte. Er selbst habe als Schüler gewusst, wie sehr er darauf aufpassen musste, was er in Gegenwart der bewaffneten Lehrkräfte sagte, denn alles konnte zu einer Gefahr für seine Eltern werden.

Er sei als Jüngster von acht Geschwistern in Sulaymania im Nordirak aufgewachsen. Drei Wände des Wohnzimmers seien bis unter die Decke mit Büchern gefüllt gewesen, erinnert er sich. In der Theater- und Künstlerfamilie habe Literatur schon immer eine große Rolle gespielt. Schon als kleiner Junge zog er Bücher aus den Regalen, vor allem Sartre und Camus - auch wenn er sie als Neunjähriger noch nicht verstand, berichtet der heute 46-Jährige.

Die Familie habe auch Bücher von Kommunisten besessen, deren Besitz in der Zeit des Ersten Golfkrieges verboten wurde. Menschen, die sich diesem Verbot widersetzten, seien auf offener Straße erschossen worden oder ihre Häuser angezündet, erzählt Taufik.

"Wir verbrennen keine Bücher",

habe sein Vater gesagt, die Bücher unter der Treppe eingemauert und unter dem Wohnzimmerboden bis zum Sturz des damaligen Diktators Saddam Hussein 2003 versteckt.

Sein Studium von Schauspiel und Regie endet in Taufiks Flucht aus Nordirak

Taufik erinnert sich an seine Kindheit am Theater, an dem auch alle seine Geschwister waren. Sein schauspielerisches Können habe er zum großen Teil von ihnen gelernt, sie und seine Eltern seien seine Vorbilder. Schon als Neunjähriger habe er in einem Theaterstück mitgespielt, bei dem sein älterer Bruder Regie führte, erzählt er. Nicht selten seien Männer vom Geheimdienst zu den Proben gekommen, hätten sich in schwarzen Anzügen, mit Sonnenbrillen und Zigarren vor die Bühne gesetzt, "sie sahen zu und begriffen trotzdem nicht, was vor ihren Augen stattfand", erinnert er sich. Seine Eltern seien Teil des Widerstands gewesen. Alle Stücke seien gelesen und zensiert worden, sagt Taufik.

Nach der Schule habe er Schauspiel und Regie studiert und sich selbst am Aufbau eines künstlerischen und regimekritischen Netzwerks beteiligt. Immer wieder habe er fliehen müssen, aber oft wieder zurückkehren können. Nachdem Saddam Hussein 1996 befohlen hatte, den Nordirak erneut anzugreifen und alle Männer in Haft zu nehmen, sei er endgültig aus dem Nord-Irak geflohen - "ganz blind", ohne zu wissen, wo und ob er überhaupt ankommen würde.

Fluchterfahrungen werden in seinem Theaterstück verarbeitet

Seine Fluchterfahrung hat Irfan Taufik in einem Theaterstück verpackt, mit dem er jetzt in Schulen auftritt. Er spielt allein "Der Luftballon mit der blonden Perücke", hat lange überlegt, ob er diese traumatischen Erfahrungen überhaupt teilen kann und sich letztendlich dafür entschieden. Er will Themen wie Flucht auf diesem Weg immer wieder ins Gespräch bringen, erklärt der Schauspieler. Er spielt die Flucht in die Türkei, stellt die Überfahrt nach Griechenland dar, die Aufenthalte in Flüchtlingslagern und die Ankunft in Deutschland. Die Proben seien intensiv gewesen, hätten ihm aber dabei geholfen, seine Erfahrungen zu verarbeiten, erzählt er.

Ehrenamtliche Arbeit Irfan Taufiks wird mit Ehrenamtspreis ausgezeichnet

Neben zahlreichen Projekten an Nürnberger Theatern hat Taufik ehrenamtlich die künstlerische Leitung des "Theaterlabors", einem interkulturellen Ensemble aus professionellen Schauspielern und Semi-Professionellen, übernommen. Vor allem für Jugendliche mit Fluchterfahrungen stelle das Theaterlabor Nürnberg einen geschützten Rahmen dar, in dem sie sich öffnen und ausprobieren, die deutsche Sprache lernen, Ängste überwinden und Talente entdecken können, erklärt der Vater zweier Kinder.

Er unterstützt auch geflüchtete Menschen bei Behördengängen und gibt ihnen Informationen. Selbst, wenn er nachts angerufen werde, höre er gern zu und versuche, Dinge schnell zu organisieren, sagt Taufik. "Es wäre egoistisch, wenn man nur für sich lebt".

Durch seinen Mut und sein ehrenamtliches Engagement sei er "für viele Menschen in unserer Stadt eine große Stütze und ein wirkliches Vorbild" geworden, lobt ihn der SPD-Vorsitzende Nasser Ahmed.

"Man schafft es, wenn man will",

sagt Taufik jungen Menschen mit Fluchterfahrungen, damit sie nicht aufgeben. Er wünscht sich, dass sie erreichen, was sie sich vorgenommen haben und dass sie so wieder zu Vorbildern für andere werden. Begegnungen sind wichtig, betont er, "so kann man mehr Akzeptanz und ein gesellschaftliches Miteinander schaffen".