Herr Ammon, Sie wurden erst im Ruhestand auf das Thema Markgrafenkirchen aufmerksam. Was hat Sie daran bis heute so fasziniert?

Johannes Ammon: Ich lebe im Ruhestand im Landkreis Roth, und dieser gehörte historisch überwiegend zum Markgraftum Ansbach. Vom  Markgrafenstil geprägte Kirchen liegen deshalb sozusagen vor meiner Haustür. Es ist immer wieder beeindruckend, diese Gotteshäuser aufzusuchen, in ihnen zu verweilen, und sich dann mit  ihrer Geschichte und ihrer besonderen Architektur zu befassen. Mit ihren von der lutherischen Theologie geprägten Innenräumen, bei denen insbesondere die Kanzelaltäre ins Auge fallen, sind sie großartige Zeugnisse des ehemaligen markgräflichen Kirchenwesens. Man muss dabei wissen, dass der Markgraf nicht nur das weltliche, sondern zugleich das kirchliche Oberhaupt in seinem Herrschaftsgebiet war. Er wusste sich deshalb in der Verantwortung für die geistliche Versorgung seiner Untertanen, und dieser Verantwortung kam er unter anderem dadurch nach, dass er Pfarrer anstellte und Kirchen bauen ließ.

Die Markgrafenkirchen im Kirchenkreis Bayreuth haben eine breite Lobby, die im Ansbacher bislang nicht. Warum wollten Sie das ändern?

Johannes Ammon: Die Ansbacher Markgrafenkirchen stehen in ihrer Bedeutung denen in Bayreuth nicht nach, und deshalb wäre es doch wunderbar, wenn die Kirchen in unserem Raum eine vergleichbare Beachtung fänden. Wenn hier etwas bewegt werden soll, darf aber nicht übersehen werden, dass die Ansbacher Kirchen einen erheblichen strukturellen Nachteil haben. Anders als die Bayreuther Kirchen, die fast alle innerhalb des Kirchenkreises Bayreuth liegen, sind unsere Kirchen auf die drei Kirchenkreise Ansbach, Nürnberg und Augsburg verteilt. Das ist für eine Lobbyarbeit und überhaupt für eine gemeinsame Werbestruktur alles andere als förderlich. Sollte aber es dennoch gelingen, hier eine die drei Kirchenkreise umgreifende Öffentlichkeitsarbeit ins Leben zu rufen, dann hat man nicht nur diesen Kirchen einen Dienst erwiesen, sondern hat auch geholfen, der theologischen bzw. geistlichen Botschaft, für die diese Kirchen stehen, einen Raum zu schaffen. Man hätte also auch missionarisch gewirkt.

Es heißt, Ansbacher Markgrafenkirchen seien an den französischen Barock, die Bayreuther an den italienischen angelegt. Woran sieht man diese Unterschiede?

Johannes Ammon: Wenn man die Ansbacher Markgrafenkirchen mit denen von Bayreuth vergleicht, dann fallen zuerst nicht die Unterschiede auf, sondern die Gemeinsamkeiten. Hier wie dort sind diese Kirchen dem Barock, also derselben kunsthistorischen Epoche, verpflichtet, weshalb sie hier wie dort in vielem gemeinsame Stilmerkmale haben. Innerhalb dieser einigenden Klammer kam es dann aber zu den Unterschieden, nach denen Sie fragen. Die Ausrichtung am französischen Barock hat für Ansbach zur Folge, dass die Kirchen hier in ihrer Gestaltung erheblich strenger, man könnte auch sagen klarer oder nüchterner sind. Die Linien sind weniger geschwungen, und auch bei den bildlichen Darstellungen ist eine größere Zurückhaltung erkennbar. Bayreuths Orientierung an den italienischen Vorbildern hingegen führte dazu, dass die dortigen Kirchen bewegter und heiterer wirken. Sie stehen dadurch in einer gewissen Nähe zu den katholischen Barockkirchen.

Gleich 17 solcher Kirchen stehen im Landkreis Roth. Woher rührt diese Dichte?

Johannes Ammon: Das erklärt sich aus einerseits der regionalen Siedlungsstruktur und andererseits aus der historischen Bedeutung des Kirchenwesens. Der Landkreis Roth ist weithin ländlich geprägt, das heißt man findet hier eine Vielzahl von Dörfern, und ein jedes dieser Dörfer hatte traditionell eine Kirche als Mittelpunkt. In der damaligen Epoche war das jeweilige Pfarramt nicht nur für die geistlichen Aufgaben zuständig, sondern erfüllte auch viele Verpflichtungen, die heute durch weltliche Behörden wahrgenommen werden. Zum Beispiel war das Standesamtswesen an die Kirche gebunden; nur hier wurden Geburt, Eheschluss und Tod dokumentiert. Auch das Schulwesen wurde vom örtlichen Pfarrer verantwortet. Weil im Dreißigjährigen Krieg in unserer Region viele Kirchen zerstört worden waren, bestand hier im 18. Jahrhundert ein großer baulicher Nachholbedarf. Den Markgrafen war es, nicht nur wegen der Kirchlichkeit, sondern auch wegen der anderen genannten Aufgaben, und auch aus Gründen der Repräsentation, ein Anliegen, hier auch äußerlich, d.h. durch eine entsprechende kirchliche Bautätigkeit, wieder Beständigkeit zu erlangen. Die daraufhin errichteten Kirchen haben heute nicht nur eine religiöse, sondern auch eine große kulturlandschaftsprägende Bedeutung.

Haben Sie ein paar Ausflugstipps für kircheninteressierte Touristen?

Johannes Ammon: Ein sowohl landschaftlich reizvolles wie kirchlich interessantes Gebiet ist das sogenannte "Land um Stauf" im Süden des Landkreises. Dieses war historisch eine von anderen Herrschaftsgebieten umgebene, kleine ansbachisch-markgräfliche Landinsel, unter anderem mit den Orten Thalmässing und Eysölden; der Ort Stauf liegt im Sattel einer Anhöhe zwischen diesen beiden Orten, die durch einen sieben Kilometer langen Wanderweg miteinander verbunden sind. In Thalmässing gibt es gleich zwei Markgrafenkirchen, und die Eysöldener Kirche hat unter anderem deshalb Bedeutung, weil dort die Oberamtmänner, also die örtlichen Statthalter des Markgrafen, zum Gottesdienst gingen; für sie sind vorne im Kirchenraum zwei Herrschaftsstände eingebaut. Wer die Gegend per Fahrrad erkunden will, kann von Thalmässing Richtung Hilpoltstein auf dem sogenannten "Gredl-Radweg", einer umgestalteten ehemaligen Lokalbahntrasse, nach Alfershausen fahren und dort die markgräfliche Martinskirche besuchen; in unmittelbarer Nähe der Kirche gibt es mit dem Gasthaus "Goldener Ochse" eine gute Möglichkeit einzukehren. Der "Gredl-Radweg" führt dann weiter in die Nähe des Dorfes Tiefenbach, wo sich die ebenfalls sehenswerte, kleine markgräfliche Christuskirche befindet.

Johannes Ammon (rechts)
Johannes Ammon (rechts) mit seinem Bruder. Der Ruhestandspfarrer hat die Ansbacher Markgrafenkirchen genauer erkundet.