"Es gibt nichts, was so unsichtbar wäre wie Denkmäler": Für diesen Satz des Dichters Robert Musil (1880-1942) finden sich wohl in jeder Stadt Beweise. Mahnmäler und Denkmäler werden gegen ihren Sinn vergessen, verkommen zum Schandfleck oder wachsen zu. In Bayreuth versteckt sich ein KZ-Denkmal hinter Werbetafeln für Sonderangebote, Orlando di Lasso auf seinem Sockel in München wird nicht beachtet und an welchem Ort ist Walther von der Vogelweides Grab in Würzburg? - Die Würzburger antworten mit Achselzucken.  

Denkmal zwischen Parkhäusern

In Nürnberg gibt es einen "Platz der Opfer des Faschismus", den keiner kennt, ein Zwangsarbeiter-Denkmal, das kaum einer sehen kann, oder ein Kriegerdenkmal zwischen Parkhäusern. Schülerinnen und Schüler eines Praxis-Seminars im Fach Geschichte am Neuen Gymnasium in Nürnberg haben sich für diese Orte und für die Ehrenhalle am Luitpoldhain und die Zeppelintribüne interessiert und sind auf Spurensuche gegangen.

"Denkmalkultur ist auf dem absteigenden Ast", stellt ihre Geschichtslehrerin Sabine Buxeder fest. Sie gehört der "Landesarbeitsgemeinschaft Architektur und Schule" an, die zum Europäischen Kulturerbejahr 2018 an den Schulen das Thema "Lost Traces - eine baukulturelle Spurensuche" angeregt hat.

Römische Geschichte unterm Sportplatz

Buxeders P-Seminar hat sich fünf ausgewählte Nürnberger Gedenkorte vorgenommen, die nicht allzu weit von ihrem Gymnasium entfernt liegen. In Regensburg hat sich eine Klasse des Albrecht Altdorfer Gymnasiums mit der römischen Geschichte unter dem eigenen Sportplatz beschäftigt. Vergessene Orte in und um Kempten haben Jugendliche aus dem Allgäu-Gymnasium gesucht, im unterfränkischen Hofheim haben Realschüler ihre Stadttore bewusst angeschaut und ein "Fest der Tore" mit gestaltet.  

"Tatata!!" - im Klassenzimmer in Nürnberg öffnet Lehrerin Buxeder ein braunes Paket und zieht daraus mit Schwung ein graues T-Shirt. Der blaue Druck auf dem Rücken: "DenkMal drüber nach". In der Schachtel sind T-Shirts für alle elf Kursteilnehmer. Sie werden die Shirts tragen, wenn sie ihr Projekt zum Europäischen Kulturerbejahr am 30. Juni in der Öffentlichkeit in Nürnberg vorstellen.

Erinnerung an NS-Zwangsarbeiter

Lara Thiel, klein, auffällige Brille, lange braune Haare, wird dann in der U-Bahnstation Plärrer stehen. Zuvor will sie noch von den Verkehrsbetrieben die Erlaubnis holen, Aufkleber auf die Stufen im Bahnhof zu pappen. Die Sticker sollen dann die Fahrgäste aufmerksam machen, dass sich das Mahnmahl für die Zwangsarbeiter während der Zeit des Nationalsozialismus über ihren Köpfen befindet. 3.000 kleine Figuren aus Aluminium hat der Münchner Bildhauer Hermann Pitz für sein Werk "Transit" zusammengeschweißt. Die Skulptur ist am U-Bahnhof seit 2007 ober- und unterirdisch zu sehen, fällt aber weder über noch unter der Erde groß auf.

"Wenn man es weiß, ist die Botschaft klar", erklärt Lara. "Im Strudel der Unterdrückung bilden die Figuren eine Einheit und halten zusammen". Über die 20-jährige Entstehungsgeschichte des Mahnmals und das Kunstwerk selbst wird sie in stündlichen Vorträgen jede volle Stunde referieren.

"Viktoria mit dem Siegeskranz steht im Weg"

Am Köpfleinsberg mitten in Nürnbergs City wird Julius Engelhardt im Einsatz sein. Dort erinnert eine Säule an den deutsch-französischen Krieg von 1870/71. "Die steht im Weg und jeder läuft daran vorbei", beschreibt der 16-Jährige das etwa zehn Meter hohe Mahnmal, auf dem Viktoria mit Siegeskranz thront. Julius ist überzeugt, dieses Denkmal muss dort stehenbleiben, denn wie in jedem Krieg hätten Menschen ihr Leben gelassen und Nachfahren wollten sich ihrer erinnern. "Man könnte es aber verändern und anders gestalten, damit es Gedankenanstöße gibt", schlägt er vor.

Seine Kursleiterin Sabine Buxeder wünscht sich Visionen für alle fünf Gedenkorte nicht nur von den Jugendlichen, sondern von den Nürnbergern. Sie sollen am 30. Juni mit den Jugendlichen gemeinsam ihre Fantasie sprudeln lassen. "Wir wollen von ihnen wissen, braucht es das noch oder wie soll man mit dem Gedenken in Zukunft umgehen."