Von Rügen bis zum Bodensee zieht sich über knapp 3.000 Kilometer und durch zehn Bundesländer die Deutsche Alleenstraße.
Sie wird vom ADAC touristisch beworben. Dabei hatte der Automobilclub in den 60er Jahren mit einer Kampagne gegen die Alleen mobil gemacht: Die Bäume waren den Autofahrern im Weg.
Heute rät er: "Bleiben Sie unter 80 km/h, gehen Sie vor Kurven auf 60 km/h herunter." Das Unfallrisiko ist noch immer da, aber auch die Autolobby hat den kulturhistorischen Wert der beidseitig von Bäumen gesäumten Straßen erkannt.
Der "Tag der Allee"
Alte Alleen bieten Tieren Lebensraum und prägen Landschaften. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, die Alleenschutzgemeinschaft und die Arbeitsgemeinschaft Deutsche Alleenstraße rufen seit 2008 jährlich am 20. Oktober einen "Tag der Allee" aus.
Dann wird auch der Sieger des Fotowettbewerbs "Allee des Jahres" prämiert. Voriges Jahr war es die "Rosskastanienallee von Eickelberg nach Eickhof" nahe Rostock in Mecklenburg-Vorpommern, aufgenommen im Frühnebel.
Alleen in Brandenburg
Die meisten Alleen stehen im Nachbarbundesland, in Brandenburg. Schon der Dichter Theodor Fontane (1819-1898) hat sich in diesen grünen Tunneln "geborgen" gefühlt.
In seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" beschrieb er, welche Wohltat es sei, "unter prächtigen alten Linden" zu lustwandeln oder auf einer Straße, "deren junge Ebereschen in roter Pracht stehen".
"Noch heute gibt es 4.500 Kilometer Alleen in Brandenburg - von deutschlandweit 23.000", sagt Jürgen Peters vom Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.
Er hat die Alleen gerade erst kartiert, das Projekt wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt unterstützt. "Mecklenburg-Vorpommern steht mit 4.200 Kilometern an zweiter Stelle, Sachsen-Anhalt mit 2.800 an dritter", sagt Peters.
Hinzu kämen 88.000 Kilometer "einseitige Baumreihen", die früher vermutlich Alleen gewesen seien.
Die Geschichte der Allee
Alleen als Wegachsen waren zur Zeit des Barock aufgekommen, als im 17. Jahrhundert der Gartenarchitekt André Le Nôtre auch die Gärten von Versailles geometrisch gestaltete.
Das Wort "Allee" leitet sich vom französischen Verb "aller" ab, zu deutsch: "gehen". Mit perspektivischen Baumreihen ließ sich der Raum beherrschen.
Diese grüne Machtdemonstration lässt sich noch heute beispielsweise im "Fürstenlager" der ehemaligen Darmstädter Herzöge an der südhessischen Bergstraße besichtigen: Dort stehen die Pyramidenpappeln geradezu soldatisch Spalier.
Später wurden Alleen in den Städtebau übernommen, in einstigen Wallanlagen oder um historische Altstädte mit Vorstädten zu verbinden. Auf dem Land nutzten die Bauern Alleenbäume, um sich mit Obst und Brennholz zu versorgen.
Historische Persönlichkeiten über die Allee
Der junge Dichter Heinrich Heine wanderte am 2. Oktober 1824 von Jena zu seinem Weimarer Idol Goethe durch "eine Allee hübscher Bäume, worauf Pflaumen wachsen, die sehr gut schmecken".
Preußens König Friedrich Wilhelm IV. ordnete in seinem Alleen-Erlass von 1841 an, "aufs Strengste darauf zu achten, dass das Lichten und Aushauen prachtvoller Alleen künftig durchaus unterbleibe".
Auf Geheiß des Preußenkönigs Friedrich II. wurden im 18. Jahrhundert auf Maulbeerbaum-Alleen sogar Seidenraupen gezüchtet."Dafür war es bei uns aber zu kalt", sagt Katharina Dujesiefken vom BUND Mecklenburg-Vorpommern.
Alleen heutzutage
"Heute werden vor allem Platanen, Spitzahorne und Resista-Ulmen nachgepflanzt, auch Elsbeeren und Mehlbeeren", erklärt sie und schränkt ein: "Rosskastanien wegen des Pseudomona-Bakteriums nicht mehr. "
Noch immer säumen in historischen Alleen vor allem alte Linden und Eichen die Straßen. Pyramidenpappeln krönen den Dammweg, der die Bodensee-Insel Reichenau mit dem Festland verbindet.
"Die Allee ist ein zeitgemäßes Element der Landschaft: Beschattung, Windschutz, Erosionsschutz. Das ist wichtig für offene Agrarlandschaften", sagt Jürgen Peters. Sie unterstützten auch die Biotop-Vernetzung von Fledermäusen und Vögeln.
Gefahr für die Verkehrssicherheit
Viele Alleenbäume werden aber immer noch gefällt, allein in Sachsen waren es in den Jahren 2017/18 insgesamt 16.000. Für die Verkehrssicherheit stellen sie vielerorts ein Problem dar, das Sonnen-Schattenspiel unter den Baumkronen erschwert die Sicht.
"Von den 3.300 Verkehrstoten im Jahr gehen 16 bis 18 Prozent auf das Konto der Bäume", sagt Dujesiefken.
Heute gilt in Deutschland: Bei Nachpflanzung in bestehenden Alleen muss ein Baum 4,50 Meter von der Fahrbahn entfernt gesetzt werden, bei Neuanlage von Alleen 7,50 Meter.