Wer schon einmal in einer Kirche war, hat ein klares Bild der klassischen Orgel vor Augen. Ein riesiges, uraltes Instrument, das auf der Empore thront und Patina atmet. Aber natürlich werden nach wie vor neue Orgeln gefertigt. Mitunter an ungewöhnlichen Orten: In einem unscheinbaren mehrstöckigen Wohnhaus in einer Seitenstraße in München-Sendling etwa hat die Münchner Orgelbau-Werkstatt Johannes Führer ihr Zuhause. Wer hier zu Besuch kommt, muss eine Treppe hinab. Hinter einer schweren Metalltür liegen die Kellerräume, in denen brandneue Orgeln entstehen. Derzeit unter anderem das neue Instrument für die evangelische Kirche von Kochel.

Einlass gewährt hier Stefan Neumeier. Der Orgelbauer arbeitet in der Werkstatt gewissermaßen an einem kleinen Stück Ewigkeit: "200 Jahre plus x", so schätzt Neumeier die Lebensdauer der Instrumente aus der Werkstatt ein. In einem rund fünf Meter hohen Raum mit Tageslichtfenstern steht das gute Stück für Kochel an diesem Oktobernachmittag. Zu sehen ist ein zweiteiliger Kasten aus hellem, gewachsten Ahorn-Holz. Die untere Hälfte hat schon das Manual – die "Klaviertasten" – und die ersten Registerzüge verpasst bekommen. Die obere Hälfte ist derzeit vor allem: ein leerer, von Holzlatten umspannter Raum. Hier sollen später die Pfeifen eingesetzt werden.

Feinarbeit mit Augenmaß

Die gute Nachricht vorweg: Die Kocheler Orgel liegt laut Neumeier "absolut im Zeitplan". "Es gibt bei so einem Projekt immer einen Moment, an dem man denkt: ›puuuhh ...‹, aber es klappt doch immer", sagt er fröhlich, mit seinen 30 Jahren Berufserfahrung im Rücken. Noch gut vier Wochen wird die Orgel in der Werkstatt in Münchens Süden verbringen. Und dabei sogar das erste Mal klingen. Denn der erste Test wird noch in der Werkstatt vorgenommen. Dann heißt es: alles auseinanderbauen und im Kirchenraum neu zusammensetzen. Für den ersten Advent ist die Einweihung in Kochel geplant.

Wenn es so weit ist, werden Neumeier und zwei weitere Kollegen satte fünf Monate an der Orgel gearbeitet haben. Bis auf die Metallpfeifen, die extern zugeliefert werden, werden alle Bestandteile der Orgel im Münchner Keller gefertigt. Tatsächlich ist die Vorlaufzeit sogar noch viel länger: Gespräche mit dem Kirchenvorstand und den Kirchenmusikern, finanzielle Verhandlungen, Besichtigungen vor Ort, eine Ausschreibung, mehrwöchige Arbeiten an den Zeichnungen nennt Neumeier als wichtigste Stationen. Alles zusammen nehme meist mehrere Jahre in Anspruch.

Winzige Nuancen verändern den Klang

Auch aktuell gibt es für die junge Orgel noch einige heikle Momente zu überstehen. Vor allem die "Maßgenauigkeit" sei eine Herausforderung, sagt Neumeier. Die Mechanik gebe dem Organisten später ein gutes oder schlechtes Spielgefühl. Dabei brauche es Augenmaß: "Wenn man zu ›genau‹ baut und es später im Kirchenraum feucht ist, können zum Beispiel die Registerzüge klemmen. Das will man natürlich nicht." Und auch beim Einsetzen und Justieren der Orgelpfeifen kommt es auf winzigste Nuancen an. Für diese Frage gibt es ebenfalls einen Experten im Team, den Intonateur Andreas Pörtinger. Auf ihn wartet viel Arbeit: Auf den Testlauf in der Werkstatt folgt ein zweiter in der Kirche. Denn ein komplexes Instrument wie die Orgel könne in jedem Raum anders klingen, betont Neumeier.

Ob man am Ende eine Art "Beziehung" zur Orgel hat – und sie eventuell sogar "besuchen" kommt? "Absolut!", antwortet Orgelbauer Neumeier. "Alleine schon, weil man so viel Zeit miteinander verbracht hat." Spätestens zur Einweihung will er nach Kochel fahren und dem Klang des Instruments am Bestimmungsort lauschen.

Wenn das Team der Orgelbauer seine Arbeit vollendet hat, wird der Klang der Kocheler Orgel übrigens auch – fast wie im Klischee – ein Stück Patina beinhalten. Denn in das neue Instrument werden auch zwei Register ihrer Vorgängerin übernommen. Ein Hauch Ewigkeit ist also von Anfang an im Orgel-Sound dabei. Und wenn alles gut läuft, hält er dann für 200 Jahre – plus x.