Monika Nagel war eine junge Frau, als ihr Vater Luis Rauschhuber im Mai 1973 starb. Die Erinnerung an die Kindheit und das Leben im Wohn- und Atelierhaus im Nürnberger Stadtteil Ziegelstein sind aber allgegenwärtig.

"Ich habe ihm oft geholfen, nicht nur als Handlangerin. Auch, wenn die schweren Steinskulpturen mithilfe von Rundhölzern über den Boden zum Abtransport geschoben wurden, wie das schon die Ägypter taten", kommt sie ins Schwärmen.

"Die Nachbarn haben ganz schön was mitmachen müssen", lacht sie, wenn sie an die Tage voll Hämmerns und Schleifens denkt, die im Haushalt Rauschhuber üblich waren.

Ihr Vater sei ein Rastloser gewesen. Beseelt von seiner Gabe, aber auch von einer tiefen Religiosität, die sich in einer künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Menschen und Gott zeigte. Sein Glaube habe ihn inspiriert, mit seiner Kunst habe er Hoffnung und Trost schenken wollen. Plastiken von Heiligen oder Madonnen wirken freundlich und warm. Der Gekreuzigte, der am Eingang zum Nürnberger Johannisfriedhof hängt, blickt nicht weltabweisend, sondern geradezu gelassen. Sein eigenes Grab dort hat der Künstler mit einem Epitaph verziert, das Engel mit erhobenen Armen in Bewegung zeigt, als ob sie zur Auferstehung rufen.

Kindheit macht tiefes Gottesvertrauen nicht offensichtlich

Seine Kindheit war wahrlich keine, die ein solch tiefes Gottvertrauen offensichtlich macht: 1904 in München geboren, wuchs Luis Rauschhuber als Vollwaise bei seinen Großeltern auf, wo er in der Land - und Waldwirtschaft kräftig mitarbeiten musste. Als er 15 Jahre alt war, starb sein Großvater, ein Jahr später die Großmutter. Eindrücke, die zum Thema vieler seiner Arbeiten wurden, aber auch zu Glaubenserlebnissen führten.

1924 kam er zu seiner Tante nach Nürnberg, wo der junge Mann von den vielen Kirchen, Plastiken und architektonischen Schönheiten derart angezogen wurde, dass er beschloss, Bildhauer zu werden. Seine Studien führten ihn an die Akademie der bildenden Künste nach München zu Professor Karl Killer. Nach Studien in Düsseldorf, Duisburg, Berlin und Breslau kehrte er Mitte der 1930er-Jahre wieder nach Nürnberg zurück, wo er ab 1936 als freier Bildhauer tätig war.

Öffentliche Aufträge erhielt er wenige, da sein Schaffen mit den Ideen des Nationalsozialismus nicht kompatibel war.

Monika Nagel hat eine stattliche Liste mit Werken ihres Vaters zu einem Rundgang durch Nürnberg zusammengetragen. Allein in der Innenstadt finde man ein gutes Dutzend Werke - auch in weltlichen Räumen wie die von ihm gestaltete Wand im Finanzamt Süd oder seine letzte Großplastik "Der leidende Mensch" im Nordklinikum. Von Pietas über Auferstehungs- und Triumphkreuzen bis zu Hauszeichen oder Osterleuchtern hat Rauschhuber in den Stadtteilen seine Spuren hinterlassen. Übrigens, auch weit über Nürnberg hinaus: Auch in Ansbach, Bayreuth, Erlangen, Hof, München oder Würzburg, wo Rauschhuber eine Zeit lang lebte, gibt es Arbeiten zu sehen.

Präsent, aber vergessen

Pfarrerin Barbara Städtler-Mach wurde erst in jüngerer Vergangenheit durch ihre Freundin Marie-Louise Meyer-Harries, Kirchenführerin an St. Lorenz, auf Rauschhubers Werk und das theologische Programm dahinter aufmerksam.

"Während andere Nürnberger Künstler des 20. Jahrhunderts in der kulturellen Erinnerung präsent sind, sind Person und Werk Rauschhubers in Vergessenheit geraten. Dabei sind viele seiner Werke im öffentlichen Raum und in sakralen Räumen Nürnbergs zu finden", erklärt die ehemalige Präsidentin der Evangelischen Hochschule Nürnberg.

Das wolle sie ändern. Die Kirche St. Johannis und der Johannisfriedhof sind am Freitag (5. Mai, 17 Uhr) Schauplatz eines Gedenkgottesdienstes zum 50. Todestag des Künstlers mit anschließender Führung zu seinen Werken.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden