Der Urknall, so die gegenwärtige Vorstellung der Fundamentalphysik, markiert den Ursprung unseres Universums. Die Erforschung dessen, was in den ersten Sekunden nach diesem schicksalhaften Ereignis geschah, motiviert und inspiriert die kreativsten Köpfe der Wissenschaft zu immer neuen technischen Meisterleistungen und zum Bau von Maschinen, deren Komplexität nur durch kollektive Synergien und durch breitbandige internationale Kollaboration tausender Wissenschaftler zu konstruieren, kontrollieren, und zu beherrschen ist.

Diese Meisterleistungen menschlicher Kreativität finden gegenwärtig ihren Kulminationspunkt im komplexesten Messinstrument, das je gebaut und erfolgreich in Betrieb genommen wurde, dem Large Hadron Collider (LHC), einem etwa 27km langen, ringförmigen Teilchenbeschleuniger, der mit einer Repetitionsrate von 40MHz Protonenpakete mit Energien von 14TeV, nahe Lichtgeschwindigkeit, zur Kollision bringt.

CERN: Tim Berners-Lee entwickelt das Internet

Dieser wird am europäischen Kernforschungszentrum CERN (Conseil European de la Recherche Nucleaire) betrieben, und erforscht Physik, die bei Energien und Temperaturen stattfindet, welche kurz nach dem Urknall herrschten. Mit solchen Instrumenten wird versucht offene fundamentale Fragen der Wissenschaft zu beantworten, wie etwa das Zustandekommen eines materiedominierten Universums, den gemeinsamen Ursprung der uns bisher bekannten Wechselwirkungen, der Suche nach neuen bisher unbekannten Wechselwirkungen, die Frage nach dem Ursprung der "dunkeln Materie" etc.

Bei solchen Hochenergiephysik-Experimenten fallen einerseits ungeheure Datenmengen an, andererseits erfordert die Koordination von so komplexen Projekten kontinuierlichen, effizienten Austauschen der involvierten Kollaborateure. Um einen solchen Austausch möglichst effektiv zu gestalten, entwickelte der CERN-Wissenschaftler und IT-Spezialist Tim Berners-Lee in den späten 80er und frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts eine damals neuartige Kommunikations-Technologie, welche das Vernetzen von Computern und den Austausch von Daten zwischen den sich im Netzwerk befindlichen Rechnern ermöglichen – das World Wide Web.

Heute etwa 1,5 Milliarden Webadressen

Die erste Website am CERN – und weltweit – war dem World Wide Web-Projekt selbst gewidmet und wurde auf dem NeXT-Computer von Berners-Lee gehostet. Am 30. April 1993, heute vor 30 Jahren, machte CERN die World Wide Web-Software gemeinfrei. Später stellte CERN eine Veröffentlichung mit einer offenen Lizenz zur Verfügung, ein sicherer Weg, um seine Verbreitung zu maximieren.

Diese kooperative Organisation und Verteilung der neuen Protokolle als "Open Source Code" ließen das Web gedeihen und exponentiell anwachsen, bereits 1995 waren schätzungsweise 20.000 Webadressen aktiv, heute sind es etwa 1,5 Milliarden. So wurde von Physikern, inspiriert durch den Wunsch nach wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn, das heute nicht mehr wegzudenkende, international verbindende Informationsmedium geschaffen, welches das Internet heute darstellt.

Mit der Erfindung des World Wide Web hat die Fundamentalphysik damit wichtige erste Beiträge zur Entstehung des Informationszeitalters geleistet, welches den Menschen in allen Lebensbereichen neue Möglichkeiten eröffnet. Es hat die Weiterentwicklung der Menschheit geprägt und verändert, und sie, wie kaum ein anderes Medium zuvor, signifikant beschleunigt - ganz im Geiste der Hochenergiephysik.

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