Idiome sind das, was Sprachen unverwechselbar macht, sozusagen das Salz in der Ausdruckssuppe.

Regnet es bei den Briten Katzen und Hunde, sind es bei uns Bindfäden. Oder es schüttet wie aus Kübeln. Manche dieser oft unverwechselbaren Redewendungen sind Generationen alt. Bei anderen kann man quasi zusehen, wie sie sich verbreiten.

"Ganz nett ist der kleine Bruder von..." ist so ein Idiom neueren Datums, wobei die Pünktchen für eine Sach- oder eine Personenbezeichnung stehen, die beide nicht so ohne Weiteres in der Zeitung stehen sollten.

Das arme Wörtchen "nett" hat einen schleichenden Niedergang seines Werts erlitten. Vielleicht der Grund, warum Jugendliche heute immer häufiger das englische Nett-Pendant "nice" verwenden, um zu würdigen, was sie tatsächlich nett oder schön finden.

Mit dem Wert von Wörtern kann es in beide Richtungen gehen. Das zeigt die Geschichte des englischen Worts für Königin: Die "Queen" stammt aus der gleichen Wurzel wie das nordische Wort "kvinna", das weiterhin einfach nur Frau oder Eheweib bedeutet. Mit "quean" (leider akut vom Aussterben bedroht) kennt das Englische noch einen weiteren Wortspross aus diesem Stamm. Er bedeutet Flittchen, leichtes Mädchen, Prostituierte.

Bei nett und nice verhält es sich in Sachen Wertveränderung ähnlich widersprüchlich: Nett ist ein lange zurückliegender Import aus Frankreich. "Net" (verwandt mit "netto") bedeutet dort "rein, sauber, höflich".

Es stammt aus dem lateinischen Verb "nitēre", das "glänzen, blinken, strahlen" bedeutet. Sauberer Fall von unverdientem Abstieg!

"Foris nitent, introrsus misera sunt – außen glänzen sie, aber im Innern sind sie erbärmlich", wusste der römische Philosoph und Politiker Seneca (1-65). Leider trifft das auch für den Nett-Ersatz "nice" zu.

Der stammt ebenfalls aus dem Lateinischen und hat seinen Weg über Frankreich ins Englische (und zu uns) gefunden. Allerdings ist "nice" ein Abkömmling von "nescire" (nicht wissen, unwissend sein) und "­nescius" (ignorant).

Es gehört zu den großen Wundern der Sprachgeschichte, wie sich dieses Wort von seiner Bedeutung "närrisch, dumm, frivol, ungeschickt, ahnungslos" über "pingelig", "delikat" und "zierlich" bis ins heutige "freundlich", "angenehm" (inklusive des denglischen "nice") verwandeln konnte.

Welch ein Aufstieg! Was für eine Karriere! So nice!