Maximale Aufmerksamkeit gab es für etwas, das anders war als der Status quo: Säbelrasseln und Machtpoker bei der Union, Einigkeit und Geschlossenheit bei den Grünen. Als Wähler konnte man sich nur die Augen reiben. Was war das? Die beiden Parteien lösten die interne Machtfrage methodisch diametral entgegengesetzt zu ihrer üblichen Kandidatenfindung. In Wahl-Arithmetik übersetzt: Wer etwas Wildes will, muss im September Union wählen.

Wer eher die stille Seriösität bevorzugt, dem machen die Grünen ein passendes Angebot.
Mit der Kür von Baerbock haben die Grünen ihr machttaktisches Meisterstück hingelegt. Zwei gleich starke Parteivorsitzende haben die Sache unter sich geregelt und festgelegt, wann die Entscheidung mitgeteilt wird. Nichts dringt vorher nach draußen. Die einst zwischen Fundis und Realos zerstrittene Partei wartet demütig die Entscheidung ihrer Parteispitze ab – als wäre sie die bessere CDU.

Auf Kosten der innerparteilichen Demokratie wurde die Regierungsmacht bewahrt

Doch diese inszenierte Geschlossenheit hat auch ihren Preis. Die CDU ist unter ihrem Mantra der Geschlossenheit mit eisernem Regiment zusammengehalten worden, um die Regierungsmacht zu bewahren – auf Kosten der innerparteilichen Demokratie. Jahrzehntelang war sie der Kanzlerwahlverein. Dadurch ist der Druck im Kessel immer weiter angestiegen. Die Risse hat man nicht sehen wollen. Sie flogen Laschet um die Ohren in dem Moment, in dem eine Kraft von außen kräftig hineinstieß.

Markus Söder, der nun offiziell zurückgezogen hat, hat das Dilemma benannt und der großen Schwesterpartei einen neuen Politikstil, eine liberalere Methode der Kandidatenkür aufs Auge gedrückt – ob er das auch ohne seine besseren Umfragewerte getan hätte, sei dahingestellt. Aber Parteien sind kein monolithischer Block. In ihnen sollte diskutiert, argumentiert und um einen demokratischen Konsens gerungen werden. Das ist erst nach Söders Intervention geschehen. Die Union wird sich in Zukunft auf ein transparenteres Verfahren einigen müssen.

Das Geheimnis der Grünen

Parteien dürfen das Streiten nicht verlernen. Das war einmal das "Geheimnis der Grünen", wie Joschka Fischer es nannte: Durch zähes Streiten zum Konsens finden. Das macht Politik spannend.