Seit Beginn der Pandemie hat sich Einsamkeit, Verunsicherung und Angst in der Gesellschaft breitgemacht. Besonders Menschen in psychosozialen Notlagen bekommen das zu spüren. "Im Alltagsgeschäft vergeht kein Tag, an dem nicht jemand anruft, der eine Selbsthilfegruppe sucht oder bereits in einer Selbsthilfegruppe organisiert ist. Den Menschen fehlen die persönlichen Kontakte", sagt Brigitte Lindner von der Selbsthilfekontaktstelle (Seko) Nordoberpfalz in Weiden. Zusammen mit ihrem Mann Jürgen Huhn leitet sie die Stelle, die bei der Diakonie im Dekanat Weiden angesiedelt ist.
Die Nachfragen seien zur Zeit verstärkt nach Hilfen bei Einsamkeit, Post-Covid und Corona-Hinterbliebenen. Viele Selbsthilfegruppen könnten nicht mehr in Präsenz abgehalten werden. Wegen Corona sei auch kaum eine Besserung in Sicht. Erschwerend komme hinzu: Werden die Gruppen online abgehalten, können viele nicht mehr teilnehmen, "weil sie zuhause keinen Computer haben".
In Bayern gibt es fast 11.000 Selbsthilfegruppen
Etwa 100 Selbsthilfegruppen gibt es laut Seko alleine in der nördlichen Oberpfalz, bayernweit sind es nach Schätzungen der Seko Bayern um die 11.000. Nach Kräften bemühten sich die Gruppenleiter nun telefonisch für die Klienten erreichbar zu sein. Aber auch sie stoßen immer mehr an ihre Belastungsgrenzen. Es sei ein Unterschied, "ob ein Gruppenleiter zehn Leute um sich hat und eine Stunde mit ihnen spricht, oder ob er nacheinander zehn Stunden mit ihnen am Telefon sprechen muss", erläutert Lindner. "Viele Klienten fallen da einfach durchs Raster", sagt Brigitte Lindner.
Mehr als 100 Menschen sind seit April 2020 in Weiden an oder mit Corona gestorben, im Landkreis Tirschenreuth mehr als 200. Die Geschichten dazu sind manchmal so tragisch, dass Hinterbliebene mehr zu kämpfen haben, als "normale" Trauernde. "Es ist schlimm genug, liebe Menschen zu verlieren. Auch wenn das allen nicht erspart bleibt, macht Corona das Sterben und Verlieren der Angehörigen noch eine Spur härter", sagt Lindner. Und immer wenn es neue Nachrichten zu Corona gebe, erinnern sie sich an die eigene Situation, in der sie die Angehörigen nicht im Krankenhaus oder im Altenheim besuchen durften.
Die Bedürftigen helfen die Präsenztreffen im Alltag
Einsamkeit mache vielen kranken und behinderten Menschen schwer zu schaffen. "Aktiv und gemeinsam" heißt eine neue Selbsthilfegruppe, zu der jeder und jede kommen könne. Willkommen sind alle, die aus ihrem Alltag gerissen sind, und sich allein schwer tun, wieder darin Fuß zu fassen. Die Gruppe in Weiden trifft sich montags ab 9.30 Uhr in der Braunmühlstraße 6 für drei Stunden gemeinsame Aktivität. "Das gibt schon mal eine Tages-, ja sogar eine Wochenstruktur vor, man bleibt nicht einfach im Bett liegen, sondern steht auf."
Mitglieder von Selbsthilfegruppen seien alles andere als hilflos, räumt Jürgen Huhn mit einem gängigen Vorurteil auf. "Das sind mutige Menschen, die ihre Probleme angehen und lösen oder verbessern wollen. Sie übernehmen Verantwortung für ihr Leben, anstatt tatenlos auf bessere Zeiten zu warten", sagt er.
Mit der Zeit entwickelten sie eine hohe Professionalität, wüssten Bescheid über Ärzte und Behandlungsmethoden, Pflege oder Finanzierungsgeschichten. "Da ist geballtes Know-how vorhanden, auf das man zurückgreifen kann."