Frau Mühling, wie viele Freiwillige haben sich schon bei Ihnen gemeldet?

Petra Mühling: In den vergangenen drei Tagen haben sich bereits mehr als 1.800 Spontanhelfer registriert, die bereit sind, Besorgungsgänge zu erledigen. Daran merkt man:

Wenn's drauf ankommt, sind die Münchner da! Allerdings haben sich noch nicht viele ältere Menschen gemeldet, die Hilfe brauchen. Das ist jetzt unser Hauptthema: wie die Älteren von unserem Angebot Kenntnis erlangen.

Wir haben bereits die Verbände und Stellen wie die Alten- und Service-Zentren informiert, damit diese die Information weitergeben, und haben in allen Stadtteilen Aushänge gemacht. Ich gehe davon aus, dass binnen zwei Tagen die Bedarfe stark zunehmen.

Bei der Organisation von Hilfe ist es sicher extrem vorteilhaft, auf Erfahrungen wie in der Flüchtlingskrise zurückzugreifen, oder?

Mühling: Natürlich. Die Strukturen der Nothilfe vom Sommer 2015 haben wir aufrechterhalten, das ist einer unserer Kernaufträge, dafür werden wir auch von der Stadt gefördert - neben dem bürgerschaftlichen Engagement, das wir in den vergangenen Jahren betrieben haben. Wir haben ein dichtes Netzwerk zu städtischen Stellen wie Feuerwehr, Polizei, städtischen Referaten, Helfern, Verbänden und Presse.

Unsere Kerngruppe von acht bis zehn Mitarbeitern, davon drei hauptamtlichen, bespricht täglich um 13 und um 18 Uhr, welche Schritte wir als nächstes angehen. In der Stadt genießen wir ein hohes Vertrauen, nachdem wir die Flüchtlingszeit damals gemanagt haben.

Wie funktioniert das Vermitteln von Hilfe konkret?

Mühling:

Die Registrierungen der Helfer sammeln wir in einer Liste und ordnen jedem Helfer genau einen Bedürftigen zu.

Das soll so sein: erstens, um weitere Kontakte zu vermeiden, wenn ein Helfer mehrere Bedürftige versorgt. Und zweitens wächst so auch ein Vertrauensverhältnis des älteren Menschen zu seinem Helfer, was entscheidend ist. Denn ältere Menschen sind - auch zu Recht - oft misstrauisch und ängstlich, da muss man langsam und durch solche Regelmäßigkeit Vertrauen aufbauen.

Prüfen Sie die Helfer?

Mühling: Nein, das können wir nicht leisten, uns von jedem ein Führungszeugnis geben zu lassen. Es muss ja auch schnell gehen mit dem Aufbau der Hilfe. Wir können nur garantieren, dass wir als Verein seriös und an die Stadt angedockt sind. Aber die Helfer gehen ja auch nicht in die Wohnungen.

Gibt es ein festes Verfahren, nach dem Helfer ihren Job erledigen?

Mühling: Nein.

Wir geben Hygienehinweise gemäß den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts: etwa, dass die Einkaufsliste und das Geld vor der Tür deponiert und die Einkäufe ebenfalls dort abgestellt werden.

Wie das im Detail abläuft, überlassen wir dem jeweiligen Paar - wir stellen nur den Kontakt her. Wir verpflichten die Helfer auch nicht, mit den Bedürftigen zu sprechen, etwa um diesen in ihrer Einsamkeit zu helfen - das muss jeder Helfer so handhaben, wie er es für richtig hält.

Geben Sie den Helfern Verhaltensregeln mit?

Mühling: Ja, sie erhalten eine Checkliste und Verhaltensregeln, die auch auf unserer Website veröffentlicht sind. Wir weisen sie auch darauf hin, dass es seit 2007 die bayerische Ehrenamtsversicherung über den Freistaat gibt. Diese besteht aus einer Haftpflicht- und einer Unfallversicherung für den Ehrenamtlichen, damit er keine Nachteile erleidet, wenn er selbst keinen entsprechenden Versicherungsschutz hat.

Freiwilligenhilfe in Bayern

Es seien sehr viele Menschen, die helfen wollen, eine landesweite Übersicht gebe es aber noch nicht, weil sich vieles auch privat in Form von Nachbarschaftshilfe und im Netz abspielt, sagt Beatrix Hertle, Landesgeschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligen-Agenturen (lagfa bayern).

Allein in Augsburg hätten sich mehrere hundert Menschen und Verbände beim städtischen Freiwilligenzentrum (FZ) gemeldet. Darunter seien vor allem jüngere Menschen zwischen 20 und 40 Jahren, so FZ-Leiter Wolfgang Krell. Inzwischen böten auch Organisationen und kirchliche Jugendverbände ihre Hilfe an, sagte Krell. Geplant sei auch ein "Telefonischer Besuchsdienst" für Menschen, die das wünschen.

In Lindau haben derweil zwei junge Männer "We Care - Lindau" gegründet, knapp 1.000 Menschen hatten sich spontan auf Facebook gemeldet und sind bereit zu helfen. In Neumarkt in der Oberpfalz konnte der "Leb-mit-Laden" der Diakonie seine Lebensmittelversorgung für Bedürftige nur durch einen öffentlichen Aufruf aufrechterhalten. Daraufhin hatten sich einige ehrenamtliche Helfer gefunden, die ältere Mitarbeiter ersetzt haben, die aufgrund der Corona-Pandemie nicht mehr kommen konnten oder wollten.

Auch in den sozialen Netzwerken tut sich einiges: So will etwa die Gruppe "#CoronaHilfe Nachbarschaftshilfe"  private Nachbarschaftshilfen aus der Stadt und dem Landkreis München vernetzen. Die Helfer wollen unter Quarantäne stehende Menschen ebenso unterstützen wie chronisch Erkrankte, ältere Menschen und Berufstätige mit Kindern.