Nach der Zuspitzung der Flüchtlingssituation an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland fordern die Grünen eine europäische Lösung. "Statt sich auf eine faire Verteilung von Schutzsuchenden zu einigen, lässt die EU Griechenland mit den Herausforderungen allein", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Montag). Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte einen Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex.
Mehr als 13.000 Flüchtlinge, darunter Familien mit Kindern, harren nach Angaben der UN-Organisation für Migration (IOM) vom Sonntagmorgen an der Grenze zu Europa aus.
Im Laufe des Samstags sei eine steigende Zahl von Flüchtlingen mit Autos, Taxis und Bussen von Istanbul Richtung Grenze aufgebrochen, hieß es.
Am Samstagvormittag hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan angekündigt, Flüchtlinge ungehindert Richtung Griechenland und Bulgarien reisen zu lassen, weil sich die EU nicht an Zusagen des Flüchtlingspaktes halte. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu twitterte am Sonntagmorgen, es hätten nun bereits 76.358 Menschen das Land über den Grenzübergang Edirne verlassen. In der Türkei leben etwa 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien.
Göring-Eckardt kritisierte, der Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei habe Abhängigkeiten geschaffen und funktioniere in der Praxis nicht.
"Die aktuelle Lage ist auch Ergebnis der Versäumnisse der vergangenen Jahre", sagte sie den Funke-Zeitungen. Die Bundesregierung müsse nun schnellstmöglich auf eine europäische Lösung für die Verteilung der Flüchtlinge dringen. "Wenn nicht alle Mitgliedsländer bereit sind, sich an der Aufnahme von Flüchtlingen zu beteiligen, muss Frau Merkel endlich eine Allianz der Willigen schmieden, die mit gutem Beispiel vorangeht", betonte die Grünen-Politikerin.
Der CSU-Politiker Herrmann bezeichnete die Situation an den türkischen Grenzen als brenzlig. Ganz offensichtlich wolle die Türkei mit "unlauteren Methoden und auf dem Rücken der Flüchtlinge" den Druck auf die EU erhöhen, um mehr Geld zu bekommen, sagte er den Funke-Zeitungen (Montag).
"Klar ist, dass wir uns von der Türkei nicht erpressen lassen dürfen."
Die EU sollte möglichst schnell die Grenzen mit zusätzlichen Frontex-Kräften unterstützen, forderte er.
Die griechische Regierung verhinderte nach eigenen Angaben am Samstag den Grenzübertritt von rund 4.000 Menschen, wie griechische Medien berichteten. Es kam demnach zu heftigen Zusammenstößen zwischen Migranten und Grenzpolizisten. Athen habe die Grenzsicherung massiv verschärft, sagte ein Regierungssprecher. Neben Soldaten und Polizisten an der Landgrenze patrouillierten die Marine und die Küstenwache mit 52 Schiffen in der Ägäis.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen äußerte sich besorgt über die jüngste Entwicklung.
Sie sicherte Griechenland und Bulgarien, das ebenfalls an die Türkei grenzt, europäische Hilfe zu. Frontex stehe bereit, die örtlichen Behörden zu unterstützen, teilte sie per Twitter mit. Die EU-Agentur selbst twitterte am Sonntag, sie entsende Ausrüstung und zusätzliche Kräfte nach Griechenland.
Das EU-Türkei-Abkommen vom März 2016 sieht vor, dass alle Bootsflüchtlinge, die über die Ägäis nach Europa kommen, in die Türkei zurückgeschickt werden. Im Gegenzug erhält die Regierung in Ankara Finanzhilfen, außerdem soll für jeden aus Griechenland zurückgeschickten Asylsuchenden ein syrischer Bürgerkriegsflüchtling in die EU geholt werden.